Bernd Sibler ist Bayerns Wissenschaftsminister. (Foto: StMWK)
Schulpolitik

„Wir müssen Herz und Charakter bilden.“

Interview Bayerns neuer Kultusminister Bernd Sibler erklärt, warum ihm in Zeiten von Stimmungsmache und Fake News die Werte- und Demokratieerziehung besonders wichtig sind, und wie er als niederbayerischer Spitzenkandidat das bürgerliche Lager gewinnen will.

Herr Sibler, Sie haben zwei wichtige Aufgaben übernommen. Als Kultusminister sind sie verantwortlich für 1,7 Millionen Schüler und 155.000 Lehrkräfte. Als Spitzenkandidat werden Sie die niederbayerische CSU in den Landtagswahlkampf führen. Welche Aufgabe ist schwieriger?

Bei beiden Aufgaben geht es darum, den Menschen zuzuhören, sich zu informieren, was sie bewegt und was sie sich wünschen. Daher werde ich sie dazu nutzen, in Bayern unterwegs zu sein – von Aschaffenburg bis Passau, von Weiden bis Lindau. Natürlich wird dabei auch ein Schwerpunkt auf meiner niederbayerischen Heimat liegen. Ich freue mich auf die Themen, die mir als Kultusminister und Spitzenkandidat in Niederbayern übertragen wurden! Das bedeutet viel Verantwortung, das ist mir natürlich bewusst. Aber am Ende geht es darum, etwas für uns alle zu bewegen: nämlich unsere Heimat noch ein Stück besser zu machen, vom Erhalt der Grundschule bis zum Bau der Umgehungsstraße, von den Hochschulangeboten auf dem Land bis zur Ganztagsbetreuung in der Stadt.

Wo werden Sie die ersten Schwerpunkte als Minister setzen?

Für mich stehen unsere Schülerinnen und Schüler mit ihren Eltern und Großeltern und selbstverständlich unsere Lehrerinnen und Lehrer im Mittelpunkt. Denn: Unsere Zukunft sind unsere jungen Menschen. Unser Kerngeschäft ist ihre Bildung, die Vermittlung von Wissen und Können, von Fertigkeiten und Kompetenzen. Mir ist aber auch sehr wichtig, dass an unseren Schulen Herz und Charakter vermittelt werden – das ist für mich Bildung in einem umfassenden Sinn. Als Kultusminister werde ich alles daran setzen, unsere Schülerinnen und Schüler für die Chancen und Herausforderungen, die ihnen begegnen werden, vorzubereiten. Dazu gehört für mich eine umfassende Werte- und Demokratieerziehung. Dass unsere jungen Menschen mit digitalen Medien umgehen müssen, liegt auf der Hand. Insofern wird auch die Digitalisierung an den Schulen natürlich ein Schwerpunkt sein, wobei es nicht nur um die Technik gehen soll, sondern auch um das sehr wichtige Verständnis der Medienwirkung. Als übergeordnetes Ziel sehe ich es an, für vergleichbar gute Lebens- und Bildungschancen in allen Landesteilen zu sorgen.

Zur Zeit ist viel von Werten, von Heimat und gesellschaftlichem Zusammenhalt die Rede. Was kann die Schule dazu beisteuern?

Es ist wichtig, unseren jungen Menschen im Zeitalter der Digitalisierung und Globalisierung Orientierung zu geben und ihnen Konzepte anzubieten, auf die sie zurückgreifen können. Dazu gehört zu einem Teil die Verwurzelung in Geschichte, Heimat und Kultur. Dazu gehört aber auch vor dem Hintergrund von Stimmungsmache und Fake News ein Kanon an gemeinsamen Werten, das Wertschätzen der Demokratie mit ihren Möglichkeiten, sich einzubringen, und nicht zuletzt auch das Wissen um die Wirkung von Medien. Hier möchte ich verstärkt ansetzen und die Werte- und Demokratieerziehung noch stärker in unseren Schulen betonen.

Worauf wird es im Landtagswahlkampf vor allem ankommen?

Die Zersplitterung des konservativen Lagers ist eine besondere Herausforderung für uns. In Niederbayern haben wir es ja mit einer überwiegend konservativen Wählerstruktur zu tun – sicherlich zu mehr als 70 Prozent. Das ist ja auch positiv. Für uns heißt das, wir werden uns auf FDP, Freie Wähler und die AFD besonders konzentrieren. Zum Beispiel wird es darum gehen, mit einer soliden Mittelstandspolitik wieder Wähler von der FDP wegzuholen. Der FDP haben wir es doch zu verdanken, dass wir aus rein parteitaktischen Gründen so lange keine Regierung im Bund bekommen haben. Sie ist dafür verantwortlich, dass ein Stück Stabilität verloren gegangen ist. Und die Freien Wähler sind die Freibier-Für-Alle-Partei. Sie versprechen allen Menschen alles – ohne sich darum zu kümmern, wer es bezahlen soll.

Bei der Bundestagswahl hat die AfD in Niederbayern erschreckend gut abgeschnitten. Wie konnte das passieren?

Passiert ist der Herbst 2015. Neben Freilassing waren vor allem Braunau, Ering am Inn, Passau, Wegscheid und einige weitere Orte die zentralen Grenzübergänge für die Flüchtlinge. Wenn, wie am Hauptbahnhof in Passau, jeden Tag zehntausend neue Flüchtlinge ankommen, dann hinterlässt das Spuren. Das verunsichert die Menschen. Sie hatten das Gefühl, der Staat hat die Kontrolle verloren. Das hat im Wesentlichen zum Ergebnis der AfD geführt. Nehmen Sie als Beispiel das Wahllokal in Deggendorf, in dessen Nähe die Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge steht: Dort bekam die AfD 30 Prozent der Stimmen.

Sie haben gesagt, man müsse der AfD die Themen nehmen, um sie zu bekämpfen. Was heißt das konkret?

Die Menschen haben oft zu uns gesagt, ihr sagt das Richtige, aber ihr setzt es nicht durch. Da wäre es natürlich besser gewesen, den Zuwanderungskompromiss mit der CDU sechs Wochen vor der Wahl zu schließen als erst sechs Wochen nach der Wahl. Aber jetzt bin ich optimistisch, dass wir dieses Problem in den Griff bekommen werden. Die Flüchtlingszahlen sind bereits deutlich zurückgegangen und sie sollen weiter zurückgehen. Wir sind von den vereinbarten, maximal 200.000 im Jahr zwar schon weit weg, aber immer noch empfinden viele Menschen die Zahlen als zu hoch. Wenn die Menschen den Rückgang bei der Zuwanderung zu spüren bekommen, wenn sie sehen, dass die CSU ihr Wort hält und die öffentliche Verwaltung und die Polizei konsequent handeln, etwa bei den Leistungen für Flüchtlinge oder den Abschiebungen, dann werden sie auch sagen, die CSU ist wieder unsere Partei.

Wie kann man die AfD noch attackieren?

Wir müssen gegenüber der AfD so agieren wie in den 90er Jahren gegenüber den Republikanern. Wenn ich sehe, dass einzelne AfD-Politiker mit Pegida zusammenarbeiten wollen, wenn ich sehe, dass AfD-Abgeordnete Mitarbeiter aus der Identitären Bewegung beschäftigen oder wenn ich Herrn Höckes Aussagen über ein „Denkmal der Schande“ höre – dann sind das fatale Signale, die man benennen und in die Diskussion einbringen muss. Das kann man nicht kommentarlos hinnehmen!

Das Interview führte Thomas Röll.