Von ihrem neuen Amtssitz aus hat Bauministerin Ilse Aigner die Staatskanzlei im Blick. (Foto: Bernhard Huber/BK)
Wohnen

„Bauen ist die beste Medizin“

Interview Wohnraum ist knapp und teuer an vielen Orten im Freistaat. Im Interview mit dem BAYERNKURIER erklärt Bayerns neue Bau- und Verkehrsministerin Ilse Aigner, wie sie wieder mehr Menschen zu einem bezahlbaren Zuhause verhelfen möchte.

Frau Aigner, Ihre Aufgabe ist es, „die soziale Frage unserer Zeit“ zu lösen, wie Ministerpräsident Markus Söder die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum genannt hat. Wie wollen Sie das angehen?

Es gibt nicht die eine Maßnahme, die dieses Problem lösen wird. Wir haben im Ministerrat dazu am 15. Mai ein ganzes Paket beschlossen. Dazu gehört, dass wir eine neue Wohnungsbaugesellschaft gründen – die BayernHeim. Wir wollen so gezielt Wohnungen für Menschen bauen, die auf dem normalen Wohnungsmarkt nicht zum Zuge kommen. Die Grundidee ist es, die staatlichen Grundstücke nutzbar zu machen. Die BayernHeim wollen wir mit 500 Millionen Euro ausstatten. Für die Wohnraumförderung stehen dieses Jahr mehr als 850 Millionen Euro zur Verfügung. Wir unterstützen damit Kommunen, Wohnungsunternehmen, Bauträger und private Bauherren. Bauen ist die beste Medizin gegen steigende Mieten und Immobilienpreise.

Wann soll die BayernHeim ihre Arbeit aufnehmen?

Die Gesellschaft soll am 18. Juli gegründet werden. Dann geht die Arbeit richtig los.

Das Ziel für die BayernHeim lautet, 10.000 neue Wohnungen bis 2025. Wo sollen die vorwiegend entstehen?

Der Schwerpunkt wird dort liegen, wo es auch die größten Engpässe gibt – also in den Ballungsräumen. Dazu gehören aber nicht nur München, sondern auch Städte wie Nürnberg und Augsburg. Es kommt ja auch darauf an, wo uns Grundstücke zur Verfügung stehen, auf die wir bauen können. Deshalb werden wir auch die „Immobilien Freistaat Bayern“, die für die Verwaltung der staatlichen Immobilien verantwortlich ist und die jetzt neu zu meinem Ministerium gehört, miteinbinden. Wir werden außerdem mit dem Bund zusammenarbeiten, um so weit es möglich ist, auch dessen Flächen zu nutzen.

Ihr Ansprechpartner als Bauminister im Bund ist der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer. Welche Impulse erwarten Sie von ihm?

Das ist zunächst einmal eine hervorragende Ausgangsposition. Ich habe mit ihm schon viele Dinge besprochen: Da geht es um Baunormen, die wir überprüfen wollen. Wir wollen beim Wohnungsbau steuerliche Anreize setzen. Wir wollen für Investitionen in den Mietwohnungsbau eine bis 2021 befristete Sonderabschreibung in Höhe von jährlich fünf Prozent einführen, um hier einen zusätzlichen Impuls zu setzen. Das ist im Koalitionsvertrag bereits vereinbart. Und ganz zentral ist das Baukindergeld, das rückwirkend zum 1.1.2018 eingeführt werden soll. Dabei wird der Bund 1.200 Euro pro Kind pro Jahr über zehn Jahre zahlen. Der Freistaat legt noch einmal 300 Euro pro Jahr und Kind obendrauf. Dazu kommt noch die bayerische Eigenheimzulage in Höhe von einmalig 10.000 Euro.

Wenn man pro Kind 1.500 Euro im Jahr zusätzlich tilgen kann, dann ist das schon eine beträchtliche Entlastung.

Bauministerin Ilse Aigner

Kritiker sagen, das klingt zwar nach viel Geld, hilft aber beispielsweise Immobilienkäufern in München nicht wirklich. Was antworten Sie denen?

Ich sehe das nicht so. Das ist ein deutliches Zeichen. Das Baukindergeld ist ja auch als Erleichterung beim Schuldendienst gedacht. Deshalb wird es auch nicht auf einmal, sondern jährlich ausgezahlt. Und wenn man pro Kind 1.500 Euro im Jahr zusätzlich tilgen kann, dann ist das schon eine beträchtliche Entlastung.

Laut der bayerischen Wohnungswirtschaft fehlen vor allem günstige Wohnungen in mehrgeschossigen Mietshäusern. Werden Sie genau solche Wohnungen bauen?

Bei den Immobilien der BayernHeim wird es genau darum gehen – um Geschoßwohnungsbau. Wir werden keine einzelnen Häuser oder Reihenhäuser bauen. Und wir werden uns auch auf dem Land mit Geschoßwohnungsbau beschäftigen müssen, weil wir nur so den Flächenverbrauch einschränken können. Mir ist außerdem wichtig, dass man die Wohnungen auch flexibel gestaltet. Das heißt, dass die Möglichkeit besteht, Zimmer an die Nachbarwohnung abzugeben, wenn beispielsweise eine Familie größer wird, eine andere aber weniger Wohnraum benötigt. Die Lebensrealität zeigt doch, dass die Menschen in ihrem gewohnten Umfeld bleiben wollen und nicht umziehen, auch wenn sie in einem anderen Stadtteil eine kleinere Wohnung bekommen könnten.

Auf der einen Seite braucht es in vielen Regionen dringen neuen Wohnraum, auf der anderen Seite treibt die Versiegelung der Landschaft die Menschen um. Wie wollen Sie hier einen Ausgleich schaffen?

Grundsätzlich stehen wir vor der Aufgabe, einen beträchtlichen Bevölkerungszuwachs in Bayern bewältigen zu müssen. Das war vor einigen Jahren nicht so zu erwarten gewesen. Mit unserem Förderprogramm „Innen statt Außen“ helfen wir Gemeinden beim Flächensparen. Wir unterstützen sie zum Beispiel finanziell dabei, leerstehende Gebäude wieder instand zu setzen und dann zu nutzen. Als zweite Maßnahme fördern wir die Sanierung von Bestandswohnungen. Das unterstützen wir mit zinsgünstigen Darlehen und ergänzenden Zuschüssen in Höhe von 100 Euro je Quadratmeter Wohnfläche. Dies ist eine Möglichkeit, Flächen zu sparen. Aber wir werden in Zukunft auch tiefer, höher und kompakter bauen müssen, um weniger Fläche zu verbrauchen.

Alle Regionen gleichmäßig zu entwickeln, ist ein zentrales Element unserer Heimatstrategie.

Ilse Aigner

Laut der jüngsten Bevölkerungsprognose werden auch künftig besonders viele Menschen nach Oberbayern ziehen. Aber gerade hier wollen inzwischen viele Einheimische keinen Zuzug und kein weiteres Wachstum mehr. Lässt sich diese Entwicklung beeinflussen?

Diesen Druck gibt es ja, weil das eine prosperierende Region ist. Als Wirtschaftsministerin war es für mich eine Daueraufgabe, bei Firmen, die sich in Bayern ansiedeln wollten, dafür zu werben, dass es dafür im gesamten Freistaat Möglichkeiten gibt. In der Realität wollten die meisten dann doch nach München oder ins Münchner Umland. Alle Regionen gleichmäßig zu entwickeln, ist ein zentrales Element unserer Heimatstrategie. Markus Söder hat damit begonnen, Infrastruktur auszubauen, Forschungs- und Hochschuleinrichtungen in die Regionen zu bringen, Behörden zu verlagern. Das hat Früchte getragen. Dass wir bei der Arbeitslosenquote nur noch einen Prozentpunkt Unterschied zwischen den Regierungsbezirken haben, ist eine Konsequenz dieser Strategie. Genau das will Horst Seehofer jetzt auf Bundesebene umsetzen. Auch hier geht es darum, alle Regionen so zu entwickeln, dass die Menschen in ihrer Heimat bleiben können, dort Arbeit finden und eben nicht nach Oberbayern ziehen müssen.

Das Interview führte Thomas Röll.