Die Migranten-Lawine in Richtung Deutschland hält an: Nach Polizeiangaben erreichten auch am vergangenen Sonntag etwa 4000 Migranten Bayern. Am Montagvormittag kamen mit Sonderzügen aus Österreich etwa 400 weitere Migranten in Passau an. In der Passauer Dreiländerhalle campieren derzeit 700 Personen. Ein Sprecher der Bundespolizei am Montag: „Es gibt keine Entspannung. Die Zahl der Flüchtlinge ist nach wie vor sehr hoch, und die Unterkünfte sind voll.“
Es gibt keine Entspannung. Die Zahl der Flüchtlinge ist nach wie vor sehr hoch, und die Unterkünfte sind voll.
Sprecher der Bundespolizei in Bayern
Interessant: In Freilassing und Rosenheim zogen Bundespolizisten insgesamt etwa 400 Migranten aus ganz normalen Reisezügen, die über Österreich aus Bologna, Verona und Trient kamen. Auch die Mittelmeer-Route über Libyen, Lampedusa oder Sizilien und Italien über den Brenner nach Österreich und Deutschland ist also weiter hochaktiv: Allein am vergangenen Sonntag wurden vor der libyschen Küste fast 800 Migranten aus Seenot, in die sie sich selber gebracht hatten, „gerettet“ und natürlich nach Sizilien oder Italien überführt. Ein Schiff der Bundesmarine „rettete“ wohl schon am Samstag 120 Kilometer nordwestlich von Tripolis etwa 140 Migranten aus einem Schlauchboot.
Offenbar hat Brüssel Kroatien zur Öffnung seiner Grenze genötigt
Der neue Migrationsdruck auf Deutschlands Grenzen hat auch mit Maßnahmen der Europäischen Union zu tun: Denn auf Druck aus Brüssel, so Presseberichte, musste das jüngste EU-Mitglied Kroatien schon am vergangenen Freitag zwei gesperrte Übergänge an der Grenze zu Serbien wieder öffnen. In der serbischen Presse wurde das als großer politischer Sieg Serbiens über Kroatien gefeiert.
Durch Ungarns Hintertür in die kontrollfreie Schengen-Zone geschleust.
Folge der offenbar aus Brüssel erzwungenen Grenzöffnung: Zehntausende Migranten fluten wieder ungehindert über Serbien in das EU-Mitgliedsland Kroatien: Allein am Freitag kamen 10.000 Migranten in Kroatien an – neuer Tagesrekord. Bis zum Samstag zählten kroatische Behörden sogar 17.000. Am Sonntag kamen wieder rund 5000. Seit der Schließung der Grenze zwischen Ungarn und Serbien haben bis zum vergangenen Wochenende insgesamt 73.000 Migranten Kroatien erreicht. Von der kroatisch-serbischen Grenze werden sie mit Zügen und Bussen zur kroatisch-ungarischen Grenze gebracht und dort, sozusagen durch die ungarische Hintertür in die kontrollfreie Schengen-Zone geschleust: Ebenfalls am Freitag erreichten denn auch 8159 Migranten über Kroatien Ungarn – von Mittwoch bis Freitag insgesamt 26.309. Am Samstag kamen knapp 10.000. Einmal in Ungarn werden die Migranten von ungarischen Behörden nach Österreich weitergeleitet. Das Ziel ist praktisch immer: Deutschland.
Sonderzüge aus Österreich
Der Migranten-Korridor nach Deutschland steht und ist sperrangelweit offen – und bleibt es. Zwar ist der reguläre Zugverkehr auf der Strecke Salzburg München seit dem 17. September unterbrochen. Dafür wurden die Flüchtlinge dann mit Sonderzügen nach Deutschland gefahren. Dabei soll es bleiben. Berichte, das Bundesinnenministerium habe beschlossen, die Sonderzüge aus Salzburg zu stoppen, lösten zwar in Salzburg Schrecken aus – der Bürgermeister warnte vor einer „humanitären und sanitären Katastrophe an der Grenze nach Freilassing“ – wurden aber in Berlin sogleich dementiert. Insgesamt hat die Deutsche Bahn in den vergangenen drei Monaten in über 100 Sonderzügen etwa 130.000 Migranten weitergeleitet. Die Bahn spricht jetzt von Kosten in Höhe eines siebenstelligen Betrages, den die Bundesregierung übernehmen wird. In Berlin kam am Samstag aus Österreich ein Sonderzug mit 430 Flüchtlingen an, am Montag einer mit 450 Personen.
Allein von der Ägäis-Insel Lesbos: Zweimal 4000 Migranten.
Nach wie vor sind Zehntausende auf der sogenannten Balkan-Route unterwegs, meist mit dem Ziel Deutschland. Kein Wunder, denn der Druck von Süden hält an. Am Sonntag brachten Fähren wieder 4000 Migranten nach Piräus, nach knapp 4000 am Freitag – Presseberichten zufolge beide Male nur von der Ägäis-Insel Lesbos. Der UN-Flüchtlingsagentur UNHCR zufolge landen derzeit jeden Tag etwa 6000 Migranten an Europas Küsten. Beunruhigender Trend: Im bisherigen Rekord-Monat August kamen jeden Tag 4200. Von Athen und Thessaloniki werden die Migranten mit Bussen an die mazedonische Grenze gefahren.
Die nächste Welle: Hunderttausende Afghanen – oder mehr
Unterdessen flutet die nächste riesige Migrantenwelle schon heran – aus Afghanistan. Schon jetzt sind Afghanen nach den Syrern die zweitgrößte Gruppe der Migranten, die Europa erreichen. Der UNHCR zufolge haben in den ersten sechs Monaten des Jahres fast 80.000 Afghanen Asylanträge gestellt, gegenüber 24.000 im Vergleichszweitraum des Vorjahres. Die Zahlen könnten dramatisch wachsen: Bis zu 100.000 Afghanen verlassen derzeit jeden Monat das Land am Hindukush. Aus Kabul heißt es, dass täglich 5000 Afghanen neue maschinenlesbare Reisepapiere beantragen.
Ausgerechnet jetzt droht Pakistans Regierung damit, 1,5 Millionen registrierte und etwa eine Million unregistrierte afghanische Flüchtlinge zwangsweise nach Afghanistan zurückzuschicken.
Mehrere Faktoren befeuern den beginnenden großen afghanischen Exodus: Zum einen warten schon seit vielen Jahren Hunderttausende Afghanen etwa im iranischen Exil auf eine Gelegenheit zur Migration nach Europa. Jetzt ist diese Gelegenheit da: So offen war Schengen-Europa noch nie, und die Exilanten sind Europa schon näher. Zum anderen befinden sich im Nachbarland Pakistan, ebenfalls schon seit vielen Jahren, 1,5 Millionen registrierte und etwa eine Million unregistrierte afghanische Flüchtlinge, berichtet die Londoner Tageszeitung Financial Times. Ausgerechnet jetzt droht Pakistans Regierung, diese Flüchtlinge bis Ende des Jahres über die Grenze nach Afghanistan zurück zu zwingen.
Wachsender Sunniten-Terror gegen Afghanistans schiitische Hazaras.
Unter wachsenden Druck kommt in Afghanistan zudem die drittstärkste Ethnie der Hazaras – persisch sprechende Schiiten in Zentral-Afghanistan, die schon seit langem von sunnitischen Taliban- und Al-Kaida-Terroristen blutig verfolgt werden. Weil sich afghanischen Hazara-Flüchtlinge im Iran als schiitische Milizionäre für den Bürgerkrieg in Syrien rekrutieren lassen, richtet sich sunnitischer Terror in Afghanistan und Pakistan nun erst recht gegen die Hazaras, schreibt wieder die Financial Times.
Dramatischer demographischer Druck: In den vergangenen 15 Jahren ist Afghanistans Bevölkerung um zehn Millionen gewachsen.
Zu alledem kommt in Afghanistan immenser demographischer Druck. Seit Beginn der US-Intervention im Jahr 2001 ist Afghanistans Bevölkerung von etwa 21 Millionen auf heute 32 Millionen gewachsen − gut zehn Millionen Afghanen mehr. Mit 5,33 Kindern pro Frau hat Afghanistan die elfthöchste Geburtenrate der Welt. Die Bevölkerung wächst jedes Jahr um 2,32 Prozent. 64 Prozent der Afghanen sind jünger als 25 Jahre. Nur 38,2 Prozent der Afghanen − und nur 24,2 Prozent der Frauen − können lesen und schreiben.
In großem Stil organisierter Exodus
Der afghanische Exodus nach Europa wird in Afghanistan und Pakistan in ganz großem Stil organisiert, berichtete kürzlich Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban im Interview mit der Pariser Tageszeitung Le Figaro und berief sich auf Geheimdienstberichte: „Anzeigen drängen dazu, das Land zu verlassen und bieten Dienstleistungen und verschiedenste Mittel samt Preisen an. Das Ziel ist klar: Deutschland oder die Nordischen Länder. Die Route wählen nicht die Migranten, sondern die Schleuser.“
Die meisten Menschen wollen nach Deutschland, weil Angela Merkel angekündigt hat, dass Deutschland die Flüchtlinge aufnimmt.
Afghanischer Reiseorganisator in Kabul
Orbans Bericht wird jetzt bestätigt. Deutschen Sicherheitskreisen zufolge hat sich die Zahl der Flüchtlinge aus Afghanistan stark erhöht, nachdem die Bundesregierung im August von 800.000 zu erwartenden Migranten sprach. In Afghanistan kursierte dann das Gerücht, Deutschland werde darüber hinaus niemanden mehr aufnehmen: Die Folge: eine massenhafte Fluchtwelle. „Die meisten Menschen wollen nach Deutschland, weil Angela Merkel angekündigt hat, dass Deutschland die Flüchtlinge aufnimmt“, zitiert die Presseagentur dpa den Inhaber eines „Reisebüros“ in Kabul. „Jetzt, wo ich weiß, dass mein Sohn sicher in Deutschland ist, bin ich sehr glücklich“, sagt ein anderer Afghane in der ostafghanischen Großstadt Jalalabad. Sein Sohn Nazir ist 16 Jahre alt und zählt darum wohl zu den bis zu 30.000 unbegleiteten Minderjährigen, mit denen deutsche Behörden für 2015 rechnen. Den deutschen Steuerzahler kostet ihre Betreuung pro Kopf und Jahr 60.000 Euro.