Warum Trump wieder gewinnen kann
Aus dem aktuellen BAYERNKURIER Magazin: Wie geht es 2020 weiter in den USA? Ein Blick auf Trump-Wähler, die 2016 den Ausschlag gaben. Und auf die Demokraten, die seither viel falsch machen. Die meisten Trump-Wähler hoffen auf weitere vier Jahre.
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Warum Trump wieder gewinnen kann

Aus dem aktuellen BAYERNKURIER Magazin: Wie geht es 2020 weiter in den USA? Ein Blick auf Trump-Wähler, die 2016 den Ausschlag gaben. Und auf die Demokraten, die seither viel falsch machen. Die meisten Trump-Wähler hoffen auf weitere vier Jahre.

Ein Todesfall entschied 2016 die US-Wahlen für Donald Trump. Der von Antonin Scalia, Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Am 13. Februar, ein Samstag,  wurde der knapp 80 Jahre alte Supreme Court-Richter bei einem Jagd-Ausflug in Texas morgens tot aufgefunden. Der Wahlkampf hatte ein neues Thema: die Besetzung des Obersten Gerichtshofes.

Trump reagierte geschickt und konnte Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen Wähler auf seine Seite ziehen. Besonders in jenen Staaten des Mittleren Westens, auf die es neun Monate später so ankommen sollte. Anderthalb Jahre vor der nächsten Präsidentschaftswahl lohnt ein Blick auf genau diese Wähler: Aktuellen Umfragen zufolge bleiben sie Trump treu.

Ein Richter gewinnt Wähler

Die neun Supreme Court-Richter werden vom Präsidenten nominiert und nach Zustimmung des Senats auf Lebenszeit berufen. Mit der Benennung eines eher konservativen oder eher liberalen Supreme Court-Richter kann ein Präsident die oberste Rechtsprechung des Landes auf lange, lange Zeit prägen. Das ist in jedem Präsidentschaftswahlkampf ein großes Thema, zumindest theoretisch. Erst recht wenn zwei Richter über 80 Jahre alt sind – wie das übrigens im nächsten Wahljahr 2020 wieder der Fall sein wird. Aber am 13. Februar 2016 wurde es konkret: Der nächste Präsident würde ganz gewiss einen neuen Obersten Richter ernennen.

Die Vakanz im Supreme Court sollte im Bewusstsein der Wähler eine große Rolle spielen − und die Kandidatin der Demokraten sorgte selber dafür, dass sie noch größer wurde.

Salena Zeto and Brad Todd, The Great Revolt

Trump nutzte die Chance, die ihm der Tod von Antonin Scalia in die Hände spielte. Am 18. Mai präsentierte er seine Kandidatenliste für die Scalia-Nachfolge – elf Bundes-Berufungsrichter und Oberste Richter in Bundesstaaten, acht Männer und drei Frauen, allesamt von republikanischen Präsidenten oder Gouverneuren berufen. „Auf der Liste stehen einige der extremsten Konservativen, die heute auf der Bundesrichter-Bank sitzen“, zitierte die US-Tageszeitung New York Times damals eine Stimme auf Seiten der Demokraten.

Trumps Kandidatenliste für den Supreme Court

Mit seiner Kandidatenliste für den Supreme Court traf Trump ins Schwarze. Und ganz besonders eben in jenen fünf Staaten des Mittleren Westens: Pennsylvania, Ohio, Michigan, Wisconsin und Iowa. Das berichten die Journalistin Salena Zito und der Meinungsforscher Brad Todd in einer klugen Detailstudie über „die große Revolte“ der Wähler in zehn entscheidenden Land- und Stadtkreisen in jenen fünf Staaten. Jahrzehntelang hatten die dort solide demokratisch gewählt. Im November 2016 sollten sie die Wahl für Trump entscheiden.

Ganz plötzlich begann ich überall Leute zu sehen, lebenslange Demokraten, die jetzt darüber sprachen, dass sie nicht Hillary wählen würden.

Neil Shaffer, Wähler in Howard County, Iowa

Plötzlich liefen Trump konservative Wähler regelrecht zu. Auch solche, die Trump, sein Lebenswandel und seine ungehobelte Sprache eigentlich hätten abstoßen müssen. Wie etwa evangelikale oder fundamentale Christen oder konservative katholische Wähler. Aber genau für die änderte die Richterliste eben alles: „Als er mit dieser Liste für den Supreme Court rauskam, war für mich alles klar – ich war dabei.“ So zitieren Zito und Todd etwa einen Wähler in Iowa.

Viele haben es ähnlich gesehen: 77 Prozent der Erwachsenen bezeichnen sich in Iowa  ganz bewusst als Christen. In Wisconsin sind es 71 Prozent. „Meine persönliche Unterstützung für Donald Trump hat nie auf gemeinsamen Werten beruht, sondern auf gemeinsamen Sorgen“, so eine andere, ebenfalls typische Wähleraussage im Mittleren Westen.

Frauen bewaffnen sich

Fast noch wichtiger: Die Richterliste brachte die Waffenlobby National Rifle Organisation (NRA) auf Trumps Seite. Schon Ende Mai erklärte sie sich für ihn. Die NRA wusste warum: Im Supreme Court konnte es schon bald um den Zweiten Verfassungszusatz und das von der Verfassung garantierte Recht zum Tragen von Waffen gehen. Das jedenfalls hatte Hillary Clinton schon früh im demokratischen Vorwahlkampf angekündigt.

Auch die NRA-Unterstützung sollte entscheidend werden. Und wieder bei Wählern, für die Trump eigentlich nicht hätte in Frage kommen können: Frauen. „Junge, gebildete Frauen, die sich schützen wollen und vor allem das Recht haben wollen, sich zu schützen – das ist eine regelrechte verborgene Bewegung.“ So erklärt es eine Wählerin in Michigan, natürlich Waffenbesitzerin.

Wir wissen jetzt, wie es Trump ohne die NRA ergangen wäre. Er hätte verloren.

The Weekly Standard

Die NRA hatte genau das herausgefunden: Unter Waffenbesitzern waren – und sind – Frauen die am stärksten wachsende Gruppe. Die Waffenlobby produzierte denn auch eigens TV-Werbespots, die Frauen im Mittleren Westen ansprechen sollten. „Das Recht auf Schusswaffenbesitz“, schreiben Zito und Todd, „war ein Schlüsselmotiv für jene Gruppe von Frauen, die für Trump am schwierigsten zu erreichen war – Frauen, die nicht durchweg Konservative waren.“ Landesweit haben sich denn auch 53 Prozent der weißen Wählerinnen 2016 für Trump entschieden. Mit 43 Prozent gewann Hillary Clinton in dieser Wählergruppe nur einen Prozentpunkt mehr als Barack Obama 2012. Dabei hatte sie sehr viel Wahlkampfgeld eingesetzt, um Frauen zu gewinnen. Vergeblich.

Um den Zweiten Verfassungszusatz

„Es ging immer nur darum, den zweiten Verfassungszusatz zu schützen“, sagt wieder eine Wählerin in Michigan. Und damit eben auch um den Supreme Court und die Nachfolge von Richter Antonin Scalia. Was die NRA den Wählerinnen auch nachdrücklich klar machte. Ein Umfrage-Ergebnis nach der Wahl: Für 88 Prozent der Wähler in den untersuchten Bundesstaaten war das Supreme Court-Thema „wichtig“ für ihre Wahlentscheidung, für Trump-Wähler sogar „besonders wichtig“.

Es ging immer nur darum, den Zweiten Verfassungszusatz zu schützen.

Dawn Martin, Wählerin in Lake County, Michigan

Erst recht für Wähler, die in jenen fünf Staaten seit Generationen demokratisch gewählt hatten. Denen machte ein weiterer Umstand die Entscheidung für Trump leichter: Der mehrfach zwischen Republikanern und Demokraten hin und her gependelte Baulöwe aus New York war alles andere als ein echter Republikaner. Im Vorwahlkampf haben ihm republikanische Mitbewerber regelrechten Verrat an republikanischen Idealen vorgeworfen. Und ihn damit erst wählbar gemacht für unabhängige Wähler, auch für solche, die zwei Mal Obama gewählt hatten. Besonders eben in den fünf entscheidenden Midwest-Staaten.

Kleiner Erdrutsch im Mittleren Westen

Tatsächlich hätte Hillary Clinton die Präsidentschaft gewonnen, wenn sich allein in Wisconsin, Michigan und Pennsylvania knapp 40.000 Wähler nicht für Trump, sondern für sie entschieden hätten. Auf den ersten Blick ein denkbar knapper Wahlausgang. Der zweite Blick zeigt etwas anderes: Gegenüber der Obama-Wahl 2012 hat Clinton allein in jenen drei Staaten fast 600.000 Stimmen verloren.

Trump hat nur 197 Landkreise mit weniger als 50.000 Einwohner verloren – und mehr als 1900 dieser Wahlkriese gewonnen.

Salena Zito and Brad Todd: The Great Revolt

Ein kleiner Erdrutsch. Was auch eine andere Zahl sagt: Von etwa 3100 US-Landkreisen hat Clinton nur 489 gewonnen. Ihr Mann Bill Clinton war 1996 noch auf 1526 Landkreise gekommen. Nicht untypisch etwa der Landkreis Luzerne (320.000 Einwohner) im Staate Pennsylvania: 2012 hatte Obama dort noch um fünf Prozentpunkte vorne gelegen. 2016 gewann ihn Trump mit 20 Punkten und 26.237 Stimmen Vorsprung – 60 Prozent seines Vorsprungs im ganzen Bundesstaat, der ihm 20 Wahlmänner brachte. Erstaunlich: Luzerne liegt gerade 200 Kilometer westlich von New York City. Trotzdem hat niemand wahrgenommen, was sich dort und anderswo in Pennsylvania anbahnte.

Treue Trump-Basis

Wie geht es 2020 weiter? Kann Trump sein neuartiges „Wählerbündnis aus Populisten und Konservativen“, wie Zito und Todd es nennen, halten? Oder wird sich der Zorn der Demokraten auf Trump durchsetzen und ihnen zum Sieg verhelfen? Der britische Meinungsforscher Michael Ashcroft Ist skeptisch. Auch er hat den Wählern in den Midwest-Staaten den Puls gefühlt, vor der Wahl und nach der Wahl, immer wieder. Der eher kleine demokratische Sieg bei den Zwischenwahlen 2018 gebe keinen Hinweis, schreiben übereinstimmend Ashcroft und das Autoren-Duo Zito/Todd: Die Bindung der Trump-Wähler gilt nicht den Republikanern, sondern vor allem Trump. Aber um den ging es 2018 nicht. Und so blieben viele Trump-Wähler zuhause.

Bis jetzt hat Präsident Trump die Erwartungen jener Wähler, die ihn ganz bewusst gewählt haben, und nicht nur um Hillary Clinton zu verhindern, weitgehend erfüllt oder sogar übertroffen.

Michael Ashcroft, Meinungsforscher und Publizist

Außerdem machen die Demokraten seit dem November 2016 alles falsch, was sie nur falsch machen können. Das liest jedenfalls Ashcroft aus den Antworten seiner Umfrage-Focus-Groups in den Midwest-Staaten heraus. Die Demokraten, meint er, denken kaum nach über die Gründe für ihre Niederlage. Sondern geben der Dummheit der Wähler die Schuld, den Medien oder russischer Einmischung. Ashcroft: „Solange die Demokratische Bewegung die Wahl so interpretiert, muss sie sich auf weitere Niederlagen gefasst machen.“

Fehler der Demokraten

Zudem unternehmen Ashcroft zufolge die Demokraten nichts, um jene Wähler zurück zu gewinnen, die sie an Trump verloren haben. Im Gegenteil: Die Trump-Wahl habe die Demokraten regelrecht radikalisiert, so Ashcroft. Sie rücken immer weiter nach links und verschärfen ihren linksliberalen Kulturkampf. Radikale Aktivisten bestimmen zunehmend den Kurs. Und weil die auch besonders zahlreich an Vorwahlen teilnehmen, werden sie womöglich den nächsten Präsidentschaftskandidaten der Demokraten bestimmen.

Die meisten Trump-Wähler − einschließlich einer klaren Mehrheit jener, die ihn 2016 nur zögernd unterstützt haben − hoffen schon auf vier weitere Jahre.

Michael Ashcroft

Problem: Genau vor den radikalen Demokraten-Aktivisten und ihren Kulturkampf-Themen sind 2016 viele alte Wähler der Demokraten geflohen, unabhängige Wähler sowieso. Jedenfalls in den Midwest-Staaten. Tatsächlich können die Demokraten – und ihre Anhänger – gar nicht auf die Trump-Wähler zugehen, meint Ashcroft. Denn sie werfen ihnen nicht nur eine falsche Wahlentscheidung vor, sondern halten sie für regelrecht bösartig. Ashcroft: „Ich glaube, dass die Trump-Wähler genau das spüren. Und sie werden nicht zu einer Partei zurückkehren, von der sie glauben, dass die sie gar nicht mag.“