US-Präsident Barack Obama bei seiner Rede zur Lage der Nation. (Bild: Imago/Xinhua)
Rede an die Nation

Auftakt zum letzten Akt

Zum achten und letzten Mal wendet sich Barack Obama in einer Rede an die Nation. Seine Bilanz bewertet der US-Präsident überwiegend positiv - ein wenig Selbstkritik schwingt aber trotzdem mit. Für die Zukunft wünscht sich der scheidende Regierungschef mehr Zusammenhalt innerhalb der USA - nur so könne das Land weiter seine führende Rolle in der Welt ausfüllen, "ohne ihr Polizist zu sein".

Mit einem Appell an einen stärkeren Zusammenhalt und einen grundlegenden Politikwandel in den USA hat US-Präsident Barack Obama seine letzte Rede zur Lage der Nation geschlossen. In Washington müsse künftig wieder mehr Gemeinsinn und Offenheit – auch unter politischen Gegnern – herrschen, sagte Obama in der Nacht vor den beiden Kammern des US-Parlaments. „Wie behalten wir Amerikas Sicherheit bei und führen die Welt an, ohne ihr Polizist zu sein?“ fragte Obama, der in einem Jahr aus dem Amt scheidet.

«Was damals wahr gewesen ist, kann auch heute gelingen:

Die einmalige Stärken der USA als Nation, ihr Optimismus und ihre Arbeitsmoral sowie der Glauben an die Kraft des Gesetzes seien Dinge, die den Amerikanern alles geben, was man brauche, um Wohlstand und Sicherheit für kommende Generationen zu sichern, betonte Obama.

Obama zeigt Optimismus für Zukunft der USA

Der US-Präsident präsentierte in diesem Jahr nicht, wie sonst bei diesem Anlass üblich, ein Programm für die kommenden Monate. Stattdessen gab er einen kurzen Überblick über die Bilanz seiner bisherigen Amtszeit – und zeigte eine optimistische Vision für die Zukunft der USA auf. Die Vereinigten Staaten hätten schon vor Jahrzehnten außergewöhnliche Dinge wie die Mondlandung geschafft, so der Präsident. Die Frage der Zukunft müsse daher lauten: „Wie können wir den Funken der Innovation wieder entzünden?“ Obama rief zu einer nationalen Anstrengung auf, um den Krebs für immer zu besiegen. Nachdrücklich warb er für den Kampf gegen Klimawandel und Erderwärmung.

„Amerika ist die stärkste Nation der Welt“

„Alles Gerede von einem wirtschaftlichen Niedergang der USA ist heiße Luft“, sagte Obama an die Adresse der oppositionellen Republikaner, die mit dem Slogan, die US-Wirtschaft befände sich im Abschwung, im Wahlkampf um das Weiße Haus punkten wollen. Genau so sei verhalte es sich mit allen Sprüchen, Amerika werde schwächer und seine Feinde stärker, sagte Obama. „Amerika ist die stärkste Nation der Welt. Punkt! Es ist nicht mal knapp!“, rief der Präsident, der zum Ende des Jahres nach acht Jahren aus dem Amt scheidet. Wenn es um internationale Probleme gehe, schaue niemand nach Moskau oder Peking, sondern rufe die USA.

„Der IS bedroht nicht unsere nationale Existenz – und steht nicht für den gesamten Islam“

„Ich weiß, dass wir in gefährlichen Zeiten leben“, sagte Obama. Er erwähnte unter anderem die Umbrüche in Nahost, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Chinas sowie das russische Vorgehen in Syrien und der Ukraine. „Aber während wir uns auf die Zerstörung des Islamischen Staates konzentrieren, spielen dem IS übertriebene Bezeichnungen wie „Dritter Weltkrieg“ direkt in die Hände“, sagte Obama unter großem Applaus von beiden Seiten. Die IS-Kämpfer stellten eine enorme Gefahr dar und müssten gestoppt werden. „Aber sie bedrohen nicht unsere nationale Existenz. Das ist höchstens die Geschichte, die der IS uns erzählen will.“ Auch stehe der IS nicht für den gesamten Islam.

Die Außenpolitik der USA könne daher nicht in der Fokussierung auf den IS haltmachen. Nahost, Afghanistan, Pakistan, Zentralamerika, Afrika und Asien: „Unsere Antwort kann nicht nur darin bestehen, laut aufzutreten, oder Bombenteppiche auf Zivilisten auszubreiten“, sagte Obama. „Amerikas Führung im 21. Jahrhundert besteht nicht in der Wahl, den Rest der Welt zu ignorieren, oder jedwedes Land im Aufruhr zu besetzen und wiederaufzubauen. Führung meint eine kluge Anwendung militärischer Gewalt – und die Welt hinter den richtigen Gründen zu vereinen“, sagte Obama.

Schließung von Guantánamo steht weiter auf dem Plan

Der US-Präsident bekräftigte, das umstrittene Gefangenenlager auf Guantánamo noch vor Ablauf seiner Amtszeit schließen zu wollen. „Es ist teuer, es ist unnötig und es dient unseren Feinden nur als Rekrutierungsbroschüre.“ Gleichzeitig appellierte er eindringlich an Toleranz und Gleichberechtigung in den USA. „Wenn Politiker Muslime beleidigen, wenn eine Moschee verwüstet wird, ein Kind schikaniert, macht uns das nicht sicherer. Es macht uns schwächer in den Augen der Welt.“

Obama zeigt sich selbstkritisch

Doch Obama zeigte sich auch selbstkritisch. In Zukunft wünsche er sich, dass die politischen Gräben in Amerika überwunden werden können. „Denn das ist eines der wenigen Dinge, die ich in meiner Präsidentschaft bedauere: Dass die Verbitterung und die Verdächtigungen zwischen den Parteien schlimmer geworden sind und nicht besser“, so der US-Präsident. Dies zu überwinden sei aber nicht nur Aufgabe des kommenden Präsidenten, sondern der gesamten politischen Gesellschaft und aller Amerikaner.

Um die Situation in Washington grundlegend zu verändern, schlägt Obama einen Systemwechsel vor. Dies gelte für die Praxis der willkürlichen Zuschneidung der Wahlbezirke, für einen zu großen Einfluss des Geldes auf die Politik, eine Konzentration der Macht, verdeckte Interessen. Zu viele Amerikaner seien frustriert. „Was ich erbitte, ist hart“, sagte Obama. Aber trotz wachsender Frustration sei ein Rückfall in politische Stämme oder das Beschuldigen von Sündenböcken, anders Aussehender oder anders Betender kein Weg.

Angesichts eines bereits jetzt aufgeheizten Klimas im Wahlkampf rief Obama: „Woran auch immer Sie glauben, und welche Partei auch immer Sie bevorzugen –  unsere gemeinsame Zukunft hängt von Ihrem Willen ab, Ihre Verpflichtungen als Bürger hochzuhalten.“

(dos/dpa)