Kinder, Karriere, Haushalt - Frauen sollen heute alles miteinander vereinbaren können. (Foto: Imago)
Familie

Das Märchen von der leicht gelebten Vereinbarkeit

Gastbeitrag Familienministerin Manuela Schwesig propagiert ein Gesellschaftsbild, das mit der Realität nur wenig zu tun hat. Anstatt Frauen bestimmte Lebenskonzepte vorzuschreiben, sollte die Politik die Wahlfreiheit stärken, schreibt die CSU-Bundestagsabgeordnete Silke Launert.

Es war einmal ein kleines Mädchen, das in einem der reichsten Länder auf dieser Erde aufwachsen durfte. Es war abgesichert in einem weltweit beispiellosen Sozialsystem und es genoss alle gesellschaftlichen Freiheiten, wie es sie sich bunter nicht ausmalen konnte. Und so träumte es Nacht für Nacht von seiner Zukunft in einer glücklichen Ehe mit vielen munteren Kindern, gut versorgten Eltern und Schwiegereltern und einem Job, in dem es sich selbst verwirklicht …

Besondere Bedingungen

Würde unsere Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig diese Geschichte erzählen, würde diese ihren dramaturgischen Höhepunkt darin finden, dass sich alle Träume des kleinen Mädchens verwirklichen. Glaubhaft wäre diese Geschichte allemal, ist doch die persönliche Rolle der Ministerin nicht weniger märchenhaft. Manuela Schwesig gehört zu den Frauen, die alles können und denen alles gelingt. Beruflich ganz oben stehen, nebenbei ein zweites Kind zur Welt bringen und schon kurz nach der Geburt wieder im Kabinett sitzen. Sie lebt scheinbar die vollendete Vereinbarkeit und macht sich damit selbst zum besten Werbeträger für ihre Politik.

In der sogenannten Rushhour des Lebens, also im Alter zwischen dreißig und vierzig Jahren, trifft es uns Frauen besonders hart.

Silke Launert

Doch bei all dem Glanz, der von ihr oder von anderen Frauen ausgeht, die scheinbar alles unter einen Hut kriegen, wird leicht übersehen, dass diese Frauen in der Regel auch einen entsprechenden Hintergrund haben. Da sind der Ehemann, der mitanpackt, die Oma, die als Babysitterin einspringt, die finanziellen Mittel für eine Haushaltshilfe und, home office sei Dank, auch die Flexibilität im Job. Doch die Realität sieht leider oft anders aus. Nicht wenige Frauen in Deutschland können von solchen Bedingungen nur träumen.

Die Rushhour des Lebens

In der sogenannten Rushhour des Lebens, also im Alter zwischen dreißig und vierzig Jahren, trifft es uns Frauen besonders hart. Es sind die Jahre, in denen wir nach einer langen Ausbildung schnell Arbeitserfahrung sammeln und möglichst schnell auf der Karriereleiter nach oben steigen wollen. Parallel dazu tickt die biologische Uhr immer lauter. Schließlich bekommen wir Kinder, kehren aber rasch in den Beruf zurück, weil wir wissen, dass der Karrierezug ohne uns abfährt, wenn wir nicht rechtzeitig wieder aufspringen.

Nicht selten pflegen Frauen in dieser eh schon rasanten Phase zudem noch Angehörige, kümmern sich mehrheitlich um den Haushalt und um die sozialen Kontakte der Familie. Sie zerreißen sich förmlich zwischen all ihren Aufgaben, während sie einem fortwährend starken Zeit- und Leistungsdruck ausgesetzt sind. Kein Wunder, dass Frauen immer häufiger an ihre psychischen und physischen Grenzen geraten.

Anstatt die Lebensgestaltung junger Familien durch staatliche Finanzhilfen zu lenken, sollten wir vielmehr unseren Blick öffnen und auf die individuellen Wünsche und Vorstellungen der Familien eingehen.

Silke Launert

Wenn Frau Schwesig sich daher in regelmäßigen Abständen die Frage stellt, wie wir Arbeit und Familie in Zukunft organisieren wollen, ohne ständig müde, kraftlos und überarbeitet zu sein, dann ist das grundsätzlich zu begrüßen. Falsch wird es erst dann, wenn sie das Märchen von der leicht gelebten Vereinbarkeit immer weiter erzählt und dabei ihren Blick nicht über wohl kalkulierte Familienzeitmodelle hinweg richtet.

Aufgabe der Politik

Natürlich ist es die Aufgabe der Politik, gute Rahmenbedingungen zu schaffen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Karriere. So haben wir in den vergangenen Jahren insbesondere das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf verabschiedet oder auch die Kindertagesbetreuung weiter ausgebaut. Dies waren ohne Zweifel entscheidende Schritte für eine Verbesserung der Vereinbarkeit und für die Entlastung von Frauen.

Im Sommer hat die Bundesfamilienministerin nun ein weiteres gesetzliches Vorhaben vorgestellt. Demnach sollen Eltern, die beide zwischen 28 und 36 Stunden in der Woche arbeiten und sich die Kinderbetreuung teilen, bis zu zwei Jahre lang monatlich ein „Familiengeld“ in Höhe von 300 Euro erhalten, sofern das Kind jünger als acht Jahre alt ist. Die Idee dahinter ist, Väter dazu zu bewegen, nach der Elternzeit mehr Zeit in die Kindererziehung zu investieren und damit Müttern zu ermöglichen, beruflich tätig zu sein.

Den Bürgerinnen und Bürgern einzig durch die Vorgabe ganz bestimmter Lebenskonzepte eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu versprechen, reicht nicht aus.

Silke Launert

Dieser Gedanke ist gut, wenn auch nicht neu: Das Familiengeld ist vielmehr eine Neuauflage der 32-Stunden-Woche, die Frau Schwesig im Alleingang zu Beginn ihrer Amtszeit gefordert hat und es ist ein weiterer Versuch, zu richten, was Elternzeit, Elterngeld und ElterngeldPlus nicht zu leisten vermochten.

Man mag nun darüber streiten können, wie zielführend es ist, den jungen Familien immer neue Lebenszeitmodelle an die Hand zu geben. Und man mag auch darüber streiten können, wie fair es war, gegen das Betreuungsgeld zu wüten und damit Familien, die ein anderes Modell leben wollen, durch Nichtförderung abzustrafen. Doch eines dürfte unstreitig sein: Den Bürgerinnen und Bürgern einzig durch die Vorgabe ganz bestimmter Lebenskonzepte eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu versprechen, reicht nicht aus.

Was können wir besser machen?

Anstatt die Lebensgestaltung junger Familien durch staatliche Finanzhilfen zu lenken, sollten wir vielmehr unseren Blick öffnen und auf die individuellen Wünsche und Vorstellungen der Familien eingehen. Wir sollten Partnerschaftlichkeit und Freiheit fördern und den jungen Menschen genug Verantwortungsbewusstsein zutrauen, ihr Leben und die Erziehung ihrer Kinder selbständig zu regeln.

Außerdem: Wenn wir Eltern fördern wollen, dann doch bitte alle. Und zwar auch die, bei denen sich ein Elternteil entscheidet, ganz zu Hause zu bleiben oder nur in Teilzeit zu arbeiten.

Und wenn wir finanzielle Förderung anbieten wollen, warum dann nicht solche, die auch dauerhaft Früchte trägt? Wir brauchen langfristige Angebote für junge Familien, wie zum Beispiel eine finanzielle Förderung beim Kauf von Wohneigentum, statt nur kurzfristige Geldanreize im Tausch für ein bestimmtes Lebensmodell.

Entscheidend sind Anerkennung und Wahlfreiheit

Wenn wir Frauen und junge Familien wirklich dauerhaft entlasten wollen, führt kein Weg daran vorbei, endlich anzuerkennen, dass Familienarbeit ebenso ernstzunehmende und harte Arbeit ist wie Erwerbstätigkeit. Wir müssen hier für ein Umdenken in der Gesellschaft sorgen und viel mehr Anerkennung zeigen für die Leistungen junger Frauen, die der Doppelbelastung Familie und Karriere ausgesetzt sind. Dazu gehört auch, dass wir Fehler zulassen und keine Perfektion verlangen – den Druck rausnehmen. Denn nur so können wir Menschen Mut zur Familie machen.

Und letztlich müssen wir aufhören, Frauen zu verurteilen, wenn sie nicht ein Jahr nach der Geburt ihres Kindes wieder anfangen, in Vollzeit zu arbeiten. Stattdessen sollten wir akzeptieren, dass es viele verschiedene Lebensmodelle gibt und jedes einzelne achten. Denn nur das ist tolerant und nur das ist Ausdruck einer gelebten freiheitlichen Demokratie.

Und die Moral von der Geschicht´

Jedes Märchen hat eine Moral. Das Märchen von der leicht gelebten Vereinbarkeit soll uns darüber nachdenken lassen, was wir von den Frauen heute alles ganz selbstverständlich verlangen. Wir verlangen die perfekte Karriere, die perfekte Familie und die perfekte Konfektionsgröße. Doch dies alles ist nicht ohne Weiteres unter einen Hut zu kriegen. Wir brauchen daher mehr Verständnis und Bewusstsein für die Frauen, die täglich an ihre Grenzen gehen und zugleich brauchen wir eine bedingungslose Wertschätzung für Familien. Erst wenn uns das gelingt, kann das Märchen von der leicht gelebten Vereinbarkeit wahr werden.