Bitte anhalten: Kontrollen am Grenzübergang bei Kiefersfelden. (Foto: Imago/Roland Mühlanger)
Flüchtlinge

Vertrauen ist gut, Kontrolle besser

Die EU-Kommission will die innereuropäischen Grenzkontrollen demnächst beenden. Viele Unionspolitiker dagegen wollen sie beibehalten - wegen der Flüchtlingswelle und wegen der Terrorgefahr. Erst müssten die EU-Außengrenzen gesichert werden.

Führende Unionspolitiker haben sich gegen die von der EU-Kommission geforderte Abschaffung der Grenzkontrollen vor Jahresende ausgesprochen. „Ein Ende ist heute noch nicht absehbar“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann der Bild am Sonntag. „Die Kontrollen werden mindestens bis Jahresende weitergeführt. Würden wir sie beenden, wäre das ein Signal an die ganze Welt: Deutschland ist wieder offen.“ Das wollten die Deutschen nicht. „Die Grenzkontrollen müssen wir so lange beibehalten, bis ein wirksamer Schutz der EU-Außengrenzen steht“, meint Herrmann. Seit Januar seien an den bayerischen Grenzen rund 4500 Flüchtlinge aufgegriffen worden.

Die Situation von 2015 will keiner mehr.

Horst Seehofer, Ministerpräsident

Berichten zufolge steigt die Zahl der Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Italien kommen, derzeit wieder deutlich an. CSU-Chef Horst Seehofer will eine Weiterreise nach Deutschland unterbinden. „Der Brenner müsste notfalls dichtgemacht werden“, erklärte der bayerische Ministerpräsident im Interview mit der Rheinischen Post. „Die Situation von 2015 will keiner mehr.“ Ein „Durchwinken der Flüchtlinge“ dürfe sich nicht wiederholen, sagt Seehofer. „Deshalb müssen auch die Grenzkontrollen, etwa an der deutsch-österreichischen oder deutsch-schweizerischen Grenze bleiben.“

„Stand heute können wir kein Enddatum für die Grenzkontrollen nennen“, sagte der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach der Rheinischen Post. Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings, sagte der gleichen Zeitung, dass man erst auf Binnen-Grenzkontrollen verzichten könne, wenn die EU-Außengrenzen gesichert seien und das Dublin-Verfahren für Flüchtlinge wieder funktioniere.

Österreich bleibt bei Kontrollen

Auch Österreich will die bis Mitte Mai befristeten Grenzkontrollen auf unbestimmte Zeit verlängern. „Solange die Außengrenzen nicht dementsprechend geschützt werden können, werden wir auch weiterhin nationale Maßnahmen ergreifen“, sagte Innenminister Wolfgang Sobotka der Welt. Im Sinne der öffentlichen Ordnung und inneren Sicherheit müsse er ganz einfach wissen, wer in das Land komme. Der Minister zeigte sich optimistisch, dass Brüssel die notwendige Zustimmung erteilen wird.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer ergänzte: „Ich sehe für November 2017 überhaupt keinen Weg, die Binnengrenzkontrollen einzustellen oder abzuschaffen, weil es das völlig falsche Signal wäre in einer weiter angespannten Zeit. Sicherheit hat oberste Priorität. Solange die EU-Außengrenzen nicht sicher sind, müssen weiterhin Grenzkontrollen stattfinden.“

Hintergrund: Die EU-Kommission hat angekündigt, die Kontrollen durch insgesamt fünf Staaten des Schengen-Raumes „ein letztes Mal“ zu verlängern. Bis November, wie der zuständige EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos präzisierte. In den kommenden sechs Monaten sollten die betroffenen Länder die Grenzkontrollen „schrittweise auslaufen lassen“ und Alternativen wie Polizeikontrollen auf Autobahnen verstärken. Dank gemeinsamer Aktivitäten seien „unsere Außengrenzen jetzt stärker und sicherer“, glaubt Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans.

Neuer Grund: Terrorgefahr

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat schon vor Woche erklärt, dass er die Kontrollen über den Mai hinaus verlängern will. Dabei regte er an, sie formal künftig nicht mehr mit der Flüchtlingswelle, sondern mit der – auch tatsächlich vorhandenen – virulenten Terrorgefahr zu begründen. Denn dann wäre die Zustimmung der EU-Kommission nicht nötig.

Die bayerischen Spediteure freilich sehen die derzeitigen Kontrollen mit gemischten Gefühlen. „Momentan halten sich die Behinderungen in Grenzen. Die Kontrolleure gehen mit Augenmaß und Sachkenntnis vor“, sagte Sebastian Lechner, Geschäftsführer des Landesverbandes Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen, dem Bayernkurier. Sehr kritisch würde es allerdings, „wenn die Brennerroute mit flächendeckenden und permanenten Kontrollen belegt würde“. Lechner befürchtet dann die „massive Beeinträchtigung der logistischen Abläufe“.