Die 33-jährige Kellermeisterin Viviane Ganesch im Weinberg bei Mainstockheim. Foto: FC
Weinbau

Vollendete Harmonie

Eine 33-Jährige ist für die hochwertigen Tropfen der Winzergemeinschaft Franken verantwortlich. Als Kellermeisterin komponiert und experimentiert Viviane Ganesch so lange, bis der perfekte Wein entstanden ist. Ein Porträt aus Unterfranken.

Weit schweift der Blick über den Main bis Rödelsee und Iphofen in die Ferne. Viviane Ganesch bricht hier ein Blatt aus der Rebe, steckt dort einen Trieb zurück zwischen die Drähte. Der Wind bläst kühl oberhalb von Mainstockheim. „Ich liebe es, im Weinberg zu sein“, sagt sie. Andere streifen zur Erholung durch die Winzergärten Unterfrankens, Ganesch macht dort ihren Job. Seit einem Jahr ist sie Kellermeisterin der Winzergemeinschaft Franken eG (GWF), dem größten Erzeuger fränkischer Weine, und zuständig für die Premium- und Öko-Weine. Oberhalb von Mainstockheim wächst Spätburgunder. Aus den Trauben hat Ganesch im Herbst einen trockenen Rotwein der Linie „Mainstockheimer Hofstück“ gekeltert. „Guter Wein entsteht im Weinberg, aber er braucht sehr viel Pflege“, sagt sie. Deshalb sieht die Kellermeisterin alle zwei bis drei Wochen nach, wie sich die Reben entwickeln.

Guter Wein entsteht im Weinberg, aber er braucht sehr viel Pflege.

Viviane Ganesch, Kellermeisterin

In Mainstockheim hat der Winzer gute Arbeit geleistet, die Triebe sind kräftig und stehen im Saft. Ganesch ist zufrieden: „Der Spätburgunder von hier oben ist immer richtig klasse.“ Die Weinberge für die Premiumlinien verteilen sich über ganz Weinfranken und umfassen oft weniger als einen halben Hektar Fläche. Ganesch vertraut deshalb bei der Suche auf ihr GPS-Navigationsgerät. „Nicht, dass ich mir am Ende den falschen Weinberg ansehe“, meint sie. Nach 20 Minuten geht es zurück in den Keller etwas außerhalb von Kitzingen. Die Genossenschaft beschäftigt sechs Kellermeister, Ganesch ist die einzige Frau. Sie betreut zehn bis 15 Hektar Rebfläche, die von sieben bis acht Premium-Winzern bewirtschaftet werden. Da geht die Arbeit nicht aus.

Tanks groß wie Reihenhäuser

11,6 Millionen Liter Wein hat die GWF im vergangenen Jahr produziert. Entsprechend groß ist der Keller. Wer sich zwischen den zahllosen Edelstahltanks nicht auskennt, geht schnell verloren. Die größten fassen eine Million Liter und sind so groß wie ein Reihenhaus. Wie Spaghetti winden sich armdicke Schläuche auf dem Betonboden.

Immer wieder muss der Wein in neue Behälter umgepumpt werden, bis er nach einigen Monaten Reife abgefüllt werden kann. „Während der Gärung bildet sich Schaum, deshalb werden die Tanks am Anfang nicht komplett befüllt, weil sonst alles überlaufen würde“, erklärt Ganesch. Erst dann werden sie randvoll gemacht, damit der Rebsaft unter Luftabschluss weiterreifen kann. In die kleinsten Tanks passen 105 Liter für besonders auserlesene Tropfen.

Am liebsten aber hält sich Viviane Ganesch in einem Nebenkeller auf. Dort reift der Wein in rund 60 Barrique-Fässern. Jedes fasst 228 Liter. Innen werden sie vom Hersteller unterschiedlich stark eingebrannt, damit die Röstaromen des Holzes dem Wein bei der Lagerung zusätzlichen Geschmack verleihen. „Toasten“ heißt das. „Ich versuche herauszufinden, welches Holz zu welchem Wein passt“, sagt sie. „Jedes Fass und jeder Röstgrad schmecken anders.“

Aromen vom Kastanienholz

Sie nimmt eine Probe aus einem Kastanienholzfass. Ganesch schwenkt das Glas, riecht, nimmt einen Schluck, spuckt aus. Sie ist zufrieden: „Der Wein ist cremig, hat eine schöne Fülle. Außerdem werden die Aromen des Kastanienholzes gut eingebunden.“ Die Kellermeisterin trainiert regelmäßig Nase und Gaumen, um alle Nuancen eines Weins sensorisch zu erfassen. Genießen könne man Wein aber auch ohne Training, betont Ganesch. „Letztendlich ist nur wichtig, ob er schmeckt oder nicht.“

Am Ende vereint Ganesch die Weine verschiedener Fässer zu einem stimmigen Ganzen. „Verschneiden“ heißt das. Wie ein Komponist. Oder ein Maler. Das sagt auch die Kellermeisterin: „Ich verschneide gerne Weine. In meinen Gedanken entwerfe ich dann ein Musikstück oder ein Bild. Ein Maler malt auch nicht nur mit einer Farbe. Mir gefällt es, wenn verschiedene Farbtöne aufeinandertreffen und auf einmal etwas völlig Neues entsteht.“ Mit 33 Jahren gehört Ganesch zu den jungen Kellermeistern in Deutschland. Erfahrung hat sie trotzdem schon reichlich gesammelt: 2000 begann sie in Kitzingen ihre Ausbildung zur Weinküferin, ehe sie sich in Veitshöchheim zur Technikerin für Weinbau und Kellerwirtschaft qualifizierte.

Wenn ich sehe, dass jemand Spaß hat an meinen Weinen, bin ich mit mir und der Welt zufrieden. Mehr brauche ich gar nicht.

Viviane Ganesch

2008 zog es sie ins Ausland. „Ich wollte schon immer reisen. Also habe ich Kontakte nach Neuseeland geknüpft und bin losgeflogen. Alles weitere hat sich ergeben“, erzählt Ganesch. Acht Jahre lang arbeitete sie als „Cellar Hand“ und „Commercial Winemaker“ in Europa und in Übersee. Bei White Haven Winery in Neuseeland, Tamar Ridge Estate in Tasmanien, Quinta da Teixeira in Portugal, McWilliams Wines Group in New South Wales und Wijngaard „Hof van Twente“ in den Niederlanden.

„Ja, auch in Holland wird Wein angebaut. Ich wollte das zuerst auch nicht glauben“, erzählt Ganesch. „Dort wachsen robustere Reben, die Frost vertragen und nicht anfällig für Fäulnis sind.“ Auf dem Familienweingut wird hauptsächlich Sekt gekeltert. Imponiert hat Ganesch aber vor allem die Experimentierfreude der australischen und neuseeländischen Kellermeister: „Die trauen sich mehr als wir. Allerdings gibt es dort auch kein Weinrecht. Deshalb sind sie in ihrer Arbeit nicht so stark eingeschränkt.“

Bei einer Weinshow in Australien habe der Moderator einmal zwei Jahrgänge spontan gemixt, erzählt Ganesch. Weil auch dem Kellermeister das Ergebnis viel besser geschmeckt habe, ließ er alle Flaschen wieder öffnen und verschnitten neu abfüllen. Dieser Wein sei heute noch legendär. „Bei uns wäre so etwas nicht denkbar“, sagt sie. „Als Kellermeister kann man viel richtig, aber auch viel falsch machen. Alleine die Auswahl an Hefen ist beinahe unendlich“, meint Ganesch. „Wenn ich sehe, dass jemand Spaß hat an meinen Weinen, bin ich mit mir und der Welt zufrieden. Mehr brauche ich gar nicht.“