Gescheiterte Zuwanderungspolitik
Folge jahrzehntelanger liberaler Zuwanderungspolitik: 58 Prozent der schwedischen Sozialleistungen gehen an Migranten. Jetzt bringen Europas Flüchtlingskrise und 190.000 Flüchtlinge neue hohe Lasten. Schweden erreicht die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. Der politische Asylkonsens ist gekippt: Die Schweden betrachten die Folgen hunderttausendfach gescheiterter Integration.
Schweden

Gescheiterte Zuwanderungspolitik

Folge jahrzehntelanger liberaler Zuwanderungspolitik: 58 Prozent der schwedischen Sozialleistungen gehen an Migranten. Jetzt bringen Europas Flüchtlingskrise und 190.000 Flüchtlinge neue hohe Lasten. Schweden erreicht die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. Der politische Asylkonsens ist gekippt: Die Schweden betrachten die Folgen hunderttausendfach gescheiterter Integration.

Das wird teuer: Im nächsten Jahr muss Schweden 6,3 Milliarden Euro für die Bewältigung des Migrantenstroms aufbringen. Das meldet jetzt die schwedische Einwanderungsbehörde. Von 2017 bis 2019 rechnet die Behörde sogar mit jährlichen Kosten von 7,4 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Auf deutsche Verhältnisse und eine 6,4 Mal größere deutsche Wirtschaftsleistung übertragen entspräche das hierzulande einer Summe von fast 48 Milliarden Euro – im Jahr. Den Haushalt für das Jahr 2015 haben die Migranten schon gesprengt. Jetzt müssen alle Ministerien Sparvorschläge vorlegen, berichtet die Tageszeitung Svenska Dagebglatt.

Kosten der Einwanderung: 7,4 Milliarden Euro im Jahr.

Schweden am Limit

Die Einwanderungskrise – denn um nichts anderes als um Einwanderung geht es in Schweden – bringt das knapp zehn Millionen Einwohner große Land an seine Belastungsgrenze. Mit bis zu 190.000 Migranten rechnet die schwedische Regierung allein in diesem Jahr – 40.000 mehr als noch Anfang Oktober maximal erwartet wurden. Im Juli hatte sich die Einwanderungsbehörde gar nur auf 74.000 Neuankömmlinge eingestellt. Alles Makulatur. Allein in diesem Monat kamen jede Woche etwa 9000 Migranten in Schweden an. Für das nächste Jahr rechnet man in Stockholm mit 170.000 Asylbewerbern. Interessant: Unter den Ankömmlingen diesen Jahres sollen sich etwa 33.000 für die Einwanderungsbehörde besonders teure unbegleitete Kinder und Jugendliche befinden. Und alle erreichen Schweden über Deutschland.

Zehntausende Migranten werden den schwedischen Winter wohl in beheizten Zelten verbringen müssen.

Die Dynamik solcher Zuwanderung wirft jede Planung und Vorbereitung über den Haufen. In Ihrer Not hat die rot-grüne Minderheitsregierung von Ministerpräsident Stefan Löfven zusammen mit Teilen der Opposition jetzt einen 21-Punkte-Plan beschlossen: Unter anderem sollen die Kommunen mehr Geld bekommen. Dafür dürfen sie aber die Aufnahme von Migranten nicht mehr ablehnen. Auch das Asylrecht wird geändert: Asylbewerber sollen nur noch Aufenthaltsgenehmigungen für drei Jahre erhalten, der Familiennachzug soll beschränkt werden. Tatsächlich ist die bislang besonders großzügige Regelung des Familiennachzugs für viele Migranten der entscheidende Grund, nach Schweden zu kommen. Die Maßnahme könnte mittelfristig also etwas bewirken. Aber an der gegenwärtigen Notlage ändert sie nichts: Zum Jahresende fehlen in Schweden 45.000 Schlafplätze für Migranten. Zehntausende werden den schwedischen Winter wohl in beheizten Zelten verbringen müssen.

Die Stimmung ist gekippt

Bislang betrachteten sich die Schweden gerne als „humanitäre Großmacht“ mit besonders liberaler Asyl- und Zuwanderungspolitik. Aber in der aktuellen Krise bröckelt der politische Konsens beim Thema Einwanderung. 59 Prozent der Schweden wünschen sich jetzt eine striktere Asylpolitik.

59 Prozent der Schweden wollen eine strikte Asylpolitik.

Die nationalkonservativen Schwedendemokraten nennen die derzeitige Masseneinwanderung „die größte Katastrophe des modernen Zeitalters“ und wollen eine Kampagne für ein Einwanderungsreferendum starten. Sie können auf die Unterstützung von immer mehr Schweden rechnen: Bei der Parlamentswahl vor einem Jahr gewannen die Schwedendemokraten fast 13 Prozent der Stimmen (2010: 5,7). In aktuellen Umfragen liegen sie zwischen 20 und 25 Prozent. Und auch dies sagt etwas Düsteres aus über die dramatisch veränderte Stimmung im Lande: Kürzlich brannten in nur einer Woche vier für Asylbewerber vorgesehene Unterkünfte.

Gescheiterte Integration

Zur Verzweiflung über den aktuellen Migranten-Tsunami kommen in Schweden grundsätzliche Zweifel über die Richtigkeit der bisherigen Einwanderungspolitik. Seit vielen Jahren nimmt kaum ein Land relativ zur Bevölkerung so viele Flüchtlinge und Asylbewerber auf wie Schweden: Im vergangenen Jahr kamen 110.000 Migranten, vor drei Jahren waren es 103.000. 1980 machten Einwanderer aus der nicht-westlichen Welt nur ein Prozent der Bevölkerung aus. Heute sind 16 Prozent der Bevölkerung Einwanderer, vor allem aus dem Mittleren Osten und aus Afrika.

58 Prozent aller Sozialhilfe-Gelder gehen an Immigranten.

Tino Sanandaji, schwedischer Volkswirt und Migrationsexperte

Problem: Die Integration der nicht-europäischen Zuwanderer ist weitgehend gescheitert. „Schwedens hässliches Einwanderungsproblem“, titelte kürzlich die im kanadischen Toronto erscheinende Tageszeitung The Globe and Mail nach einem Gespräch mit dem schwedischen Volkswirt und Migrationsexperten Tino Sanandaji. Die Schweden zahlen jetzt dafür einen hohen Preis. Der im Iran geborene, aber in Schweden aufgewachsene Kurde Sanandaji fasst ihn in eine erschreckende Zahl: „58 Prozent aller Sozialhilfe-Gelder gehen an Immigranten.“ Die nordischen Länder riskierten mit ihrer Flüchtlingspolitik die Überdehnung ihrer Sozialbudgets, warnte schon vor zwei Jahren die Londoner Wochenzeitung The Economist. Jetzt wird die Gefahr für Schweden akut.

Die Masseneinwanderung schafft in den Nordischen Ländern eine Bevölkerungsschicht, die dauerhaft vom Staat abhängig ist.

The Economist

Kein Wunder: Denn nur 52 Prozent der nicht europäischen Zuwanderer im arbeitsfähigen Alter arbeiten – gegenüber 84 Prozent der gebürtigen Schweden. In Rosengard, dem Einwanderer-Viertel der Hafenstadt Malmö, haben nur 38 Prozent der Bewohner einen Arbeitsplatz. Zuwanderer, die schon seit 15 Jahren im Land sind, haben nur zu etwa 60 Prozent einen Arbeitsplatz. Schweden habe einen besonders hochqualifizierten Arbeitsmarkt, in dem auch niedrig qualifizierte Schweden Schwierigkeiten hätten, erinnert Sanandaji: „Welche Chance hat dann eine 40 Jahre alte Frau aus Afrika?“ 42 Prozent der Langzeitarbeitslosen in Schweden sind denn auch Zuwanderer. „Die Masseneinwanderung schafft in den Nordischen Ländern eine Bevölkerungsschicht, die dauerhaft vom Staat abhängig ist“, bestätigt The Economist.

Hohe Kriminalitätsrate

Aber auch jene Zuwanderer, die den Sprung ins Erwerbsleben schaffen, bleiben zurück: Im Schnitt verdienen sie 40 Prozent weniger als gebürtige Schweden. 40 Prozent der Nichteuropäer in Schweden gelten als arm, gegenüber 10 Prozent der gebürtigen Schweden. Sanandaji: „Seit den 1980ern wächst in Schweden die Ungleichheit schneller als in allen OECD-Ländern.“

Die Mehrheit der Personen, denen in Schweden Mord, Vergewaltigung und Raub vorgeworfen wird, sind Einwanderer entweder der ersten oder der zweiten Generation.

Tino Sanandaji

Dem Frieden im Lande ist das nicht dienlich. Das zeigt etwa ein Blick in Schwedens Gefängnisse: 26 Prozent aller Gefängnisinsassen sind Ausländer und Migranten – und 50 Prozent all jener Häftlinge, die wegen schwerer Straftaten zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt wurden, so The Economist. Die Mehrheit der Personen, denen in Mord, Vergewaltigung und Raub vorgeworfen wird, sind Einwanderer entweder der ersten oder der zweiten Generation, berichtet auch Sanandaji im Gespräch mit The Globe and Mail.

Wenn es in Schweden nicht funktioniert, wo dann?

Ein eigenes Kapitel sind Einwanderer aus Somalia. Schweden beherbergt inzwischen eine der größten somalischen Diasporas weltweit. Die Integration der somalischen Migranten in die schwedische Gesellschaft gestaltet sich schwierig, schrieb schon vor zwei Jahren The Economist: „Sie kommen aus nomadischen Gesellschaften, wo man nur Clan und Stamm vertraut, die Alphabetisierungsrate gering und jegliches Zeitgefühl rudimentär ist.“ Drei Viertel der somalischen Kinder in Schweden verlassen denn auch die Schule ohne Abschluss. Das Londoner Wochenblatt zitiert einen ehemaligen schwedischen Journalisten, der nun eine Organisation leitet, die sich besonders um die Somalier in Schweden bemüht: „Nach Schweden zu kommen, ist für somalische Einwanderer geradeso wie eine Reise zum Mars.“

Nach Schweden zu kommen, ist für somalische Einwanderer geradeso wie eine Reise zum Mars.

The Economist

An Geld und Willkommenskultur haben es die Schweden gewiss nicht fehlen lassen. Im Gegenteil, sie haben ihren Sozialstaat für alle Flüchtlinge, Asylbewerber und Migranten weit geöffnet. Und trotzdem stehen die Schweden jetzt vor hunderttausendfach gescheiterter Integration. Was die kanadische The Globe and Mail zu einer nachdenklichen Frage führt: „Seit Jahrzehnten hat Schweden Flüchtlinge auf besonders großzügige Weise willkommen geheißen. Wenn es dort  nicht funktioniert, wo dann?“