Wahlplakat kleben: Schüler werben für die U18-Bundestagswahl vom vergangenen Freitag. (Foto: dpa/M.Schutt)
Jungwähler

Die U18-Wahlparty

In einer Testwahl haben Kinder und Jugendliche abgestimmt, die am nächsten Wochenende noch gar nicht zur Bundestagswahl gehen dürfen: Ginge es nach ihnen, gäbe es eine Mehrheit für Schwarz-Grün oder die Große Koalition.

Unter ganz jungen Bürgern stellt sich die Sonntagsfrage anders, und auch ein bisschen hypothetisch: Wäre die Bundestagswahl schon am vergangenen Wochenende gelaufen und die Wähler allesamt unter 18 Jahren gewesen – Deutschland würde künftig mutmaßlich von einer schwarz-grünen oder einer schwarz-roten Koalition regiert.

Gerade hat der Bundesjugendring eine Testwahl unter Kindern und Jugendlichen abgehalten. Rund 215.000 laut Bundeswahlgesetz eigentlich noch gar nicht Stimmberechtigte haben in 1.666 Wahllokalen ihre Voten abgegeben. Das Ergebnis weicht gravierend von den aktuellen Umfragen unter Erwachsenen ab, die am kommenden Sonntag tatsächlich stimmberechtigt sind. So erreichte die Union im Bundesschnitt der U18-Klientel 28,4 Prozent, in Bayern sogar ein wenig mehr, nämlich 31,8 Prozent. Interessant sind die Platzierungen im weiteren Tableau: Die Grünen liegen mit 17 Prozent noch vor der SPD mit 15,8 Prozent. In ein Parlament, das nur Minderjährige wählen dürften, kämen außerdem die AfD, die Linke, die Tierschutzpartei (Partei Mensch Umwelt Tierschutz) und die FDP.

Die Zahlen, wie die bayerischen Jüngstwähler bei dieser Testwahl abgestimmt haben, finden Sie in der obenstehenden Grafik. Unter den so genannten „Sonstigen“ sind im Freistaat insbesondere die Piratenpartei mit 3,0 Prozent, die „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz“ mit 2,3 Prozent (bekannt ist diese Satiretruppe unter dem Namen „Die Partei“; nicht zu verwechseln mit der Tierschutzpartei), sowie die Freien Wähler mit 1,8 Prozent verhältnismäßig stark.

Sieben Parteien im Kinder-Parlament

Mit insgesamt sieben Parteien wäre das Plenum im Bundestag noch weiter aufgefächert, als es Prognosen zufolge im nächsten wirklichen Bundestag sein dürfte. Für den Bayernkurier analysiert Deutschlands bekanntester Jugendforscher Klaus Hurrelmann das Ergebnis der Testwahl: „Die jungen Leute haben eine konservative Grundhaltung, da liegen die Union und insbesondere Frau Merkel an der Spitze des Votums.“

In vergleichbaren Stimmungstests unter Kids lag noch vor wenigen Jahren die SPD vor den Grünen. Dass die Grünen nun in der Gunst an den Sozialdemokraten vorbeiziehen, hält Hurrelmann für „bemerkenswert“. Umweltthemen seien „für junge Leute schon immer essenziell, da geht es um ihre eigene Zukunft“. Die Beliebtheit der Tierschutzpartei zahle auf dasselbe Konto ein. „Die SPD dagegen lässt wie auch unter Erwachsenen kräftig Federn.“ Die AfD wiederum liege mit rund 6 Prozent deutlich unter dem, was Demoskopen für die Erwachsenen-Bundestagswahl prognostizieren. „Das ist keine Partei für junge Leute“, schlussfolgert Hurrelmann, „sondern eher für Alte.“

Junge Deutsche wählen frisch und frei – und setzen ihre eigenen Schwerpunkte.

Klaus Hurrelmann, Jugendforscher

Dass Kinder im Wahlverhalten imitieren, was ihre Eltern vorleben, sieht der Sozialwissenschaftler anhand seiner Forschung speziell bei Kindern bestätigt. „Aber je älter sie werden, desto stärker weichen ihre politischen Präferenzen von denen der Großen ab.“ Anhand von Umfragen sieht Hurrelmann momentan das politische Interesse unter den 16- bis 18-Jährigen wachsen. Eigentlich komme ihnen der ganze Wahlkampf und der politische Betrieb in Berlin „sehr bürokratisch, sehr erwachsen, sehr weit weg“ vor. Lange habe sich die junge Generation darauf verlassen, dass die Erwachsenen schon alles richtig und auch in ihrem Sinne regeln.

Niedrige Wahlbeteiligung unter Erstwählern

Entsprechend lag die Wahlbeteiligung unter Erstwählern regelmäßig um bis zu zehn Prozent unter derjenigen älterer Stimmbürger. Doch die Erfahrung des Brexit-Votums in Großbritannien, bei der viele junge Pro-Europäer daheim blieben und sich hinterher über das Ergebnis ärgerten, könnte den Trend wenden. „Die Jungen merken: Das kann schief gehen, die Alten können so eine Wahl kippen, wenn die Jungen zu faul zum Wählen sind.“ Hurrelmann hofft deshalb bei der tatsächlichen Bundestagswahl am 24. September auf eine höhere Wahlbeteiligung unter Erstwählern. Ein Trend bestärkt ihn in seiner Erwartung: Nach Trump und Brexit verzeichnen einige Parteien eine kleine Welle von Neueintritten junger Leute. So hat die Junge Union in Bayern in diesem Jahr 387 neue Mitglieder gewonnen – das sind schon jetzt mehr als im gesamten Jahr 2016.