Aus Protest gegen den geplanten Artikel 13 der Europäischen Union schaltete Wikipedia für 24 Stunden sein Angebot ab. (Bild: Imago/MiS)
Urheberrecht

Freiwild oder Sargnagel

Die geplante Urheberrechtsreform der Europäischen Union stößt auf Widerstand. Einig sind sich zwar alle darin, dass die Werke von Künstlern, Fotografen und Autoren auch im Internet geschützt werden müssen. Aber Filter könnten zu Zensur führen.

Die geplante Urheberrechtsreform der Europäischen Union will im Internet eigentlich nur das durchsetzen, was auch außerhalb des Internets gilt. Wer etwas geschaffen hat, sei es Musik, Fotos oder Texte, muss danach nun gefragt werden, wenn jemand sein Werk online verwenden will. Der Urheber soll zudem am finanziellen Nutzen aus dieser Veröffentlichung, etwa durch Werbeeinnahmen, beteiligt werden. Deutschland hatte mit Einverständnis der federführenden Justizministerin Katarina Barley (SPD) der geplanten EU-Reform zugestimmt. Am Dienstag will das Europaparlament darüber entscheiden. Am Samstag sind in vielen europäischen Städten Demos gegen die Reform angekündigt, allein in mehr als 50 deutschen Städten.

Widerstand gegen das Gesetz

Die großen Internetplattformen wie Google, Facebook, Youtube und andere verbreiten sehr viele Daten dieser Art. Damit sie nicht alles vorher anschauen und prüfen müssen, setzen sie die Technik ein: genauer gesagt, Filter. Solche Filter sind natürlich teuer, fehleranfällig und dauerhaft verbesserungsbedürftig. Mit Satire und Ironie etwa haben solche Filter obendrein Probleme.

Die Folge der Gesetzesreform wäre, so befürchten es die Gegner, dass nur noch die ganz Großen solche Filter bezahlen können. So warnte etwa der Bundesverband Deutsche Start-ups vor Risiken für die Digitalwirtschaft. Start-ups könnten diese Upload-Filter gar nicht selbst entwickeln, sondern müssten sie teuer einkaufen.

Künstler, Autoren und Kreative müssen mit ihren Werken im Internet von heute effektiv geschützt werden – sie sind kein Freiwild.

Judith Gerlach, Digitalministerin

Insbesondere Artikel 13 des Gesetzes, der diese Pflichten zum Urheberrechtsschutz für die Plattformen vorschreibt, steht in der Kritik. Der Einsatz von Upload-Filtern wird darin zwar nicht ausdrücklich vorgeschrieben, andererseits gibt es angesichts der Datenmasse bei den „Global Playern“ wohl keine Alternative dazu. Dadurch drohe Zensur, so die Gegner. Überdies ist in Artikel 11 ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage vorgesehen. Dadurch dürfen Suchmaschinen wie Google nicht mehr ohne weiteres Artikel-Ausschnitte in ihren Suchergebnissen anzeigen.

Geistiges Eigentum schützen

Auf der anderen Seite stehen die Musiker, Journalisten, Autoren, Fotografen und andere Kreative, die natürlich befürworten, dass ihre Werke und ihr geistiges Eigentum auch im Internet geschützt werden. Sie haben sogar die katholische Kirche an ihrer Seite: Zum christlichen Menschenbild gehöre es, das geistige Eigentum anderer zu wahren, erklärte Medienbischof Gebhard Fürst, Vorsitzender der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, in der dpa. Dafür sei auch eine gerechte Entlohnung erforderlich. Aber Fürst mahnte auch: „Es muss aber auch verhindert werden, dass Konzerne und deren Algorithmen darüber entscheiden, welcher Content letztlich auf ihren Plattformen erscheint.“ Ansonsten sei nicht gewährleistet, „dass Kulturgut und auch Informationen von möglichst vielen verschiedenen Urhebern möglichst vielen Nutzern zur Verfügung gestellt werden können“.

Die bayerische Position

Bayern befürwortet grundsätzlich den Schutz geistigen Eigentums auch im Internet, hat aber auch Bedenken gegen die Filter. Digitalministerin Judith Gerlach betonte: „Das Ziel der Richtlinie ist richtig: Künstler, Autoren und Kreative müssen mit ihren Werken im Internet von heute effektiv geschützt werden – sie sind kein Freiwild. Dafür reicht ein Urheberrecht von gestern nicht aus. Auch das Netz braucht demokratische Regeln. Gerade im Interesse der Schwächeren brauchen wir eine ausgewogene Regulierung.“ Sie mahnte jedoch: „Mir bereitet aber große Bauchschmerzen, dass die Nutzung von Uploadfiltern – obwohl sie nicht gesetzlich vorgeschrieben ist – zu vorauseilender Zensur führen könnte.“

Upload-Filter sind der Sargnagel für ein digitales Europa.

Stefan Gruhner, JU

Es sei klar, dass zum Beispiel ein neu gedrehter Film nicht einfach vor dem offiziellen Kinostart ohne Lizenz auf Youtube hochgeladen werden dürfe. Hier müssten auch die Plattformen in die Pflicht genommen werden und Urheberrechtsverletzungen aktiv verhindern. „Es darf aber auch nicht zu einer Blockade von Beiträgen einzelner Nutzer kommen. Große Internetgiganten sollen nicht zum Schlagbaum im Netz werden. Das ist Gift für die Netzkultur“, warnte Gerlach.

Alternative mit drei Säulen

Sie plädierte für eine alternative Lösung mit drei Säulen, die der Bund entwickeln müsse:

  1. Der Bund muss intelligente und pragmatische Lösungen für die Vergütung der Urheber finden und gleichzeitig die künstlerische Freiheit auf Plattformen wahren. Ein möglicher Weg könnten etwa pauschale Abgaben oder Vereinbarungen mit Verwertungsgesellschaften sein. In Deutschland zahlt Youtube bereits heute GEMA-Gebühren. Jeder Copyshop zahlt pauschale Gebühren für die Bereitstellung von Kopierern. Was für jeden Copyshop gilt, sollte auch für Plattformen machbar sein.
  2. Der Bund muss die Umsetzung der EU-Richtlinie schon nach einem Jahr evaluieren und prüfen, welche Auswirkungen die Regelungen auf die Kommunikationsfreiheit im Internet haben.
  3. Bis zu den Ergebnissen der Evaluation soll der Bund eine zentrale Clearingstelle einrichten für all die User, die sich von einer möglichen Zensur betroffen fühlen. Beschwerden sollen zeitnah an diese Stelle gerichtet werden können, um schnell eine Prüfung und Lösung für den geplanten Beitrag, Post oder Clip zu erreichen. Künstlerisches Eigentum und Meinungsfreiheit müssen im Netz genauso Hand in Hand gehen wie im richtigen Leben.

Die CDU sieht es ähnlich, will aber, dass grundsätzlich alle Inhalte ohne Filter hochgeladen werden können. Die Rechts- und Digitalpolitiker der Partei haben sich nun auf ein Konzept nach dem Prinzip „bezahlen statt blocken“ geeinigt. Oberhalb einer zeitlichen Grenze sollen Lizenzgebühren fällig werden. Alternativ kann der Urheber auf seine Rechte verzichten oder die Löschung verlangen. Besonders in der JU war die Kritik an dem Gesetz groß. „Upload-Filter sind der Sargnagel für ein digitales Europa“, sagte etwa der unterlegene Kandidat um den JU-Bundesvorsitz, Stefan Gruhner, zugleich thüringischer CDU-Landtagsabgeordneter.

Weitgehende Unkenntnis

Die Bevölkerung in Deutschland ist mehrheitlich ebenfalls gegen die Filter. Einer Umfrage zufolge lehnen diese 39 Prozent der Deutschen ab. Fast jeder zweite Befragte (44 Prozent) traut sich zu diesem Thema aber gar kein Urteil zu – und nur 15 Prozent befürworten die umstrittene Filtersoftware. Das ist das Ergebnis des ARD-„Deutschlandtrends“.