Wilfried Scharnagl auf dem CSU-Parteitag im Jahr 2016. (Foto: Imago/Sven Simon)
Scharnagl

„Er war einmalig in jeder Beziehung“

In einem Trauergottesdienst haben Freunde und Weggefährten Abschied von Wilfried Scharnagl genommen. Edmund Stoiber, Markus Söder und Peter Gauweiler erinnerten in ihren Reden an den großen Journalisten, Intellektuellen und bayerischen Patrioten.

Es kommt nicht so häufig vor, dass in einer Kirche applaudiert wird. Schon gar nicht bei einer Trauerfeier. Doch am Ende von Peter Gauweilers Trauerrede auf seinen Freund Wilfried Scharnagl war es soweit. Als der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete und frühere bayerische Staatsminister geendet hatte, spendeten die mehreren Hundert Trauergäste in der Münchner Ludwigskirche spontan Applaus. Sie hatten sich am Montagvormittag in dem Gotteshaus versammelt, um Wilfried Scharnagl, dem langjährigen Chefredakteur der CSU-Parteizeitung „Bayernkurier“, der am 16. Oktober verstorben war, die letzte Ehre zu erweisen.

Leitartikel und Lyrik-Kenner

In seiner Rede war es Gauweiler gelungen, den engen Weggefährten von Franz Josef Strauß in all seinen Facetten noch einmal den Anwesenden vor Augen zu führen. „Seine Worte konnten wirken, wie wenn der Blitz den Baum trifft“, erinnerte Gauweiler an den streitbaren Publizisten und Journalisten Scharnagl und verriet, dass diesem großen „Wortkünstler“ die Lyrik am liebsten gewesen sei. Sie sei „der subjektivste und anmutigste Teil der Schreibkunst“, zitierte Gauweiler seinen Freund.

Wir verlieren einen großen Bayern.

Markus Söder

Gauweiler erinnerte daran, dass fast auf den Tag genau vor dreißig Jahren der Trauerzug für Franz Josef Strauß an der Ludwigskirche vorbeigezogen war. Hinter dem Sarg ging damals Wilfried Scharnagl. Schon damals, so Gauweiler, lastete auf Scharnagl die Last, das riesige Werk von Strauß und dessen Autobiographie „Erinnerungen“ für die Nachwelt in Form zu bringen. Heute sei es völlig unbestritten, dass der „historische Strauß“ mit all seinen Leistungen erst durch diese „Erinnerungen“ gesichert wurde. Scharnagl habe Strauß mit diesem Werk ein Denkmal gesetzt.

Spirituals im Auto

In seiner Rede ging Gauweiler auf die besondere Nähe Scharnagls zu Strauß ein. Auf allen wichtigen Auslandsreisen habe er ihn begleitet: nach China zu Deng Xiaoping, zu nahezu allen israelischen Ministerpräsidenten, zu Ronald Reagan, Margaret Thatcher und nach Moskau zum damaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow.

Am Montag war Spiegel-Tag, aber am Donnerstag wurde aus München geantwortet.

Peter Gauweiler

Gauweiler erzählte auch von den gemeinsamen Autofahrten mit Strauß und Scharnagl nach Italien ans Mittelmeer. Neben gewichtigen Gesprächen sei es auch immer um die Musik im Auto gegangen. Der bayerische Defiliermarsch habe dazu gehört, ebenso das Lied vom Jennerwein. Unverzichtbar aber, so Gauweiler, seien die Spirituals von Louis Armstrong gewesen. Beim Mitsingen hätten sie stets versucht, Armstrong stimmlich nachzumachen. „Wir hatten viel Spaß zusammen.“

Als Konservativer habe sich Scharnagl auf Bayerns König Ludwig I. berufen. Regelmäßig habe er ihn zitiert, berichtete Gauweiler: „Was alt ist und gut, soll bleiben. Was alt ist und gleichgültig, mag bleiben. Was alt ist und schlecht, will ich stürzen und wenn es 1000 Jahre besteht.“ Kultur, Tradition, Zivilisation, rechtsstaatliche Ordnung, der historische Auftrag der europäischen Völker und immer wieder Bayern – dies seien Scharnagls Themen gewesen.

Antwort aus München

Als Chefredakteur habe Scharnagl den „Bayernkurier“ zur größten und meistzitierten Wochenzeitung der Bundesrepublik Deutschland gemacht, sagte Gauweiler. „Am Montag war Spiegel-Tag, aber am Donnerstag wurde aus München geantwortet“, rief er noch einmal die politischen und publizistischen Auseinandersetzungen jener Zeit ins Gedächtnis. Strauß habe dazu gesagt, „auf dem Schlachtfeld gibt es gelegentlich auch Verletzte“. In der Rückschau sage er, so Gauweiler: „Es war eine großartige Zeit.“

Zuvor hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sich tief betroffen vom Tod Scharnagls gezeigt: „Wir verlieren einen großen Bayern.“ Der Ministerpräsident ging in seiner Rede auf die besondere Stellung Scharnagls ein. Dieser habe, obwohl er weder Abgeordneter gewesen sei, noch ein Staatsamt inne gehabt habe, das Land geprägt. Er hatte keine formale Gewalt, so Söder, aber er hatte „auctoritas“ –  die „Autorität kraft seiner Worte“.

Die großartige Geschichte der CSU ist untrennbar mit Wilfried Scharnagl verbunden.

Edmund Stoiber

Söder rühmte Scharnagl als die Instanz in der CSU, die Orientierung gegeben habe. An ihm habe man erkennen können, ob man innerhalb der CSU richtig liege oder falsch. „Er stand dafür, was die CSU ausmacht: „Er war nicht einfach rechts, er war nicht nur konservativ“, sagte Söder. Scharnagl habe gewusst, dass sowohl das Konservative, das Christliche, das Soziale und das Liberale zur CSU gehörten. Dies sei es, was der CSU die Kraft verleihe, eine Bindewirkung zu entfalten, die weit über eine normale Partei hinausgehe. Söder appellierte daran, sich auf dieses Erbe Wilfried Scharnagls zu besinnen und wieder die Strahlkraft der „großen Volkspartei CSU“ zu stärken.

Garant der Grundsätze

Der ehemalige bayerische Ministerpräsident und CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber hob in seiner Trauerrede die herausragende Bedeutung Scharnagls für die CSU hervor. Er habe wie kaum ein anderer neben Strauß die inhaltliche Ausrichtung der Partei mitgeprägt. „Er vertrat für mich die Grundsätze der Partei am reinsten und am glaubwürdigsten“, sagte Stoiber. In jedem einzelnen Programmbaustein der CSU könne man noch heute sein Wirken und Denken entdecken. Stoiber weiter: „Die großartige Geschichte der CSU ist untrennbar mit Wilfried Scharnagl verbunden.“

Stoiber erinnerte an die vielen Gespräche, die er als CSU-Generalsekretär mit Scharnagl geführt habe – „über das innere Wesen der CSU und über ihre Positionen“. Scharnagl sei für alle Parteivorsitzenden ein wichtiger Ratgeber und Gesprächspartner gewesen. „Bis zuletzt lebte und kämpfte er für seine CSU. Kritisch nach innen, loyal nach außen“, lobte Stoiber.

„Mit Wilfried Scharnagl habe ich meinen engsten und längsten politischen Mitstreiter und Freund verloren“, nahm der CSU-Ehrenvorsitzende Abschied. „Nun ist die Stimme, seine Stimme, aber auch die Stimme von Franz Josef Strauß für immer verstummt. Die Erinnerung in unseren Herzen aber bleibt. Er war einmalig in jeder Beziehung.“