Sakrale Atmosphäre in Bayreuth
Mit Anspielungen an die Flüchtlingskrise zeigt Regisseur Uwe Eric Laufenberg seine neue "Parsifal"-Inszenierung bei den Bayreuther Festspielen. Die Sicherheitsvorkehrungen sind aufgestockt, die Politikprominenz fehlt in diesem Jahr aufgrund der Bluttaten in Bayern. Besuchern bietet sich noch bis Ende August ein spannendes Programm vieler Wiederaufnahmen im Spielplan.
Bayreuther Festspiele

Sakrale Atmosphäre in Bayreuth

Mit Anspielungen an die Flüchtlingskrise zeigt Regisseur Uwe Eric Laufenberg seine neue "Parsifal"-Inszenierung bei den Bayreuther Festspielen. Die Sicherheitsvorkehrungen sind aufgestockt, die Politikprominenz fehlt in diesem Jahr aufgrund der Bluttaten in Bayern. Besuchern bietet sich noch bis Ende August ein spannendes Programm vieler Wiederaufnahmen im Spielplan.

Ein Hubschrauber fliegt über das Festspielhaus. Zahlreiche Polizei-Einsatzwagen flankieren das Gebäude. Beamte bringen Spürhunde ins Haus, kontrollieren schon auf der Straße Handtaschen und stellen Absperrgitter auf. Ausnahmezustand bei den Bayreuther Festspielen – bei der Eröffnung am Montag ist vieles anders als sonst. Die Franken-, Bayern- und Deutschlandflaggen, die die Auffahrt hoch zum Festspielhaus säumen, tragen Trauerflor. Nach den jüngsten Bluttaten gibt es keinen roten Teppich samt Promi-Auflauf. Nach dem Axt-Angriff von Würzburg, dem Amoklauf in München und dem Anschlag in Ansbach schreiten keine Politiker und Show-Größen zum Portal des imposanten Wagner-Festspielhauses. Der Medienrummel ist gering, nur eine Handvoll Zaungäste ist zum Schauen gekommen. Normalerweise ist der ganze Vorplatz voller Schaulustiger.

Schauspieler statt Politikprominenz

Schauspielerin Michaela May ist fast die einzige, die in diesem Jahr nah ans Festspielhaus heranfahren darf – sonst gehörte es zum Auftritt, mit dem Auto vorzufahren. May aber kann wegen eines Unfalls noch nicht so gut laufen und hatte ein Sonderrecht – und trägt auch flache, mit bunten Steinen besetzte Sandalen zu ihrem strahlend-orangefarbenen Sommerkleid.

Man muss ein Zeichen setzen und trotz der Angst kommen.

Michaela May, Schauspielerin

Auch die Schauspieler Udo Wachtveitl und Edgar Selge sind zu sehen. Die Politprominenz fehlt aber. Das gesamte bayerische Kabinett sagte nach den Attacken ab. Kanzlerin Angela Merkel, eigentlich Stammgast bei der Bayreuther Festspieleröffnung, hatte schon vor längerer Zeit mitgeteilt, dass sie aus terminlichen Gründen nicht kommen könne.

Religion dient sich selbst

Im Festspielhaus ruft Regisseur Uwe Eric Laufenberg dem Publikum zu: Lasst das doch mit der Religion – und konzentriert Euch aufs Menschsein. Laufenberg, vor zwei Jahren für den gefeuerten Skandalkünstler Jonathan Meese eingesprungen, hat am Montagabend bei den Richard-Wagner-Festspielen eine überaus religionskritische Version von Wagners Spätwerk „Parsifal“ auf die Bühne gebracht. Seine humanistische Interpretation der Erlösungsoper kam beim Publikum fast ausnahmslos bestens an.

Der Intendant des Hessischen Staatsschauspiels in Wiesbaden, der seine eigene Inszenierung im Publikum verfolgt hat, erntet am Schluss Schulterklopfen. Ein Zuschauer küsst ihn sogar auf die Wange. Und auch als er auf der Bühne steht, wird er beinahe so sehr gefeiert wie der kurzfristig eingesprungene Dirigent Hartmut Haenchen, der mit insgesamt vier Stunden ziemlich schnell durch die drei Akte von Wagners letzter Oper führt, und das Sängerensemble um Klaus Florian Vogt in der Titelrolle. In Bayreuth, wo „Ring“-Regisseur Frank Castorf minutenlang ausgebuht wurde, ist das alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

In Laufenbergs Inszenierung – gerüchteweise als islamkritisch angekündigt – bekommt jede monotheistische Religion ihr Fett weg. Den ersten Aufzug der Erlösungs-Oper verlegt er in eine katholische Kirche irgendwo im Nahen Osten. Flüchtlinge scheinen dort auf Feldbetten Kirchenasyl gefunden zu haben. Doch sie müssen gehen, als die Gralsritter ihren Riten nachgehen wollen – schließlich steht ja am Ende des ersten Aktes die feierliche Enthüllung des Heiligen Grals. Der erste Hinweis von vielen, dass die Religion in Laufenbergs Interpretation mehr sich selbst dient als den Menschen.

Szenen im Grenzgebiet und Wellness-Oasen

Ein eingespielter Film auf einer Leinwand zoomt heraus aus der Kirche, links und rechts sind Feuerbälle zu sehen, die an Explosionen oder brennende Gebäude erinnern, der Zoom zieht weiter auf, zeigt die Erde, bald die Sonne, das Weltall – Star Wars lässt grüßen – und rast wieder zurück auf diese winzig kleine Kirche wohl irgendwo im türkisch-irakisch-syrischen Grenzgebiet. Dort zelebrieren  die Gralsritter – unbeeindruckt von den Dingen, die außen vor sich gehen – ihren religiösen Ritus. Amfortas (Ryan McKinny), bei Laufenberg eine explizite Christusgestalt mit Dornenkrone und Wundmalen, liegt blutüberströmt auf einer Art Taufbecken, seine Ritter zapfen ihm das Blut ab.

Wer Islamkritik sucht, könnte sie hier finden. Doch sobald sich der Schleier verschiebt, könnte es sich auch im katholische Nonnen handeln.

Der zweite Teil spielt in einer Art orientalischer Wellness-Oase, in der die Blumenmädchen und Kundry vergeblich versuchen, dem „reinen Tor“ Parsifal seine Unschuld zu rauben. Die Blumenmädchen sind zunächst schwarz verschleiert. Bevor sie die Bühne betreten, befinden sie sich hinter Gittern – verschleierte Frauen, eingesperrt. Wer Islamkritik sucht, könnte sie hier finden. Doch sobald sich der Schleier verschiebt, könnte es sich auch im katholische Nonnen handeln. Laufenberg macht da keinen Unterschied. Und ohnehin: Lange tragen die Mädchen die Verschleierung nicht – unter ihnen kommen Bauchtänzerinnen-Kostüme zum Vorschein. Die Kulisse wird zum Harem.

Muslime und Christen beerdigen ihre Religionssymbole

Im dritten Akt dann ist die Kirche – ihrer tragenden Pfeiler beraubt – nur noch eine Ruine. Dahinter kommt das Paradies zum Vorschein, in dem nackte Evas – ganz unbehelligt von Schlangen jeglicher Art – unter einem tropischen Wasserfall duschen. Wenn nur die Überreste dieser Kirche nicht wären – man hätte einen ungetrübten Blick auf dieses Paradies. Ganz zum Schluss, in der berühmten Erlösungsszene, beerdigen Muslime, Juden und Christen die Symbole ihrer Religionen. Kruzifix, siebenarmige Leuchter und liturgische Gegenstände aller Art landen im Sarg. Überall dem thront von Aufzug eins an eine Gestalt. Regungs- und tatenlos wendet sie dem Publikum von Anfang an den Rücken zu. Dem Programmheft ist ein Zitat des Dalai Lama vorangestellt: „Ich denke an manchen Tagen, dass es besser wäre, wenn wir gar keine Religionen mehr hätten.“

Festspielchefin am Werk

Mit dem „Rheingold“, dem ersten Teil von Richard Wagners vierteiligem Werk „Der Ring des Nibelungen“, werden am 26. Juli die Bayreuther Festspiele fortgesetzt. Die Inszenierung von Frank Castorf, dem Chef der Berliner Volksbühne, stammt aus dem Jahr 2013 und kommt als Wiederaufnahme auf die Bühne. Die musikalische Leitung hat Marek Janowski. In den Hauptrollen sind Iain Paterson (Wotan), Albert Dohmen (Alberich) und Roberto Saccà (Loge) zu hören.

Die Bayreuther Festspiele dauern bis zum 28. August. „Parsifal“ ist die einzige Neuinszenierung. Daneben stehen als Wiederaufnahmen auf dem Spielplan: der vierteilige „Ring des Nibelungen“ in einer Inszenierung von Frank Castorf, „Der fliegende Holländer“, inszeniert von Jan Philipp Gloger, sowie „Tristan und Isolde“ in der Deutung der Bayreuther Festspielchefin Katharina Wagner.

(dpa/AS)