Mittlere Gasse in der Fuggerei, im Hintergrund das Rathaus. (Bild: Eckhart Matthaeus)
Augsburg

Heimat für Bedürftige

Seit 650 Jahren gestaltet die Familie Fugger, unter anderem mit ihren Stiftungen, das Leben in Augsburg und Schwaben. Ihr Engagement würdigt die Stadt mit einem Fest. Noch heute können bedürftige Bürger in der Fuggerei vergünstigt leben.

Drei Gebete pro Tag und 88 Cent kostet die Jahreskaltmiete in der ältesten Sozialsiedlung der Welt, in der Fuggerei in Augsburg. Derzeit leben dort rund 150 bedürftige Augsburger Bürger katholischen Glaubens. Dass es diese kleine Stadt mit 67 Reihenhäusern und 142 Wohnungen sowie einer eigenen Kirche gibt, verdanken sie Jakob Fugger, der die Fuggerei im Jahr 1521 stiftete.

Die Familie wirkt noch immer in der Fugger´schen Tradition gelebter Verantwortung für die Stadtgesellschaft Augsburgs.

Kurt Gribl, Oberbürgermeister von Augsburg

Die Ankunft des ersten Mitgliedes der Familie Fugger jährt sich in diesem Jahr zum 650. Mal. Anlass für Augsburgs Oberbürgermister Kurt Gribl am 16. Oktober zu einem Empfang zu laden. Unter den Gästen ist auch Bayerns Europaministerin Beate Merk. An dem Abend soll nicht nur an die Geschichte erinnert werden, sondern das Fest ist auch eine Anerkennung dafür, dass die Fugger sich bis heute für das Gemeinwohl engagieren. „Die Familie wirkt noch immer in der Fugger´schen Tradition gelebter Verantwortung für die Stadtgesellschaft Augsburgs und unsere bayerische Heimat. Die Einrichtung der Fuggerei, der heute ältesten Sozialsiedlung der Welt, ist nicht nur eine berühmte touristische Sehenswürdigkeit. Sie ist bis heute eine mildtätige Wohnhilfe für bedürftige katholische Bürgerinnen und Bürger Augsburgs“, sagte Gribl.

Stiftungsgründer mit Startkapital

Begonnen hat alles mit dem Weber Hans Fugger, der vor 650 Jahren nach Augsburg einwanderte. „Fucker advenit“, Fugger ist angekommen, können Geschichtsinteressierte im Steuerbuch des Augsburger Stadtarchiv lesen. Von woher Hans Fugger genau nach Augsburg kam, darüber streiten sich die Gelehrten.

Vermutlich reiste er aus dem Schwäbischen an und war kein armer Webergeselle, sondern brachte einiges an Startkapital mit. Das bestätigte Dietmar Schiersner, der Wissenschaftliche Leiter des Fugger-Archivs, gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. Jakob Fugger, der Enkel von Hans Fugger, ging dann als Stiftungsgründer und weltweit tätiger Kaufmann in die Geschichte ein. Die heutigen Fugger werden zum Festakt erklären, warum die Familie bis heute die älteste Sozialsiedlung der Welt erhält und damit seit bald 500 Jahren eine Heimat für bedürftige Bürger schafft. Als Vertreter der drei Linien der Familie Fugger sprechen bei der Talk-Runde Maria Elisabeth Gräfin Thun-Fugger, Seniorratsvorsitzende der Fugger´schen Stiftungen als erste Frau in der Familiengeschichte, Gräfin Maria-Theresia Fugger von Glött und Alexander Erbgraf Fugger-Babenhausen.

Älteste Sozialsiedlung der Welt

Die Fuggerei wurde vor knapp 500 Jahren von Jakob Fugger dem Reichen als Reihenhaussiedlung für bedürftige Augsburger erbaut. Seitdem erfüllt die Stiftung ununterbrochen diesen Zweck. Denn auch heute können Menschen mit geringem Einkommen für 88 Cent Jahreskaltmiete und drei tägliche Gebete in der Fuggerei wohnen. Sie belegt mit 15.000 Quadratmetern Größe ein beachtliche Fläche nahe der Augsburger Innenstadt. Das Areal ist seit seiner Gründung durch eine Mauer von der Umgebung abgegrenzt, bis heute schließen die Pforten um 22.00 Uhr. Danach zahlen die Bewohner dem Nachtwächter an der Pforte einen Beitrag von 50 Cent für den Einlass.

Das ist nur eine der feste Regeln, von denen einige seit nahezu 500 Jahren gelten. Als Bewohner werden nur bedürftige katholische Augsburger aufgenommen. Herkunft, Alter und Familienstand sind nicht auschlaggebend. Neben der Gebetsverpflichtung sollen die Bewohner sich mit kleinen Diensten, etwa als Nachtwächter, Mesner oder bei der Gartenpflege für das Gemeinwohl einsetzen.

Für die beginnende Frühe Neuzeit war die Infrastruktur der kleinen Stadt mit ihrer geradlinigen Anordnung von Häusern, Wegen und Plätzen übrigens visionär. Wer sich von der Architektur der Fuggerei mit Museum, Schauwohnung und Weltkriegsbunker selbst überzeugen möchte, kann die Stadt täglich gegen ein Eintrittsgeld besichtigen. Mit saisonalen Höhepunkten wie dem Christbaummarkt oder klassischen Konzerten sprechen die Veranstalter regelmäßig ein großes Publikum an.

Die Fugger in Augsburg

Seit 1367 in Augsburg ansässig, stiegen die Fugger zunächst über den Verlag von Webwaren in drei Generationen zur führenden Kaufmannsfamilie der Reichsstadt auf. Jakob Fugger dem Reichen gelang es aufgrund seiner Beziehung zu den Habsburgern als einer der erfolgreichsten Bankier seiner Zeit in die Geschichte einzugehen. Die Familie wandelte sich: Aus Kaufleuten wurden Adelige, die wichtige Positionen in Kirche und Reich errangen. Mit einem Teil ihres Vermögens gründeten die Fugger eigenständige Stiftungen, um deren Fortbestand sie sich bis zum heutigen Tag kümmern.