„Die Asylpolitik ist die Achillesferse Europas“
Der Schutz der Außengrenzen bleibt Europas großes Problem. Das sagt Innenminister Horst Seehofer im Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung". Darum kommt es auf Maßnahmen an den deutschen Grenzen an − und auf konsequentere Abschiebungen.
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„Die Asylpolitik ist die Achillesferse Europas“

Der Schutz der Außengrenzen bleibt Europas großes Problem. Das sagt Innenminister Horst Seehofer im Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung". Darum kommt es auf Maßnahmen an den deutschen Grenzen an − und auf konsequentere Abschiebungen.

„In Europa sind wir noch meilenweit von einem wirksamen Außengrenzenschutz entfernt.“ Diese Bilanz zieht Bundesinnenminister Horst Seehofer im Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung. So sei zwar viel die Rede vom Ausbau der EU-Grenzagentur Frontex auf 10.000 Mann. Nur: Das wird dauern, so Seehofer: „Früher als 2027 ist das mit unseren europäischen Partnern nicht zu machen.“

Eine funktionierende europäische Asylpolitik „mit einem reformierten europäischen Asylsystem und wirkungsvollen Außengrenzenschutz“ wäre die “Ideallösung“, betont der Minister. „Aber auf den letzten Innenministerräten habe ich gesehen, dass vor der Europawahl auf keinen Fall noch eine Lösung zu erwarten ist.“ Seehofers Fazit: „Die Asylpolitik ist die Achillesferse Europas.“

Auf neue Fluchtwelle vorbereitet

Immerhin, wenn sich jetzt eine Flüchtlingskrise wie 2015 wiederholte, wäre Deutschland „entschieden besser vorbereitet“, versichert Seehofer. Es seien schon jetzt „zahlreiche Maßnahmen“ ergriffen worden, „um einen Kontrollverlust zu vermeiden“. Allerdings müsste man dann eben manches anders machen als vor vier Jahren.

In Europa sind wir noch meilenweit von einem wirksamen Außengrenzenschutz entfernt.

Horst Seehofer

So müsste etwa noch an der Grenze Klahrheit hergestellt werden über die Identität einer Person und ihres Schutzstatus. Dazu müsste man dann „an der Grenze Transitzentren einrichten, dort sofort die Identität der ankommenden klären und so schnell wie möglich Asylverfahren durchführen“. Solange der Schutz der europäischen Außengrenzen so wenig funktioniert, heißt das, hängt eben alles von Maßnahmen an den deutschen Grenzen ab.

Manche Bundesländer nachlässig bei Abschiebungen

Sehr unzufrieden äußert sich Seehofer gegenüber dem Schweizer Blatt über die Abschiebesituation in Deutschland. Etwa 230.000 Leute seien in Deutschland derzeit vollziehbar ausreisepflichtig, hat der Minister an anderer Stelle erklärt. Problem: „Dafür sind in erster Linie die Bundesländer zuständig“, so Seehofer.

Ich bin erst zufrieden, wenn wir mehr Abschiebungen durchführen als abgebrochen werden müssen.

Horst Seehofer

Aber manche Bundesländer schöben etwa nach Afghanistan entweder gar niemanden oder nur Straftäter ab. Seehofer: „Wenn wir derzeit einen Abschiebe-Sammelflug nach Afghanistan durchführen, wären die Maschinen ohne Bayern deutlich leerer. Das ist die Realität.“

Haftmöglichkeiten erweitern

Tatsächlich werden nach Afghanistan vor allem Straftäter abgeschoben, „darunter nicht wenige Kapitalverbrecher“, erinnert der Minister. Trotzdem gibt es sogar dagegen häufig organisierten Protest. Was Seehofer nicht verstehen kann: „Ich habe null Verständnis dafür, dass dann am Flughafen Demonstrationen gegen solche Abschiebungen stattfinden.“

Wir müssen die rechtlichen Grundlagen verbessern, und wir brauchen mehr Konsequenz bei den Bundesländern.

Horst Seehofer

Über Maßnahmen „gegen diejenigen, die solche Abschiebungen sabotieren“, nach denen das Blatt eigens fragt, spricht Seehofer nicht. Allerdings sollen Haftmöglichkeiten so erweitert werden, „dass jemand, der für die Abschiebung vollziehbar vorgesehen ist, auch zeitnah in Gewahrsam genommen werden kann“. Denn derzeit tauchten eben viele am Tag der Abschiebung einfach unter. Aber auch dazu brauche es dann eben die Konsequenz der Bundesländer. Seehofer will hier hartnäckig bleiben.

Gefahr von rechts

Beunruhigend sind die Ausführungen des Innenministers zur Sicherheitslage in Deutschland: „Letztes Jahr haben unsere Sicherheitsbehörden in über einem Dutzend Fällen geplante Anschläge frühzeitig enttarnt und dadurch verhindert.“ Was Terroranschläge beträfe, so Seehofer, stehe Deutschland weiterhin im Fokus von Extremisten.

Momentan macht mir der Rechtsextremismus am meisten Sorgen.

Horst Seehofer

„Das bedeutet, dass jederzeit und an jedem Ort ein Anschlag erfolgen kann.“ Seehofer warnt vor Linksextremismus, Rechtsextremismus, Islamismus, Familienclans und organisierter Kriminalität: „Momentan macht mir der Rechtsextremismus aber am meisten Sorgen.“