Die Betreuung unbegleiteter Minderjähriger, wie hier von Jugendlichen aus Eritrea, ist für die Kommunen nicht mehr zu bezahlen. Foto: Imago/ epd-Bild/ Lothar Stein
Asylbewerber

Zu wenig Geld für zu viele

Die klammen Kommunen stöhnen unter der Kostenlast für Soziales und Asylbewerber. Besonders kostenintensiv ist dabei die Unterbringung und Betreuung unbegleiteter Minderjähriger. Auf ihrer gerade statt findenden Jahrestagung in Saarbücken verlangen die Landkreise mehr Geld von Bund und Ländern bei der Bewältigung dieser Aufgaben.

Die Landkreise fordern mehr Geld von Bund und Ländern für die Betreuung von Asylbewerbern in den Kommunen. «Die Landkreise und kreisfeien Städte, die so gut wie flächendeckend für die Versorgung von Asylbewerbern und Flüchtlingen zuständig sind, werden von den Ländern nicht in ausreichendem Maße ausgestattet», sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager (CDU), der Deutschen Presse-Agentur in Saarbrücken.

Besonders schlecht sei die Lage in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Schleswig-Holstein. Diese Länder kämen nur für maximal drei Viertel der kommunalen Kosten auf. Sager begrüßte den Plan der Bundesregierung, das für die Bearbeitung der Asylanträge zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge um bis zu 2000 zusätzliche Stellen aufzustocken. Ziel sei es ja, dass Menschen ohne Bleibeperspektive so schnell wie möglich Klarheit über ihren Aufenthaltsstatus erlangen und gegebenenfalls auch zügig das Land verlassen, sagte Sager.

«Am besten wäre es, wenn Asylverfahren innerhalb von drei Monaten abgeschlossen werden könnten, so dass gerade die Asylbewerber ohne Chance auf ein Bleiberecht gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden.»

Die im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD angekündigten zusätzlichen Mittel für Landkreise und Kommunen reichen nach Ansicht von Sager nicht aus, um deren Kassen zu sanieren. Die von 2018 an zugesagten jährlich fünf Milliarden Euro könnten angesichts «eines so gut wie unverändert hohen Kassenkreditbestandes von knapp 50 Milliarden Euro das strukturelle Problem der Unterfinanzierung der Städte, Landkreise und Gemeinden nicht lösen.» Das Geld leiste aber einen wichtigen Beitrag, dass Kommunen wieder Investitionen tätigen könnten.

Kritische Lage auch in Bayern

Auch in Bayern hat die Aufnahme unbegleiteter Minderjähriger in Bayern die Belastbarkeitsgrenze erreicht, ja gar überschritten, mahnte der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Christian Bernreiter (CSU). Zwar sei auf Initiative der Bayerischen Staatsregierung im Bundesrat eine Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht worden. Das Inkrafttreten des Gesetzes könne allerdings nicht mehr abgewartet werden. „Wir sind bei den unbegleiteten Jugendlichen im Krisenmodus!“, so Bernreiter.

Der Bayerische Landkreistagspräsident nutzte die Gelegenheit, an seine Kollegen aus den anderen Bundesländern zu appellieren, bereits jetzt solidarisch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen. Mit seinem Hilferuf ist er dort auf großes Verständnis gestoßen.

Bernreiter bat Ministerpräsident Horst Seehofer, das Thema bei der MP-Konferenz aufzugreifen und die Verteilung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge unbürokratisch sofort, noch vor Inkrafttreten des angedachten Gesetzes, zu ermöglichen. Bernreiter: „Nur durch eine solidarische, quotenmäßige Verteilung auf alle Bundesländer kann der Ansturm bewältigt werden!“

Zu viele minderjährige Asylbewerber

Bereits gestern wandten sich bayerische Landräte an die Öffentlichkeit und warnten, dass sie die Betreuung nach den gesetzlichen Vorgaben nicht mehr erfüllen könnten. Das Problem: Die Jugendämter der Kommunen sind nach der UN-Kinderrechtskonvention, nach EU-Richtlinien und nach der deutschen Sozialgesetzgebung verpflichtet, minderjährige Asylbewerber in amtliche Obhut zu nehmen.

Bayerns Landräten geht das zu weit. Sie sprechen von einem „Overkill“ und fordern eine Sonderregelung für die unbegleiteten Minderjährigen, selbst wenn dies gegen die UN-Konvention verstoße. Notfalls müsse man seinen Standpunkt auch vor Gericht durchfechten. „Ich sehe keine Alternative, das ist das Problem“, sagt Johann Keller, geschäftsführendes Präsidialmitglied des Bayerischen Landkreistags. Angesichts der vielen Flüchtlinge seien die Standards bei unbegleiteten Minderjährigen nicht zu halten.

Tatsächlich sind die Zahlen in die Höhe geschnellt: Nach Angaben des bayerischen Sozialministeriums lag die Zahl der nach Bayern eingereisten unbegleiteten minderjährigen Asylbewerber 2012 bei 545 und 2013 bei 574 Kindern und Jugendlichen. Im vergangenen Jahr stiegen die Zugangszahlen um das Sechsfache auf rund 3400 unbegleitete Minderjährige an. Für dieses Jahr rechnet das Ministerium mit weit über 5000 jungen Menschen.

„Die Zugangszahl ist so hoch, dass wir die Betreuung nach Jugendhilfestandards nicht mehr schaffen. Wir haben extreme Schwierigkeiten, diese Anforderungen zu erfüllen, weil der Markt mit Sozialpädagogen leergefegt ist“, sagt Keller. Unterstützung bekommen die Landräte derzeit vom niederbayerischen Regierungspräsidenten Heinz Grunwald, der sagt, es müsse im Einzelfall überprüft werden, „ob niedrig schwelligere Betreuungsformen in Betracht kommen“.

Das Sozialministerium denkt wohl ähnlich: Da viele unbegleitete Minderjährige bereits sehr selbständig seien, kämen hier oft einfachere Wohnformen mit ambulanter Betreuung in Betracht. „Dabei denken wir auch daran, beispielsweise auf Jugendherbergen zurückzugreifen“, teilte ein Ministeriumssprecher mit. Sozialministerin Emilia Müller (CSU) rät den Städten, „viel stärker als bisher das breite Spektrum der Jugendhilfeangebote entsprechend der Hilfsbedürftigkeit zu nutzen“.

Landräte schlagen Alarm

Die Landräte in Schwaben haben bereits vergangene Woche auf ihre prekäre Situation bei der Unterbringung von Asylbewerbern aufmerksam gemacht. Im Kreis Neu-Ulm müsse eine Schulturnhalle mit Flüchtlingen belegt werden, weil alle anderen Unterkünfte voll seien. Da mit einer weiterhin ansteigenden Zahl an Asylbewerbern zu rechnen sei, könnten die Landratsämter die Unterbringung dieser hohen Zahl an Menschen ist nicht mehr alleine leisten. Nun sei schnelles Handeln des Freistaats gefordert. Konkret wollen die Landräte „eine Kommunalquote, die in Zukunft jede Gemeinde und jede Stadt in die Pflicht nimmt“. Eine gerechte und faire Verteilung der Flüchtlinge könne nur mit einer Quotierung erreicht werden.