Exportschlager von ThyssenKrupp Marine Systems in Kiel: Das Brennstoffzellen-U-Boot Typ 214 der Dolphin-Klasse, hier unter portugiesischer Flagge. Bild: TKMS
Aufrüstung

Deutsche U-Boote für Australien?

Australien braucht zwölf neue U-Boote. Die Kieler Werft ThyssenKrupp Marine Systems macht sich mit einem neuen Brennstoffzellen-U-Boot Typ 216 große Hoffnungen auf den 13,5 Milliarden Euro teuren Auftrag. Aber die Australier stellen hohe Ansprüche: Ihr neues U-Boot soll so gut sein wie ein Atom-U-Boot. Ganz nebenbei geht es auch um den südaustralischen Werft-Standort Adelaide.

„Denen würde ich nicht mal zutrauen, Kanus zu bauen.“ Das bittere Urteil von Australiens Verteidigungsminister David Johnston galt im vergangenen November der staatlichen Werft Australian Submarine Corporation (ASC). Seine Entschuldigung, die er sich ein paar Tage später mühsam abrang, machte die Sache nicht besser: „Leider habe ich in rhetorischem Überschwang meinem Ärger über die letzten Leistungen der ASC Luft gemacht.“ Am Schluss konnte ihn Premierminister Tony Abbott nicht mehr halten.

Dabei kann man Johnston gut verstehen. Die Staatswerft hat die australischen Steuerzahler schon richtig viel Geld gekostet. Und allmählich wird das ASC-Drama auch sicherheitspolitisch zur ernsten Angelegenheit für das ganze Land. Schon Ende 2014 hätte die ASC-Werft etwa den ersten von drei hochmodernen Flugabwehr-Raketen-Zerstörern an die Royal Australian Navy übergeben sollen. Aber nach schier unglaublichen Design- und Fertigungspannen wird das ganze Rüstungsprogramm nun mindestens drei Jahre länger dauern und 1,2 Milliarden Australische Dollar mehr kosten.

Ein U-Boot, das nicht wirklich tauchen darf

Noch bitterere Erfahrungen machte Australiens Marine mit sechs ebenfalls von ASC gebauten U-Booten der Collins-Klasse. ASC brauchte für jedes Boot mehr Zeit als die Amerikaner für den Bau eines Super-Flugzeugträgers. Aber weil offenbar praktisch alles, was für ein U-Boot wichtig ist – vom Periskop, über die Dieselmotoren bis zum Notantrieb und zur zentralen Steuerelektronik – chronisch schadhaft ist, sind selten auch nur zwei U-Boote einsatzbereit gewesen. Zwischen Oktober 2009 und Februar 2010 nicht einmal ein einziges. Mit der Zeit werden die Boote zudem immer lauter und innen ungemütlich heiß.

Die U-Boote werden jedes Jahr eine halbe oder ganze Tonne schwerer – aus Gründen, die niemand begreift.

Australisches Verteidigungsministerium

Und jedes Jahr werden die Collins-Boote eine halbe oder ganze Tonne schwerer – „aus Gründen, die niemand begreift“, so das Verteidigungsministerium. Einziger Trost: Weil die ab 1990 in Dienst gestellten Boote so wenig auf Tauchfahrt waren, sind ihre Druckhüllen in vergleichsweise gutem, wenig belastetem Zustand. Aber tief tauchen dürfen sie trotzdem nicht: Seit einem Defekt, der im Februar 2003 um ein Haar eines der Boote samt 55 Mann Besatzung gekostet hätte, haben die Collins-U-Boote Tieftauch-Verbot. Im militärischen Ernstfall könnte man sie darum kaum einsetzen.

Das verbockteste, am miesesten gemanagte U-Boot-Programm der Welt.

The Australian

ASC hat ein U-Boot gebaut, das nicht richtig tauchen darf. Vom „verbocktesten, am miesesten gemanagten U-Boot-Programm der Welt“, schrieb vor zwei Jahren die größte australische Tageszeitung The Australian. Kein Wunder, dass es schlecht steht um das Staatsunternehmen – und um den ganzen Werftstandort im südaustralischen Adelaide. Rettung könnte jetzt aus Deutschland kommen. Aber der Reihe nach.

Drohende U-Boot-Lücke

Ab 2025 sollen die Collins- Boote außer Dienst gestellt werden. 2007 legte die Regierung in Canberra darum das Beschaffungsprogramm SEA1000 auf, um die sechs alten Boote durch zwölf neue zu ersetzen. Aber aufeinanderfolgende Labour-Regierungen blieben in der Sache untätig, vielleicht mit Rücksicht auf ihre Werftarbeiter-Wählerschaft in Adelaide. Auch die Regierung Abbott hat das heiße U-Boot-Eisen zunächst nur zögerlich angefasst. Und jetzt wird die Zeit knapp.

Weil der vollständige Entwurf eines neuen U-Bootes mindestens acht Jahre und dann der Bau jedes einzelnen U-Bootes noch einmal fünf Jahre dauert, droht dem Land nun eine U-Boot-Lücke. Wenn die Collins-Boote nicht irgendwie bis in die 2030er Jahre seetüchtig werden können, hätte Australien zum ersten Mal seit 1967 keine U-Boote, um seine Küsten zu schützen, warnte schon im September 2013 The Australian. Und das zu einer Zeit, in der in Fernost ein regelrechtes U-Boot-Wettrüsten im Gange ist.

Australiens größtes Rüstungsprojekt: 27 Milliarden Euro

Aber eine Untersuchung des Verteidigungsministeriums hat inzwischen ergeben, dass die Verlängerung der Lebenszeit der Collins-Boote ausgeschlossen ist. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Unglücksboote schon eher außer Dienst gestellt werden müssen. Neue U-Boote müssen her und eher schneller als später. Die Folge ist jetzt ein spannender Wettbewerb zwischen deutschen, französischen und japanischen Herstellern um den Auftrag im Wert von 20 Milliarden Australischen Dollar (13,5 Milliarden Euro) oder doppelt soviel, wenn man die ganze Dienstzeit der Schiffe einrechnet. Das neue U-Boot-Programm ist Australiens bislang größtes Rüstungsprojekt.

Ein spannender Wettbewerb zwischen deutschen, französischen und japanischen Herstellern.

Zunächst wollte Canberra den SEA1000-Auftrag wieder an die ASC-Werft gehen. Aber die „wahnsinnige Idee“ (The Australian) war schnell wieder vom Tisch. Im April 2014 überlegte Premier Abbott offenbar in Tokio mit Japans Ministerpräsidenten Shinzo Abe, den Auftrag an Japan zu vergeben. Presseberichten zufolge soll Verteidigungsminister Johnston sogar erwogen haben, top-moderne japanische U-Boote der Soryu-Klasse sozusagen von der Stange zu kaufen. Es blieb bei den Spekulationen. Anfang des Jahres entschied die Regierung Abbott, dass die Auftragsvergabe zwar nicht per offener Ausschreibung, aber in einem „wettbewerblichen Bewertungsprozess“ erfolgen sollte. Die Kieler Werft ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS), der französische Staatskonzern DCNS und die beiden Hersteller der japanischen Soryu-Boote, Mitsubishi Heavy Industries und Kawasaki Shipbuilding, wurden eingeladen, bis Ende 2015 entsprechende konkrete Vorschläge einzureichen. Der schwedische Wettbewerber Saab wurde von der Liste gestrichen, weil er seit bald 20 Jahren kein U-Boot mehr gebaut hat, aber dafür an der Konstruktion der unglücklichen Collins-Boote beteiligt war.

Große Chance für das deutsche Treibstoffzellen-U-Boot

Inzwischen ist der Kampf um den lukrativen Auftrag voll entbrannt. Die deutsche TKMS hat mit ihrem Typ-216-Projekt – eine mehr als doppelt so große Weiterentwicklung der Brennstoffzellen-U-Boote der 214er Dolphin-Klasse – gute Chancen. Nicht zuletzt, weil sie angeboten hat, die australische ASC-Werft zu übernehmen oder in jedem Fall ihre Kieler Werft in Adelaide sozusagen zu kopieren und „ein starkes australisches Standbein aufzubauen“. Das könnte den Australiern gefallen: Die TKMS würde dann die Wartung aller ihrer in die ganze Region verkauften U-Boote nach Adelaide verlagern – die Rettung für den Werftstandort. Umgekehrt winkt dann den Deutschen vielleicht schon der nächste australische Riesenauftrag SEA5000 zum Bau von sechs Fregatten – für 15 Milliarden Dollar (10 Milliarden Euro).

ThyssenKrupp Marine Systems könnte mit dem Auftrag den australischen Werft-Standort Adelaide retten.

Hinzu kommt das große Prestige des deutschen Anbieters. Die Kieler Werft hat in den vergangenen 50 Jahren 161 U-Boote für 20 Marinestreitkräfte gebaut. Beim Bau von diesel-elektrischen U-Booten gilt TKMS als unbestrittener Weltmarktführer. Von Blohm und Voss stammte seinerzeit der Entwurf für zehn australische Anzac-Fregatten. Die zwischen 1993 und 2006 gebauten Schiffe gelten als „das erfolgreichste australische Marine-Programm überhaupt“, so die australische Internet-Nachrichtenseite News.com.au.

Transparenz-Kampagne in Kiel

In Kiel ahnt man aber, dass die Regierung Abbott aus politischen und geostrategischen Gründen womöglich gerne einen japanischen Partner hätte, und legt sich dementsprechend ins Zeug. Im Mai haben die TKMS-Leute den neuen australischen Verteidigungsminister Kevin Andrews im Hubschrauber ausführlich über ihre Werftanlagen geflogen, wo gerade neun U-Boote gebaut oder gewartet wurden. In Kiel geht es mit U-Booten richtig zur Sache, das war die Botschaft. Andrews soll beeindruckt gewesen sein. Überhaupt stehen derzeit in Kiel für australische Besucher die Türen offenbar sperrangelweit offen. Im Mai durfte eine Gruppe von australischen Journalisten – Schwerpunkt Sicherheitspolitik – Kiel und das Unternehmen besuchen und ausführlich in Augenschein nehmen. Die Werft und ihre Offenheitskampagne kommt bei den australischen Journalisten gut an. Sie haben auch sofort vermerkt, dass Franzosen und Japaner das ganz anders handhaben – die französischen und japanischen U-Boot-Vorschläge seien „in Geheimhaltung gehüllt“, schreibt news.au.com.

 Japans größtes Problem: keine Erfahrung beim Rüstungsexport

Das japanische Soryu-U-Boot ist unbestritten gut. Verteidigungsminister Johnston nannte es sogar „das beste konventionelle U-Boot der Welt”. Was man in Kiel natürlich bestreitet. interessanterweise kritisieren auch australische U-Boot-Fahrer die japanische Soryu: So habe das japanische Boot, obwohl deutlich größer als die Collins-Klasse, innen weniger Platz, schreibt etwa das Internet-Magazin The Diplomat. Richtig ist, dass Canberra und Tokio in der Region sicherheitspolitisch eng zusammenarbeiten wollen. Vor allem eben zur See, wo derzeit die chinesische Aufrüstung und ziemlich rücksichtslose Pekinger Machtpolitik beiden Ländern Sorgen bereiten. Für beide sind die USA der wichtigste und unverzichtbare Verbündete. Die Australier haben seit Beginn des 20. Jahrhunderts noch in jedem amerikanischen Krieg an der Seite ihres großen Verbündeten mitgekämpft und wissen genau warum. Gut möglich, dass am Schluss auch in der U-Boot-Frage ein amerikanisches Wort den Ausschlag gibt. Trotzdem haben die Japaner einen dramatischen Nachteil: Sie haben noch nie Waffen, geschweige denn ein U-Boot, exportiert oder mit irgendjemandem in Kooperation gebaut. Das würde ein gemeinsames Rüstungsprojekt, noch dazu ein so riesiges, regelrecht riskant machen.

Die Franzosen wollen für die Australier ein Atom-U-Boot verkleinern und auf ein diesel-elektrisches Antriebssystem umrüsten – was nicht unproblematisch ist. Dazu ist nicht sicher, ob US-Hersteller ihre Waffentechnologien, die die Australier auf ihren Schiffen einsetzen wollen, auch mit den Franzosen teilen wollen.

Ein konventionelles U-Boot mit den Leistungen eines Atom-U-Boots

Aus diesen und weiteren Gründen haben die vergrößerten deutschen Dolphin-U-Boote in Australien gute Chancen. Aber auch für den Kieler Hersteller wäre der australische Auftrag eine echte Herausforderung. Denn die Australier sind anspruchsvolle Kunden: „Wir wollen ein konventionelles U-Boot mit der Leistung, der Geschwindigkeit und der Reichweite eines Atom-U-Bootes“, so ungefähr erklärte es vor etwa einem Jahr Verteidigungsminister Johnston. Das extreme Anforderungsprofil hängt mit Australiens Geographie zusammen und mit seinen strategischen Interessen zwischen dem Nordpazifik und dem Persischen Golf auf der anderen Seite des Indischen Ozeans. Niemand außer den Australiern peitscht seine konventionellen diesel-elektrische U-Boote erst tausende Seemeilen über die Ozeane, um sie dann in weit entfernten Seegebieten auf Patrouille gehen zu lassen. So erklärt es das australische Magazin The Monthly sehr zutreffend seinen Lesern. Gut möglich, dass die Collins-Boote auch an diesem fast unmöglichen Auftrag gescheitert sind.

Australien hat die einzige Marine der Welt, die ihre konventionellem U-Boote erst tausende von Kilometern über die Ozeane peitscht – und sie dann auf Patrouille schickt.

The Monthly

Für TKMS wäre die Herausforderung aber zugleich eine noch größere Chance. Denn wenn die australische Regierung sich im November für das deutsche Typ-216-Boot entscheidet, wird die Kieler Werft in einigen Jahren ein ganz besonderes U-Boot präsentieren: eben ein großes konventionelles U-Boot mit den Leistungen eines Atom-U-Boots.