Drama Ausbildung
Sie können kein Deutsch und kein Mathe, haben keine Disziplin und sind nicht belastbar - immer mehr Firmen beklagen die Qualifikation der Bewerber und können ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen. In Niederbayern blieb fast jeder dritte angebotene Lehrplatz unbesetzt. Hoffnung gibt es allerdings im bayerischen Handwerk.
Notstand in Bayern

Drama Ausbildung

Sie können kein Deutsch und kein Mathe, haben keine Disziplin und sind nicht belastbar - immer mehr Firmen beklagen die Qualifikation der Bewerber und können ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen. In Niederbayern blieb fast jeder dritte angebotene Lehrplatz unbesetzt. Hoffnung gibt es allerdings im bayerischen Handwerk.

Trotz Zugeständnissen bei der Einstellung kann fast jeder dritte Betrieb in Deutschland nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen. Deutschlandweit waren dies im vergangenen Jahr 31 Prozent, im Osten sogar 45 Prozent. Das sind die Ergebnisse einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK).

Die Lage war für die Unternehmen noch nie so dramatisch wie jetzt.

Eric Schweitzer, DIHK-Präsident

Zwar konnten im Vorjahr mit 32 Prozent noch etwas mehr Ausbildungsbetriebe nicht alle Plätze besetzen. Doch lag die leichte Verbesserung laut DIHK auch daran, dass viele Betriebe mangels Azubis ihren Status als Ausbildungsbetrieb verlieren. Rund 14.000 Unternehmen fanden 2015 gar keine Auszubildenden. Zehn Jahre zuvor hatten nur 12 Prozent der Betriebe nicht alle Plätze besetzen können.

Flaute in Niederbayern

Die Lage in Bayern ist nicht sehr viel besser. Gegenüber der Passauer Neuen Presse bestätigt Thomas Graupe, Bereichsleiter bei der IHK Niederbayern, die Tendenz für den IHK-Bezirk Niederbayern. 27 Prozent der regionalen Unternehmen geben an, nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen zu können.

Die Betriebe reagieren darauf und bieten etwa Praktikumsplätze an, verstärken das Ausbildungsmarketing oder erschließen sich neue Zielgruppen.

Thomas Graupe, Bereichsleiter IHK

Bewerber sind nicht genügend qualifiziert

Hauptgrund für die wachsenden Lücken sei der Mangel an geeigneten Bewerbern, obwohl drei von vier Betrieben auch lernschwächere Jugendliche einstellten. Schweitzer warf den Schulen vor, für mangelnde Deutsch- und Mathekenntnisse vieler Jugendlicher verantwortlich zu sein. Immer mehr Firmen – nämlich rund jede zweite – klagen laut der Umfrage darüber. Wenn das schon für die deutschen Bewerber gilt, bleibt allerdings die Frage, wie dann Flüchtlinge diesen Mangel beheben könnten.

Aber es ist nicht nur die fachliche Qualifikation. Es gäbe laut DIHK auch immer mehr Probleme mit Disziplin, Belastbarkeit und Leistungsbereitschaft. Immer mehr Unternehmen beklagen, dass die Jugendlichen den Anforderungen nicht gerecht werden, die Werte liegen bei 48 bis 53 Prozent.

Studium statt Ausbildung

Mit der Einstellung Lernschwächerer, mit Imagekampagnen und gezielten Angeboten an Jugendliche hätten es die Betriebe erreichen können, die Zahl der Ausbildungsverträge etwa stabil zu halten. Laut Statistischem Bundesamt begannen im vergangenen Jahr so wenige junge Menschen eine Berufsausbildung wie noch nie seit der Wiedervereinigung. 516.200 Frauen und Männern traten eine duale Ausbildung an und damit 0,4 Prozent weniger als 2014. Insgesamt bewerben sich laut Schweitzer rund sieben Prozent weniger junge Menschen um eine Ausbildung als vor zehn Jahren. „Gleichzeitig studieren rund 40 Prozent mehr“, sagte er. Angesichts schrumpfender Schulabgänger-Jahrgänge müssten sich auch Gymnasien noch stärker in der Berufsorientierung engagieren.

Handwerk im Trend

Immerhin zeigt im bayerischen Handwerk das intensive Werben um den Nachwuchs Wirkung: Bis Ende Mai registrierten die Handwerkskammern im Freistaat 10.031 Lehrverträge für das neue Ausbildungsjahr, das waren gut sieben Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, wie der Bayerische Handwerkstag Anfang Juni mitteilte. Zwar erlaube der Zwischenstand noch keine Prognose für das Gesamtjahr, doch gebe es Hoffnung, dass die Lücke zwischen besetzten und freie bleibenden Lehrstellen schrumpft.

(dpa/AS)