NPD abschieben: Ob die Partei als verfassungsfeindlich verboten werden muss, entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Bild: Imago/epd-bild/Norbert Neetz
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Karlsruhe entscheidet über NPD-Verbot

Einmal ist der Versuch, die NPD vom Bundesverfassungsgericht verbieten zu lassen, bereits gescheitert. Heute beginnt in Karlsruhe die mündliche Verhandlung gegen die rechtsextreme Partei. Sollten die Bundesrichter die NPD für verfassungsfeindlich erklären, müsste die Partei sich auflösen.

Das Verbotsverfahren gegen die NPD geht in die entscheidende Phase: Drei Tage klopft das Bundesverfassungsgericht die rechtsextreme Partei auf ihre mögliche Verfassungswidrigkeit ab. Mit Spannung wird erwartet, ob die Politik diesmal rechtzeitig alle Hindernisse aus dem Weg geräumt hat. Ein erster Verbotsantrag war 2003 gescheitert, weil der Verfassungsschutz bis in die NPD-Spitze hinein Informanten hatte. Beantragt hat das Verbot der Bundesrat.

Am Gericht erwartet man ein emotionales Verfahren. Es wird nicht ausgeschlossen, dass vor einem Urteil weitere Verhandlungstage angesetzt werden. Sehen die Richter die hohen Anforderungen des Grundgesetzes für ein Verbot erfüllt, muss sich die NPD auflösen. In der Geschichte der Bundesrepublik wurde erst zweimal eine Partei verboten, zuletzt 1956 die kommunistische KPD, davor 1952 die SRP, eine NSDAP-Nachfolgepartei.

Die wichtige Rolle der V-Leute

Die Frage der Verfassungsschutz-Informanten wird aller Voraussicht nach gleich am ersten Verhandlungstag eine zentrale Rolle spielen. Die Richter wollen sich genau anschauen, ob tatsächlich alle sogenannten V-Leute rechtzeitig „abgeschaltet“ wurden oder womöglich noch die Prozessstrategie der NPD ausgespäht wurde. Experten halten es für denkbar, dass die Partei vorhat, einzelne V-Leute zu enttarnen. NPD-Anwalt Peter Richter hatte vorab im Berliner „Tagesspiegel“ den einen oder anderen „Knaller“ angekündigt.

Scheitert das Verfahren ein zweites Mal, wäre das für die Politik eine Blamage. Auch deshalb haben die Bundesländer dem 250-seitigen Verbotsantrag von Dezember 2013 im vergangenen Mai noch einmal vier Aktenordner mit Belegen folgen lassen. Die internen Vermerke, Gesprächsprotokolle und E-Mails sollen untermauern, dass die Sicherheitsbehörden diesmal rechtzeitig alle V-Leute aus der NPD abgezogen haben. Die elf Namen sind geschwärzt.

Die Länder haben das Verbot beantragt

Bundesregierung und Bundestag haben sich dem neuen Verbotsantrag nicht angeschlossen. Die Länder wollen zum Auftakt prominent in Karlsruhe vertreten sein: Erwartet wurden Bundesrats-Präsident Stanislaw Tillich, der Ministerpräsident aus Sachsen (CDU), und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), außerdem etliche Innenminister und -senatoren.

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) sieht im zweiten Anlauf gute Chancen für ein erfolgreiches NPD-Verbotsverfahren: „Wir haben es geschafft nachzuweisen, dass wir ohne rechtliche Probleme in das Hauptsacheverfahren übergehen. Das heißt, es wird jetzt in der Sache entschieden werden, und das ist schon mal ein großer Erfolg für den Verfassungsschutz und für den Rechtsstaat als Ganzes.“

Ex-Innenminister Gerhart Baum ist skeptisch

Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) hält ein NPD-Verbotsverfahren dagegen für nicht aussichtsreich. „So widerlich das auch ist – was die NPD von sich gibt, ist durch die Meinungsfreiheit geschützt“, sagte Baum dem Bayerischen Rundfunk. Etwas Anderes sei es, wenn die NPD beginne, „die Stabilität der Demokratie zu gefährden“. Baum forderte alle Demokraten auf, die NPD zu bekämpfen: „Wir müssen unser Grundgesetz einfach leben und es verteidigen.“

Eine weitere Frage eines jeden Parteiverbots wie auch Vereinsverbots ist, wohin sich Mitglieder und Funktionäre der aufgelösten Gruppierung wenden. Gerade bei Rechts- und Linksradikalen wird befürchtet, dass sie in den Untergrund gehen könnten. Zudem ist zu erwarten, dass einfach eine neue Partei gleichen Schlages unter neuem Namen und neuen Gesichtern gegründet wird. Andererseits ist die Signalwirkung eines Parteiverbots wichtig für die Gesellschaft, dass Radikalismus nicht kampflos hingenommen wird. Die wehrhafte Demokratie zeigt ihre „Zähne“.

Ich gehe davon aus, dass in dem Prozess das wahre Gesicht dieser menschenverachtenden Partei enthüllt wird.

Dr. Josef Schuster, Zentralrat der Juden

Der Zentralrat der Juden in Deutschland blickt mit Zuversicht auf das NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. „Wenn den Bürgern klar wird, welche Ziele die NPD verfolgt, wird das Verfahren keine Wahlwerbung sein, sondern eine abschreckende Wirkung haben. Die NPD will unsere Demokratie abschaffen und einen völkischen Staat errichten, in dem für Minderheiten kein Platz mehr ist“, erklärte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster. „Ich gehe davon aus, dass in dem Prozess das wahre Gesicht dieser menschenverachtenden Partei enthüllt wird.“ Der Zentralrat der Juden appelliert daher an alle demokratischen Kräfte und an die Medien, gegen die NPD zusammenzustehen und nicht ausgerechnet den Stimmen der rechtsextremen Partei am meisten Gehör zu verleihen. „Die Richter sollten bei diesem Verfahren den Rückhalt der demokratischen Gesellschaft spüren“, ergänzte Schuster. Der Zentralrat der Juden fordert seit Jahren ein Verbot der NPD. Die Partei verbreitet antisemitische und rassistische Hetze und kann dafür auch noch Steuergelder nutzen.

Zum Auftakt zwei Befangenheitsanträge

Die NPD hat zum Auftakt des Verbotsverfahrens gegen die rechtsextreme Partei vor dem Bundesverfassungsgericht zwei Richter des Zweiten Senats als befangen abgelehnt. Die Anträge richten sich gegen den zuständigen Berichterstatter Peter Müller und gegen Richter Peter Huber. Huber habe sich in seiner Zeit als thüringischer Innenminister von November 2009 bis November 2010 mehrfach für ein Verbot der NPD ausgesprochen und einen Ausschluss aus der Parteienfinanzierung gefordert, trug NPD-Anwalt Peter Richter zu Beginn der Verhandlung vor. Als Beleg zitierte er aus einer Broschüre, deren Vorwort der CDU-Mann Huber damals verfasst habe. Müller wiederum habe sich in seiner Zeit als saarländischer CDU-Ministerpräsident von 1999 bis 2011 mehrfach negativ und abwertend über die NPD geäußert. Er habe zwar nicht so offen für ein Verbot plädiert wie Huber, trotzdem gebe es keine Zweifel, dass er die Partei für verfassungsfeindlich halte und sie ablehne. NPD-Anwalt Richter führte außerdem an, dass Müller wie auch Huber in ihren Ämtern direkte Vorgesetzte der Verfassungsschutzbehörden ihrer Länder gewesen seien. In der für das Verfahren entscheidenden Frage der V-Leute könnten sie daher eine Offenlegung der Akten verhindern, um ein Versagen ihrer Behörden zu verheimlichen.