Wollte er unangenehme Fragen vermeiden? SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz bei Bewohnern eines Mehrgenerationenhauses in Jena. (Bild: Imago/photothek/Florian Gärtner)
Schulz

Keine Fragen, bitte!

Kommentar In Jena wurden Bewohner eines Mehrgenerationenhauses gebeten, mit dem SPD-Kanzlerkandidaten nicht über Flüchtlinge und Migranten zu reden. Kein Wunder, angesichts des Chaos, das bei den Sozialdemokraten zu diesem Thema herrscht.

Wahrscheinlich war es besser so. Vor einem Besuch von Martin Schulz wurden die Bewohner eines Mehrgenerationenhauses in Jena gebeten, dem SPD-Kanzlerkandidaten keine Fragen zu Flüchtlingen zu stellen. Die Zeit sei zu knapp, hieß es, andere Themen sollten im Mittelpunkt stehen. Wessen Idee das Frageverbot letztendlich war, lässt sich nicht mehr endgültig klären. Der Zettel kam laut Briefkopf von der Arbeiterwohlfahrt, der AWO Jena-Weimar, die das Haus betreibt.

Anweisung aus Berlin?

Sie hätten den Umgang mit Flüchtlingen gern thematisiert, erklärte der Jenaer AWO-Chef. Aber „Berlin“ habe ihm mitgeteilt: „Nein, wir haben nur wenig Zeit, und das Thema ist so wichtig, dass wir es nicht mehr dem Thema Mehrgenerationengerechtigkeit und Pflege zusammenfügen können.“ Berlin, das seien die Organisatoren bei der SPD, sagte er noch. Man habe nicht Probleme, sondern positive Beispiele der Integration thematisieren wollen. „Es ist uns eine Herzensangelegenheit“. Aber man habe ja nur eineinhalb Stunden Zeit gehabt.

Die SPD weist das zurück: „Es ist selbstverständlich, dass die Bewohner mit Martin Schulz über alles sprechen können“, sagte ein Sprecher. Schulz selbst, heißt es hinterher, sei „empört“ gewesen.

Sei es drum. Zu sagen hätte der SPD-Kanzlerkandidat zum Thema eh nicht viel gehabt. Außer vielleicht dazu, dass seine Partei auch zwei Jahre nach dem Höhepunkt der Migrationswelle immer noch keine Idee hat, wie sie mit dem Problem umgehen soll. Beispiele gefällig?

Streit um Flüchtlingszentren

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius, in Schulz‘ Wahlkampfteam immerhin für die Innere Sicherheit zuständig, hält Auffanglager für Migranten in Libyen für eine Lösung. Ein Vorschlag, den die CSU übrigens schon vor mehr als zwei Jahren gemacht hat. Wer so etwas vorschlage, nehme „keinerlei Rücksicht auf die Bedingungen in Afrika“, kritisiert jetzt Sigmar Gabriel, Außenminister und ehemaliger SPD-Chef seinen Parteigenossen.

Wenn schon keine Zentren in Afrika, dann wenigstens in Deutschland, findet der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, und greift den Unionsvorschlag für grenznahe Transitzentren auf. „Wir wollen keine Haftanstalten an der Grenze“, schallt es ihm von SPD-Vize Ralf Stegner entgegen.

Lischka möchte in den Transitzentren die Identität von Migranten klären, die ohne gültige Papiere einreisen wollen. Keine gute Idee, findet Innen-Experte Pistorius. Schließlich gebe es in Afrika Länder, die keine Papiere ausstellten, sagt er.

Mit der Fähre nach Europa?

Vielleicht hat aber auch Juso-Chefin Johanna Uekermann die Lösung für die SPD: Sie schlägt vor, die Migranten sollten gleich bei den europäischen Botschaften in Afrika ihre Asylanträge stellen und auf sicheren Fluchtrouten nach Europa gebracht werden. Damit ist sie zumindest nah bei ihrem früheren Partei-Chef Gabriel. Der hatte schon 2015 gefordert, man müsse die Migranten mit Fähren nach Europa holen.

Und was sagt der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat zu all dem Richtungsstreit? Lieber nichts. Ist wohl auch besser so.