Ausflug der Kinderfeuerwehr Höhenkirchen zur Hauptfeuerwache in München. (Bild: AS)
Ehrenamt

„Ich will Feuerwehrmann werden!“

Bei der Kinderfeuerwehr Höhenkirchen lernen schon die ganz Kleinen, wie man hilft. Das Konzept könnte Schule machen und für mehr Nachwuchs sorgen. Denn die Feuerwehren sind auf ehrenamtliches Engagement angewiesen. Um bereits Siebenjährige an das Ehrenamt zu binden, soll auch das Feuerwehrgesetz geändert werden.

Verkohlte Sitze und Drähte, jede Menge Asche und abgebrochene Blechstücke. Zwanzig Kinder starren gebannt auf das Metallskelett einer ausgebrannten U-Bahn. „Geil!“, ruft Einer. „Ist die echt?“, fragt eine Andere ehrfürchtig. Es sieht aus wie nach einer großen Explosion, Grund für die Zerstörung war aber 1983 ein Kabelbrand in der U-Bahn. Jetzt steht der zerstörte Wagon im Feuerwehrmuseum in der Münchner Hauptfeuerwache und verdeutlicht die zerstörerische Kraft eines Brandes.

Nach dem Museum geht es für die Besucher zu den modernen Feuerwehrautos: Die Kinder preschen voraus, klatschen aufgeregt in die Hände. „Die Kinder sind einfach verrückt auf die Technik“, sagt Marina Vondrak und versucht, die Gruppe zusammenzuhalten. Gemeinsam mit Britta Wehrhahn leitet die aktive Feuerwehrfrau seit zwei Jahren den Kinderfeuerwehrverein Höhenkirchen-Siegertsbrunn im Landkreis München, zu dem die „Feuertiger“ gehören.

„Ich will Feuerwehrmann werden!“

Der Ausflug zur Hauptfeuerwache in München ist ein Highlight für die „Feuertiger“. Mit großen Augen beobachten sie, wie der Korb des roten Hubrettungsfahrzeuges 25 Meter hoch in den weiß-blauen Himmel fährt. Plötzlich ertönt Alarm: Ölspur in der Innenstadt! Die „echten“ Feuerwehrmänner rennen zum Einsatzfahrzeug, springen hinter das Steuer, starten Motor und Sirene. Die Kinder blicken der Mannschaft sehnsüchtig hinterher. Immerhin dürfen sie nacheinander in eines der verbliebenen Feuerwehrautos klettern und vom späteren Beruf des Feuerwehrmannes träumen.

„Grisu, der kleine Drache“, wäre stolz auf den bayerischen Feuerwehrnachwuchs! Ende der 70er-Jahre flimmerte die gleichnamige Zeichentrickserie über die deutschen Mattscheiben und begeisterte die Kinder. „Ich will Feuerwehrmann werden!“- bis heute erinnert man sich gerne an den großen Wunsch des kleinen Drachen Grisu.

Kinderfeuerwehr Höhenkirchen in der Hauptfeuerwache: Alarm für FeuertigerPlay Video
Kinderfeuerwehr Höhenkirchen in der Hauptfeuerwache: Alarm für Feuertiger

Konkurrenz um den Nachwuchs

Rund 4600 Kinder sind in Bayern Mitglied in einer Kinderfeuerwehr. Oberfranken ist mit 128 Gruppen Spitzenreiter, in Oberbayern gibt es bislang nur 17. Eine Änderung des Bayerischen Feuerwehrgesetzes soll es Freiwilligen Feuerwehren möglich machen, Kinder schon ab sechs Jahren aufzunehmen. Denn gerade die Freiwilligen Feuerwehren ringen deutschlandweit um Nachwuchs. Mit Hilfe von Kampagnen stabilisierten sich die Mitgliederzahlen immerhin in Bayern. Doch viele Kinder sind mit zwölf Jahren – das Eintrittsalter für die Jugendfeuerwehr – bereits im Fußballverein oder Chor aktiv.

Jugendwärtin Nina Schrank von der Freiwilligen Feuerwehr Kolbermoor im Landkreis Rosenheim sieht darin einen der Gründe für das Nachwuchsproblem. „Andere Vereine nehmen Kinder bereits mit sechs Jahren auf. Dadurch gehen uns viele verloren, die später keine Zeit mehr haben für ein weiteres Hobby wie die Freiwillige Feuerwehr. Deshalb müssen wir früher auf uns aufmerksam machen“, sagt die 29-Jährige. Eine Kinderfeuerwehrgruppe gibt es dort noch nicht. „Wir bleiben an dem Thema dran, aber bisher fehlt es uns an einem zusätzlichen Betreuer“, sagt Schrank.

Jugendfeuerwehr Kolbermoor: Freiwillige vor und Wasser marsch!Play Video
Jugendfeuerwehr Kolbermoor: Freiwillige vor und Wasser marsch!

Bedeutung von sozialem Engagement

Die Kinderfeuerwehr in Höhenkirchen-Siegertsbrunn wurde 2015 gegründet, von Marina Vondrak und Kommandantin Nikola Schwaiger. Im Ort gab es so viel Zuspruch, dass die ersten 15 Plätze gleich belegt waren. Die Kleinen lernen den Zusammenhalt in der Gruppe und die Bedeutung des Ehrenamts, des gesellschaftlichen Engagements. Themen wie Erste Hilfe, Verhalten im Brandfall oder Spiele wie Flüsterpost und Memory mit Feuerwehrbegriffen sind bereits mit den Sieben- bis Elfjährigen möglich. „Wir versuchen die Kinder spielerisch mit dem Thema Brandschutz vertraut zu machen“, sagt Vondrak.

Für die Betreuer ist keine Feuerwehrausbildung nötig. Auch Britta Wehrhahn kam als Quereinsteigerin zu ihrem Ehrenamt. Seit zwei Jahren unterstützt sie Gründerin Vondrak. Die Erzieherin findet es wichtig, dass Kinder lernen, was soziales Engagement bedeutet. „Wir versuchen die Nachmittage mit viel Abwechslung zu gestalten und vor allem viel Teamgeist zu bilden. Dann gehen die Kinder gerne dahin, weil sie soziale Gemeinschaft erleben“, sagt Wehrhahn. Zweimal im Monat trifft sich die Gruppe im Feuerwehrhaus in Höhenkirchen-Siegertsbrunn.

Begeisterung für Technik

Die große Technik ist für die Kleinen natürlich noch tabu, den Umgang mit Geräten lernen die Kinder später bei der Jugendfeuerwehr. Aber allein das Anschauen der großen Feuerwehrautos löst bei den Kleinen Begeisterung aus. Auch bei der Jugendfeuerwehr in Kolbermoor. Das Angebot an Löschfahrzeugen samt Drehleiter ist für den ansässigen Kreisbrandrat Richard Schrank einer der Gründe, warum die Jugendlichen dabei bleiben. Die Technik begeistert. In den Regionen im Landkreis Rosenheim, in denen die Feuerwehren nicht mit modernster Technik begeistern können, seien die Probleme, Nachwuchs zu generieren, besonders groß. Seine Tochter Nina, die hier als Jugendwärtin arbeitet, setzt zudem auf Ausflüge mit Einsatzübungen und Leistungswettbewerben, um die Zwölf- bis 16-Jährigen an das Hobby bzw. das Ehrenamt zu binden.

Einladung an Schulklassen

Aber mit der Technik alleine finden die 62 aktiven Feuerwehrmänner- und Frauen aus Kolbermoor noch zu wenig Nachwuchs, die Ehrenämtler greifen zu weiteren Mitteln, um die Jugend von der guten Sache zu begeistern: „Um junge Mitglieder zu rekrutieren, haben wir anfangs 1.500 Haushalte in der Umgebung angeschrieben“, erinnert sich Schrank. Immerhin zehn kamen, zwei von ihnen sind heute noch Teil der Truppe. Zudem laden sie drei- bis viermal im Jahr Kindergartengruppen und Schulklassen ins Gerätehaus nach Kolbermoor ein und zeigen ihr Equipment.

Während es Kolbermoor wie den meisten Feuerwehren in ganz Bayern geht, muss man sich in Höhenkirchen-Siegertsbrunn um den fehlenden Nachwuchs vorerst keine Gedanken machen. Die Bemühungen der Kinderfeuerwehr lohnen sich, derzeit stehen sogar 18 Namen auf der Warteliste.

Das Bayerische Feuerwehrgesetz

In Bayern leisten rund 330.000 Menschen aktiven Feuerwehrdienst, hiervon über 318.000 ehrenamtlich. Im Herbst 2016 beschloss die Bayerische Staatsregierung, das Feuerwehrrecht an die geänderten demografischen Rahmenbedingungen anzupassen. Um die Freiwilligen Feuerwehren zukunftsfähig zu machen, sollen zur Nachwuchsgewinnung sogenannte „Kinderfeuerwehren“ möglich sein. Außerdem soll das Höchstalter für den aktiven Feuerwehrdienst von 63 auf 65 Jahre heraufgesetzt werden.

Das Bayerische Feuerwehrgesetz wurde zuletzt vor neun Jahren geändert. Der neue Gesetzentwurf des Innenministeriums wurde bereits mit den betroffenen Verbänden besprochen. Im nächsten Schritt soll der Entwurf in den Bayerischen Landtag eingebracht werden. Das neue Gesetz soll noch im ersten Halbjahr 2017 in Kraft treten.