Emilia Müller besucht ein Integrationsprojekt für Kinder in München. (Bild: AS)
Gesellschaft

Integration ist kein Selbstzweck

Interview Von einer erfolgreichen Integration hängt der soziale Frieden ab. Deshalb sollen nur Zuwanderer mit Bleibeperspektive beispielsweise Sprachkurse bekommen. Bayerns Sozialministerin Emilia Müller erklärt, wie Ressourcen zielgenau eingesetzt werden.

Die Integrationsangebote von Bund und Ländern in Deutschland sollten nur Zuwanderern mit Bleibeperspektive angeboten werden. Dieser Ansicht ist Bayerns Sozialministerin Emilia Müller. „Hier wollen wir gemeinsam mit den anderen Ländern weiter darauf hinwirken, dass wir unsere Ressourcen zielgenau einsetzen. Wir müssen genau hinschauen, was es schon gibt und was wir brauchen“, sagte die CSU-Politikerin im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Die Koordinierung auf Bundes- und Landesebene müsse verbessert werden. Bayern hat im Oktober den turnusmäßig wechselnden Vorsitz der Integrationsministerkonferenz übernommen.

Das Motto des bayerischen Vorsitzes der Integrationsministerkonferenz lautet „Zusammenhalt durch Orientierung“. Warum verzichten Sie in der Beschreibung auf den Begriff der Leitkultur, der der CSU sonst so wichtig ist?

Die Leitkultur ist neben dem Prinzip des „Fördern und Fordern“ ein zentrales Element des bayerischen Integrationsgesetzes. Wir setzen auf klare Regeln für ein gutes Miteinander. Denn Integration braucht eine Richtung. Hierüber besteht aus meiner Sicht ein breiter gesellschaftlicher Konsens. „Zusammenhalt durch Orientierung“ meint aber mehr: den Zusammenhalt der Gesellschaft. Wir müssen den Menschen in Zeiten großer Veränderungen Orientierung bieten. Die Integration der Bleibeberechtigten ist eine solche Herausforderung. Von ihrem Gelingen hängt der soziale Frieden nicht nur unserer, sondern auch künftiger Generationen ab.

Bei der Übernahme des Vorsitzes kündigten Sie „eine zielführende und verantwortungsvolle Integrationspolitik in Deutschland“ an. Ist dies aus Ihrer Sicht derzeit keine Realität?

Integration gelingt, wenn wir die Leistungsfähigkeit von Staat und Gesellschaft nicht überfordern. Bayern steht für eine klare Linie in der Asyl- und Integrationspolitik: Alle Ankommenden werden human untergebracht. Integriert wird, wer bleiben darf. Wer keinen Schutzgrund aufweisen kann, der muss unser Land verlassen. Hier wollen wir mit den anderen Ländern weiter darauf hinwirken, dass wir die Ressourcen zielgenau einsetzen. Wir müssen genau hinschauen, was es wo schon gibt. So können wir eine bessere Koordinierung auf Bundes- und Landesebene erreichen, etwa bei Sprachkursen.

Die Zuwanderungszahlen sind rückläufig, trotzdem gibt es viele Vorbehalte gegenüber Migranten. Wie kann die Politik hier helfen?

Ich erlebe nach wie vor eine enorme Hilfsbereitschaft der Bevölkerung. Aber wir müssen in der Tat etwas tun, um sie zu erhalten. Wir müssen den Menschen vermitteln, dass Integration kein Selbstzweck ist. Wer unsere Sprache spricht, unsere Werte achtet und selbst für seinen Lebensunterhalt sorgt, der trägt zur Gemeinschaft bei. Menschen mit Migrationshintergrund leben so mit uns, nicht neben uns und nicht gegen uns. Aber nicht alle Menschen, die bei uns um Schutz bitten, werden anerkannt. Hier steht für uns nicht die Integration, sondern die Ausreise im Vordergrund.

Welche Lehren ziehen Sie ganz persönlich aus der Weihnachtsgeschichte mit Blick auf Humanität und Integration?

Die Weihnachtsgeschichte erinnert daran, dass das Asylrecht ein christlicher Wert ist. Dazu gehört auch, Menschen auf der Flucht vorübergehend ein Dach über dem Kopf zu gewähren. Und ich bin froh, dass wir das in Bayern mit Hilfe unserer Bevölkerung immer geschafft haben. Selbst in Zeiten des größten Flüchtlingsandrangs haben wir alle Ankommenden human untergebracht und versorgt und so weltweit eine Visitenkarte der Humanität abgegeben.

2015 machten Bilder aus München mit Helfern für Flüchtlinge weltweit die Runde. Seither ist es ruhig um die Helfer geworden, braucht es eine größere Würdigung der Leistungen durch die Politik?

Es stimmt, dass die Bilder der ehrenamtlichen Helfer aus den Medien weitestgehend verschwunden sind. Mein Appell geht in erster Linie an die Medien, Ehrenamtlichen wieder mehr Berichte zu widmen. Überall im Land gibt es nach wie vor unzählige Ehrenamtliche, die sich weiter mit ganzen Herzen für die Integration einsetzen. Die Staatsregierung würdigt dieses Engagement, wo immer es ihr möglich ist. Klar ist aber auch, dass Integration ein Marathon und eine Aufgabe ist, die unsere gesamte Gesellschaft betrifft. Wir alle werden dazu einen langen Atem und viel Geduld brauchen.

Chancen für Türkinnen

Besonders für Frauen mit Migrationshintergrund besteht die Gefahr, in Altersarmut zu landen. Eine neue Ausbildung in der Altenpflege soll sie für den Beruf qualifizieren – ein Beitrag sowohl für die Integration, als auch gegen den Fachkräftemangel. Lesen Sie hier mehr dazu: Chancen für Türkinnen.

AS/dpa