In Frankfurter Wahlbezirken hatte bei der hessischen Landtagswahl teils erhebliche Pannen mit falsch übermittelten Werten gegeben. (Bild: dpa/Arne Dedert)
Hessenwahl

Alles wieder auf der Kippe?

In Hessen wurde so schlampig gezählt, dass nun das Ergebnis der Landtagswahl in Frage steht: Eine rot-gelb-grüne Ampel-Koalition ist jetzt doch denkbar. Sogar die knappe schwarz-grüne Mehrheit von nur einem Mandat könnte wackeln.

Kaum zu glauben: Zwei Wochen nach der Landtagswahl in Hessen ist in Wiesbaden politisch wieder alles offen. Weil am Wahlabend fehlerhaft ausgezählt wurde. Weil das Wahlergebnis so extrem knapp war, steht jetzt alles in Frage: die Rangfolge der Parteien, Koalitionsoptionen und womöglich sogar die Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition.

SPD doch vor Grünen

Im vorläufigen Wahlergebnis vom Tag nach der Wahl erzielten die Sozialdemokraten mit 570.166 Stimmen 19,8 Prozent − Rang Drei hinter den Grünen. Die kamen mit 570.260 Stimmen ebenfalls auf 19,8 Prozent und ebenfalls auf 29 von 137 Mandaten im Wiesbadener Landtag.

Der Abstand von SPD und Grünen betrug nur 94 Stimmen. Jetzt berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung, dass vor allem in Frankfurter Stimmkreisen falsch oder gar nicht gezählt wurde. So kamen „grotesk falsche Zahlen in die Ergebnislisten“, so das Blatt.

Am vorläufigen Wahlergebnis wurden denn auch schon erste Korrekturen vorgenommen: Die SPD erhielt 118 Stimmen mehr, den Grünen wurden 127 Stimmen abgezogen. „Allein durch diese Verschiebung liegen die Sozialdemokraten wieder vor den Grünen“, so die FAZ.

Ampel-Koalition mit SPD-Führung?

Was Folgen haben kann: Die FDP hatte schon sehr kurz nach den Wahlergebnissen eine grün-rot-gelbe Ampelkoalition ausgeschlossen. Sie wollte nicht in eine Regierung unter einem grünen Ministerpräsidenten eintreten. Wenn nun die Sozialdemokraten vor den Grünen lägen, könnte die SPD beanspruchen, in einer Ampel-Koalition den Ministerpräsidenten zu stellen.

„Wir reichen Grünen und FDP in Hessen die Hand, um in unserem Land auf Zukunft zu schalten”, sagte denn auch SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel dem Spiegel. Es gebe eine Mehrheit ohne die CDU. Seine Partei stehe für ein Regierungsbündnis bereit, „das ein bundesweites Vorbild ist in Stil und Ergebnis”.

Der FAZ zufolge will nun Grünen-Chef Tarek Al-Wazir noch einmal auf die FDP zugehen. Die CDU wird ihre für diesen Freitag geplante Entscheidung über eine Koalition verschieben.

Hunderte Stimmen falsch oder gar nicht erfasst

Das ist aber noch nicht das Ende der Geschichte. Am Wahlabend ist bei der Auszählung der Stimmen vieles schief gegangen: In mehreren Wahllokalen seien „jeweils Hunderte Stimmen falsch oder gar nicht erfasst worden“, so wieder die FAZ. Dazu seien Übertragungsfehler – also falsche Zahlen – gekommen.

In sechs Wahlbezirken haben die Zahlen „komplett“ gefehlt – die FAZ erläutert nicht, was damit gemeint ist. In diesen Wahlkreisen wurden einfach Ergebnisse aus benachbarten Stimmbezirken übernommen, als Schätzungen. Was in einem Wahlkreis dazu führte, dass es im Endergebnis 211 mehr Stimmen gab als Wähler.

Schwarz-Grün könnte wackeln

Mit 40 Mandaten für die CDU und 29 für die Grünen können beide ihre Regierungskoalition fortsetzen – mit einer Mehrheit von einem einzigen Mandat. Noch. Offenbar sind aber die nun festgestellten Abweichungen und Unregelmäßigkeiten bei der Stimmauszählung so groß, dass sogar die Mandatsverteilung im Wiesbadener Landtag in Frage steht. Es sei möglich, „dass sogar die knappe schwarzgrüne Mehrheit wackelt“, schreibt die FAZ.

Landeswahlleiter Wilhelm Kanther will nun jedenfalls die Ergebnisse in allen 55 Wahlkreisen prüfen lassen. Am 16. November soll ein neues endgültiges Wahlergebnis verkündet werden.