Verständlich und gut lesbar: das Wahlprogramm der CSU. (Bild: Imago/Sven Simon)
Wahlkampf

Ein ausgezeichneter Plan

Bandwurmsätze, Wortungetüme, Fachbegriffe - viele Wahlprogramme sind äußerst schwere Kost. Deutlich besser macht es die CSU. Ihr "Bayernplan" wurde jetzt von der Universität Hohenheim als besonders lesbar und verständlich bewertet.

Parteien bieten zahlreiche Versionen ihrer Wahlprogramme an: Langfassungen, Kurzfassungen, Audiofassungen, Themenschwerpunkte und Videos zur Präsentation wichtiger Aspekte in Gebärdensprache sowie Übersetzungen in andere Sprachen. Alle verfolgen sie ein Ziel: die eigenen Inhalte an die Wähler zu bringen.

Doch längst nicht jede Partei ist damit erfolgreich. Mit Abstand am besten gelingt dies der CSU. Zum wiederholten Mal kürte jetzt die Universität Hohenheim den „Bayernplan“ zum verständlichsten Wahlprogramm.

Wahlprogramme sind ein Mittel, um die eigenen Positionen darzulegen.

Frank Brettschneider, Kommunikationswissenschaftler

Damit die Wählerinnen und Wähler eine begründete Wahlentscheidung treffen können, sollten Parteien ihre Positionen klar und verständlich darstellen, sagt der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim. „Die Wahlprogramme sind dabei ein Mittel, um die eigenen Positionen darzulegen.“  Brettschneider hat mit seinem Team die Programme zur Bundestagswahl 2017 untersucht.

„Bayernplan“ an erster Stelle

Mit Hilfe einer Analyse-Software fahnden die Wissenschaftler unter anderem nach überlangen Sätzen, Fachbegriffen, Fremdwörtern und zusammengesetzten Wörtern. Anhand dieser Merkmale bilden sie den „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“, der von 0 (völlig unverständlich) bis 20 (sehr verständlich) reicht.

Am besten schneidet der Untersuchung zufolge der „Bayernplan“ der CSU mit einem Wert von 12,3 ab. Danach folgt das gemeinsame Programm von CDU/CSU mit einem Wert von 10,8 (nach 9,9 bei der letzten Wahl). Die Grünen (10,0) sind wie bei der letzten Bundestagswahl auf Rang zwei (damals: 8,4). Auf dem dritten Platz liegt die Linke mit 9,3 (2013: 7,7). Es folgen die FDP (9,1) und die SPD (8,4). Am unverständlichsten ist das Programm der AfD (7,3). Damit pflege die Partei die vermeintliche Volksnähe, die sie für sich beanspruche, in ihrer Sprache überhaupt nicht, stellt Brettschneider fest.

Im Durchschnitt ist die Verständlichkeit der Bundestagswahlprogramme mit 9,1 Punkten im Vergleich zu 2013 gestiegen. Damals lag der Mittelwert bei 7,7 Punkten. Das sei aber immer noch enttäuschend, urteilt Brettschneider. „Denn alle Parteien haben sich in den letzten Jahren Transparenz und Bürgernähe auf ihre Fahne geschrieben.“

Experten nutzen Fachjargon

Einer der Gründe für mangelnde Verständlichkeit: Die Themenkapitel sind das Ergebnis innerparteilicher Expertenrunden. Diesen sei meist gar nicht bewusst, dass die Mehrheit der Wähler ihren Fachjargon nicht verstehe, erklärt der Wissenschaftler. „Wir nennen das den „Fluch des Wissens“, sagt Brettschneider. Zudem nutzten einige Parteien abstraktes Verwaltungsdeutsch, um unklare oder unpopuläre Positionen zu verschleiern. Das nennen die Wissenschaftler „taktische Unverständlichkeit“.

Fremdwörter schrecken ab

„Race to the Top“ (Die Grünen), „Braindrain“ (Die Grünen), „Failed States“ (AfD), „Economic Partnership Agreements“ (SPD), „Genome-Editing“ (FDP), „Small Banking Box“ (FDP), oder „Share Deals“ (Die Linke): Die Programme enthalten zudem zahlreiche Fremd- und Fachwörter. Sie können für Leser ohne politisches Fachwissen eine Verständlichkeitshürde sein, kritisieren die Forscher.

Auch zu lange Sätze erschweren das Verständnis – vor allem für Wenig-Leser. Daher sollten Sätze möglichst nur jeweils eine Information vermitteln. Der längste Satz findet sich im Programm der FDP mit 90 Wörtern. Aber auch bei allen anderen Parteien tauchen überlange Sätze mit mehr als 50 Wörtern auf. Sätze über 30 und 40 Wörter sind laut der Erhebung der Wissenschaftler keine Seltenheit.

Kurzversion bevorzugt

Wie Parteimitglieder Wahlprogramme wahrnehmen, ist bislang kaum erforscht. Bei einer Umfrage der Universität Hohenheim im Jahr 2010 gaben 828 Parteimitglieder an, vor allem die Kurzversion des Wahlprogramms für ein wichtiges Wahlwerbemittel zu halten. Sie sei nützlicher, besser gestaltet, überzeugender, interessanter und verständlicher als die Langfassung. Nur die Mitglieder der Grünen stuften die Langversion damals als sehr wichtig ein.

Den Wähler im Blick?

Seit 2009 untersucht das Fachgebiet für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim die folgende Frage: Kommunizieren die Parteien in ihren Wahlprogrammen so verständlich, dass die Wahlberechtigten sie verstehen können? Inzwischen haben die Wissenschaftler mehr als 600 Landtags- und Bundestagswahlprogramme analysiert. Möglich werden diese Analysen durch die Verständlichkeits-Software „TextLab“. Sie berechnet verschiedene Lesbarkeitsformeln sowie Textfaktoren, die für die Verständlichkeit relevant sind (zum Beispiel Satzlängen, Wortlängen, Schachtelsätze und den Anteil abstrakter Wörter).

Aus diesen Werten setzt sich der „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“ zusammen, der die Verständlichkeit der Programme und Texte auf einer Skala von 0 (völlig unverständlich) bis 20 (sehr verständlich) abbildet. Zum Vergleich: Doktorarbeiten in Politikwissenschaft haben eine durchschnittliche Verständlichkeit von 4,3 Punkten. Politik-Beiträge in der Bild-Zeitung kommen im Schnitt auf 16,8 Punkte, Politik-Beiträge überregionaler Zeitungen wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Welt oder der Süddeutschen Zeitung auf Werte zwischen 11 und 14.