Nicht alle Taten werden geahndet: Eine Reform des Sexualstrafrechts ist dringend notwendig. (Bild: Imago/eyevisto)
Sexualstrafrecht

JA zu „NEIN heißt NEIN!“

Gastbeitrag Recht und Gerechtigkeit, das sind allzu oft zwei verschiedene Dinge. Besonders im Bereich der Sexualstraftaten erfüllen die Urteile nicht immer das Rechtsempfinden der Opfer. Schuld daran sind Lücken im Gesetz, die nun geschlossen werden sollen. Ein Gastbeitrag von Dr. Silke Launert zur geplanten Sexualstrafrechtsreform.

Seit geraumer Zeit ist in Politik und Fachwelt ein Streit entbrannt um die Frage, ob unser geltendes Sexualstrafrecht reformiert werden müsse und wenn ja, wie weitgehend es dann reformiert werden sollte (der Bayernkurier berichtete). Konkret geht es dabei um den Tatbestand der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung, der in § 177 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt ist.

Zu viele Lücken im Gesetz

Der Streit ist vor allem daran entbrannt, dass es in den vergangenen Jahren immer wieder Strafrechtsfälle gab, bei denen sich das gemeine Rechtsempfinden im jeweiligen Gerichtsurteil nicht wiedergefunden hat. So wurden Fälle nicht als Vergewaltigung bestraft, bei denen der Täter das Opfer überrumpelt und den Überraschungsmoment ausgenutzt hat, so dass die Handlung schon begangen war, bevor das Opfer reagieren konnte. Ebenfalls nicht als Vergewaltigung bewertet werden konnten Fälle, in denen es vor dem sexuellen Übergriff zwar zu Gewalt gekommen ist, es aber nicht nachgewiesen werden konnte, dass diese Gewaltanwendung in der Absicht stattgefunden hat, das Opfer später zu einer sexuellen Handlung zu zwingen. Schließlich wurde ein Täter auch dann nicht wegen Vergewaltigung verurteilt, wenn er zwar wusste, dass das Opfer nicht einverstanden war, es aber weder zu nötigender Gewalt noch Drohung gekommen war und objektiv auch keine schutzlose Lage vorlag. Also wenn das Opfer sich beispielsweise aus Resignation in einer Beziehung, in der es immer wieder zu Gewalt gekommen war, nicht gewehrt hat.

Soweit nur einige der typischen Fallgestaltungen, die derzeit nicht nach § 177 StGB geahndet werden können.

Nur die halbe Wahrheit

Der Grund für das Auseinanderfallen von Rechtsempfinden und Gerichtsurteil liegt in einzelnen Strafrechtslücken des deutschen Sexualstrafrechts. Das heißt, es gibt strafwürdiges Verhalten, das mit unseren aktuell geltenden Vorschriften nicht entsprechend zu verurteilen ist.

Tatsächlich wären in einigen dieser Fälle auch schon nach geltender Gesetzeslage andere Urteile möglich gewesen.

Doch dies ist nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich wären in einigen dieser Fälle auch schon nach geltender Gesetzeslage andere Urteile möglich gewesen. Auf Grund jahrelanger (kritikwürdiger) Auslegung der bestehenden Vorschriften durch die höchsten Gerichte hat man jedoch eine eher restriktive Rechtsprechungspraxis etabliert. Damit hat sich die Rechtsprechung leider in eine Sackgasse manövriert, aus der eine Umkehr ausgeschlossen scheint.

Die notwendige Reform

Eine Reform muss also her. Eine, die mit klarem Wortlaut schafft, was klar sein muss: Die sexuelle Selbstbestimmung darf unter keinen Umständen und von niemandem missachtet werden.

Bundesjustizminister Heiko Maas hat sich der Misere, in der sich das deutsche Sexualstrafrecht betreffend § 177 StGB befindet, angenommen und einen Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser geht in die richtige Richtung, jedenfalls schließt er vorhandene Lücken und scheint der Rechtsprechung weniger Auslegungsspielraum zu geben, als es das aktuelle Recht tut.

‚Nein heißt nein‘ – an diesem Grundsatz darf nicht gerüttelt werden.

Dr. Silke Launert

An den neuen Gesetzestext werden hohe Anforderungen gestellt: Er soll einerseits wirklich alle strafwürdigen Taten erfassen. Zugleich darf er aber nicht ausufern. Insbesondere darf er nicht bestrafen, wer zu keinem Zeitpunkt erfassen konnte, dass er gegen den Willen des anderen handelte und damit dessen sexuelles Selbstbestimmungsrecht verletzte. Eine Kernfrage in den Verhandlungen um eine neue Formulierung wird also sein, welche Kommunikationsanforderungen an potentielle Opfer gestellt werden können. Die Frauen-Union Bayern sieht hier ein einfaches „nein“ oder auch ein Weinen ganz klar als ausreichend an, um dem entgegenstehenden Willen Ausdruck zu verleihen. „Nein heißt nein“ – an diesem Grundsatz darf nicht gerüttelt werden. Was wir aber keinesfalls wollen, ist Verhältnisse schaffen, wie sie derzeit in den USA fruchten. Entsprechend dem Grundsatz „yes means yes“ wurde beispielsweise in Kalifornien ein Gesetz verabschiedet, wonach alle mit öffentlichen Geldern geförderten Colleges, Regeln einzuführen haben, die ihren Studenten vorschreiben, vor dem Sex die gegenseitige und ausdrückliche Zustimmung einzuholen.

Wenn der Gesetzentwurf demnächst ins Gesetzgebungsverfahren geschickt wird, wird sich zeigen, ob er all diesen Anforderungen standhalten kann.

Die Autorin

Dr. Silke Launert war Richterin und Staatsanwältin in Hof und ist seit 2013 Bundestagsabgeordnete der CSU. Sie ist Bezirksvorsitzende der FU Oberfranken.