Brasilien im Aufruhr: Im Bild Rio de Janeiro mit dem Zuckerhut (hinten links) und der weltberühmten Christusstatue im Vordergrund. (Bild: Fotolia/thomathzac23)
Brasilien

Autobauer beklagen Einfuhrzölle

Einen Strauß voll mit Wünschen dürfte die deutsche Wirtschaft Bundeskanzlerin Angela Merkel mit auf ihre laufende Brasilien-Reise gegeben haben. Sehr deutlich wurde der Verband der Automobilindustrie (VDA), der unter anderem die Abschaffung von Handelsschranken fordert.

„Diese protektionistischen Maßnahmen schaden zu allererst dem Land selbst“, sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann der deutschen Presseagentur. Damit meint er vor allem die 35 Prozent Einfuhrzoll, die Brasilien auf importierte Neuwagen erhebt, aber auch die hohen Steuervorteile, die die heimische Produktion genießt. Der Autoabsatz in dem südamerikanischen Land war zuletzt im Juli um beinahe ein Viertel eingebrochen, teilte der nationale Händlerverband Anfang des Monats mit. Das schmerzt in Deutschland vor allem den Volkswagenkonzern, der in Brasilien an vier Standorten mehr als 20.000 Beschäftigte hat. Insgesamt haben die deutschen Hersteller in dem Land einen Marktanteil von 17 Prozent.

Rezession in Brasilien

Brasilien steckt in einer schweren Rezession, die Wirtschaftsleistung ist im ersten Halbjahr um sechs Prozent eingebrochen. „Auch im laufenden Jahr zeigt sich keine Besserung“, bedauert der VDA-Präsident, der für die Automobilbranche am Zuckerhut mit einem Minus von insgesamt 20 Prozent im laufenden Jahr rechnet. Das wären dann 2,7 Millionen verkaufte Fahrzeuge. Verloren geben will Wissmann den brasilianischen Markt aber noch lange nicht. Das Potenzial sei erheblich, sagte er mit Blick darauf, dass in dem südamerikanischen Land auf 1000 Bürger gerade einmal 193 Autos kommen. „In Deutschland sind es 548.“ Das Potenzial gelte es nun auszuschöpfen: Wissmann fordert „Strukturreformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit und ein besseres Investitionsklima“.

Neue Chancen für den Handel

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht trotz der Krise in Brasilien neue Chancen für einen verstärkten Handel mit dem fünftgrößten Land der Welt. Zugleich stellte Merkel auch eine neue Offenheit Brasiliens für ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur fest. „Brasilien ist jetzt hier sehr ambitioniert“, sagte Merkel am Donnerstag vor Beginn der ersten deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen in der Hauptstadt Brasilia. Merkel mahnte außerdem mit Blick auf die rund 1400 in Brasilien tätigen deutschen Unternehmen verlässliche Investitionsbedingungen an: „Die deutschen Unternehmen wollen das und sind dann auch bereit, noch mehr in Brasilien zu investieren.“ Brasilien sei in Sachen Freihandel gemeinsam mit anderen bereit, bei den Verhandlungen mit der EU voranzugehen, sagte die Kanzlerin. Staatspräsidentin Dilma Rousseff habe großes Interesse daran und stehe in engem Kontakt mit Argentinien. Paraguay und Uruguay seien ohnehin interessiert. Seit 1999 verhandeln EU und Mercosur über Freihandel und den Abbau von Zollschranken, Vollmitglieder sind Argentinien, Brasilien, Uruguay, Paraguay und Venezuela, Bolivien soll folgen.

Deshalb glaube ich, dass dieser Besuch gerade wegen der auch angespannten wirtschaftlichen Situation genau zum richtigen Zeitpunkt kommt.

Angela Merkel

Ein Knackpunkt ist die Sorge um eine Verdrängung einheimischer Agrarprodukte. Durch die Verpflichtungen im Rahmen des Mercosur kann Rousseff nicht einfach eigene Freihandelsabkommen abschließen. Besonders Venezuela bremst bei dem Thema. „Wir müssen überlegen, ob wir Wege finden, die einigen unterschiedliche Geschwindigkeiten gestatten“, sagte Merkel. Die Zusammenarbeit mit Brasilien müsse möglichst breite Füße gestellt werden. „Und deshalb glaube ich, dass dieser Besuch gerade wegen der auch angespannten wirtschaftlichen Situation genau zum richtigen Zeitpunkt kommt“, betonte die Kanzlerin. Der Gegenbesuch der brasilianischen Regierung soll in zwei Jahren in Berlin stattfinden.

Schutz der Regenwälder und erneuerbare Energien

Bei dem Treffen in Brasilia soll es Neuzusagen des Entwicklungsministeriums für Klimaschutz und zum Schutz des Tropenwaldes in Höhe von rund 551 Millionen Euro geben, davon 525 Millionen als Kreditzusagen. Der Löwenanteil von gut 428 Millionen Euro ist für den Bereich erneuerbare Energien gedacht, 123 Millionen Euro sollten dem Tropenwald zu Gute kommen. Die Kanzlerin würdigte die Zusammenarbeit im Agrarhandel sowie im Umwelt- und Entwicklungsbereich. Man diskutiere zur Rettung des Tropenwaldes eine Vielzahl von Programmen. Von den Verhandlungen über die Zusammenarbeit zum Klimaschutz erwarte sie „ambitionierte Ergebnisse“ aufseiten der Rousseff-Regierung. Brasilien ist ein Schlüsselland, um im Dezember in Paris den Abschluss eines Weltklimavertrags für über 190 Staaten zu schaffen.

Rousseff hofft, dass der Besuch ihr auch innenpolitisch Rückenwind gibt, da sie wegen vieler wirtschaftlicher und politischer Probleme dramatisch an Zustimmung verloren hat. Zuletzt waren in Brasilien wieder 860.000 Menschen auf die Straße gegangen, die eine Ablösung der Präsidentin forderten (der Bayernkurier berichtete). Sie kreiden der linksgerichteten Regierungschefin die nicht enden wollende ökonomische und politische Krise sowie einen zu laschen Kampf gegen die ausufernde Korruption an.

(dpa/avd)