„Wahlen haben Konsequenzen“
Deutschlands Gesamtverschuldung ist unter die Zwei-Billionen-Grenze gesunken - zum ersten Mal seit 2009. Doch das ist kein Grund zur Entwarnung. Das zeigt der Blick auf die Bundesländer: Bayern steht gut da, andere Länder nicht.
Schulden

„Wahlen haben Konsequenzen“

Kommentar Deutschlands Gesamtverschuldung ist unter die Zwei-Billionen-Grenze gesunken - zum ersten Mal seit 2009. Doch das ist kein Grund zur Entwarnung. Das zeigt der Blick auf die Bundesländer: Bayern steht gut da, andere Länder nicht.

Das ist einmal eine schöne Meldung: Zum ersten Mal seit dem Jahr 2009 ist Deutschlands Staatsverschuldung unter die psychologische Schreckensschwelle von zwei Billionen oder 2.000 Milliarden Euro gesunken. „Nur“ noch 1.986,4 Milliarden betrugen die Schulden von Bund, Ländern, Gemeinden, Gemeindeverbänden und Sozialversicherungen zum Ende des ersten Quartals 2017, meldet das Statistische Bundesamt. Das sind 2,3 Prozent oder 47,4 Milliarden Euro weniger als im Jahr zuvor und ein Prozent oder 20 Milliarden Euro weniger als zum Vorquartal.

Noch zehn Prozent über dem Maastricht-Limit

Der nähere Blick auf das statistische Zahlenwerk lohnt – und lässt Ernüchterung einkehren. Zum einen ist die Schuldenzahl noch immer beängstigend. Zum anderen verdirbt der Blick auf die Verschuldung mancher Bundesländer die Laune.

Aber der Reihe nach. Zur Erinnerung: 1970 betrug die Verschuldung der alten Bundesrepublik 64 Milliarden und 1980 etwa 230 Milliarden Euro. Wirklich schlecht versorgt war das Land damals nicht. 1991 hatte das wiedervereinigte Deutschland Schulden über 618 Milliarden und 1994 über 870 Milliarden Euro. 1995 passierte der Sprung über die Billionengrenze, 2010 der über die Zwei-Billionen-Grenze.

Immerhin: Im EU- und Eurozonenvergleich ist Deutschlands heutige Staatsverschuldung von etwa 66 Prozent der Wirtschaftskraft ein fast schon erfreulicher Wert – was nichts Gutes aussagt über die Finanzen vieler unserer Nachbarländer. Und wenn Finanzminister Wolfgang Schäuble weiter solide Arbeit macht – und wenn die Konjunktur weiter brummt – darf man hoffen, das die Staatsverschuldung bald unter die magische Maastrichtgrenze von 60 Prozent sinkt. Botschaft an Minister Schäuble: Sie darf dann ruhig noch weiter sinken.

Glückliches Bayern

Erhellend – und ernüchternd – ist der Blick auf die Verschuldungszahlen der Bundesländer. Um es vorwegzunehmen: Man kann an ihnen ablesen, welche Länder gut regiert werden – und welche eben nicht. Schuldenspitzenreiter ist mit knapp 180 Milliarden Euro (Stand: 31. Dezember 2016) Nordrhein-Westfalen. Mit fast 18 Millionen Menschen und einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 670 Milliarden Euro ist es aber auch das größte und reichste Land – und kann sich natürlich auch mehr Schulden leisten, könnte man meinen.

Wahlen haben Konsequenzen.

Ehemaliger US-Präsident Barack Obama

Was in NRW wirklich los ist, zeigt der Blick auf das mit fast 13 Millionen Einwohnern und einem BIP von 568 Milliarden Euro zweitgrößte und zweitreichste Bundesland: Bayern. Bei der Verschuldung steht der Freistaat mit nur knapp 20 Milliarden Euro eben nicht auf Platz zwei, direkt hinter NRW, sondern auf Rang elf, noch hinter dem kleinen Sachsen-Anhalt, dessen Wirtschaftskraft nur ein Zehntel der bayerischen beträgt. Legt man die Verschuldung des Landes um auf die Zahl der Landeskinder wird das Bild noch krasser: Mit 13.285 Euro  (Stand 31. Dezember 2016) muss jeder Nordrheinwestfale eine ziemlich genau fünf Mal so hohe Schuldenlast tragen wie jeder glückliche Bayer (2602 Euro). Auf NRW lasten die Folgen der Schuldenpolitik jahrzehntelanger SPD-Regierung. Ein reiches Bundesland ist herunter gewirtschaftet. Um die Aufgabe, die nun vor ihm liegt, muss man Nordrhein-Westfalens neuen CDU–Ministerpräsident Armin Laschet wahrlich nicht beneiden.

Gute Regierung zahlt sich aus. Was etwa die Bayern auch daran ablesen können, dass laut statistischem Bundesamt die Verschuldung des Freistaats binnen eines Jahres um zehn Prozent zurück ging. Bis 2030, sagt Finanzminister Markus Söder, sollen Bayerns Staatsschulden getilgt sein. Womöglich kommt der CDU-regierte Freistaat Sachsen den Bayern zuvor: Mit 1,8 Milliarden Euro ist Sachsen das am geringsten verschuldete Bundesland. Dort sank die Verschuldung innerhalb eines Jahres sogar um 21,6 Prozent, meldet das Bundesamt.

Bremens übler Rekord

Laschet wird das nicht trösten: Aber es geht noch schlimmer als in NRW. Mit 32,2 Milliarden Euro hat der kleine Stadtstaat Bremen (671.00 Einwohner) die kleinste Wirtschaftsleistung. Trotzdem hat Bremen mit 21,4 Milliarden Euro mehr Schulden als das viel größere und viel reichere Bayern. Übler Bremen-Rekord: Mit 32.284 Euro bürdet das kleinste und ärmste Land seinen Bürgern die höchste Pro-Kopf-Verschuldung aller Bundesländer auf. Keine Strukturkrise, keine Randlage kann das entschuldigen. In der einstigen Hansestadt regiert die SPD, gefühlt schon immer. Was halt Folgen hat.

Drei Monate vor einer Bundestagswahl ist es nicht verkehrt, wenn die Wähler sich über sinkende Staatsverschuldung freuen – und dann näher hinschauen. Denn es ist wirklich so, wie der ehemalige US-Präsident Barack Obama es 2009, recht kurz nach seinem ersten Wahlsieg, einmal gesagt hat: „Wahlen haben Konsequenzen!“ Was man hinzufügen könnte: Für jeden einzelnen Bürger.