Starke Botschaften in München
55. Münchner Sicherheitskonferenz: Bundeskanzlerin Angela Merkel rügt amerikanische Alleingänge. US-Vizepräsident Mike Pence fordert die Europäer auf, dem härten Kurs der USA gegen Iran und Russland zu folgen − und mehr für ihre Verteidigung zu tun.
Konferenz

Starke Botschaften in München

55. Münchner Sicherheitskonferenz: Bundeskanzlerin Angela Merkel rügt amerikanische Alleingänge. US-Vizepräsident Mike Pence fordert die Europäer auf, dem härten Kurs der USA gegen Iran und Russland zu folgen − und mehr für ihre Verteidigung zu tun.

Das war ein spannender deutsch-amerikanischer Austausch auf höchster Ebene auf der 55. Münchner Sicherheitskonferenz: Erst sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel. Unmittelbar nach ihr stand der amerikanische Vizepräsident Mike Pence auf dem gleichen Podium. Dabei kamen mitunter Auffassungsunterschiede deutlich zum Ausdruck.

Internationale Zusammenarbeit

Mit Blick auf Washington warnte Merkel etwa vor einem Zerfall der internationalen Strukturen: „Wir dürfen sie nicht einfach zerschlagen.” Merkel plädierte stattdessen für einen Ausbau der internationalen Zusammenarbeit. „Wir müssen in vernetzten Strukturen denken.”

Wir brauchen die Nato als Stabilitätsanker in stürmischen Zeiten.

Angela Merkel, Bundeskanzlerin

Sie riet Washington auch davon ab, sich vorschnell aus dem Bürgerkriegsland Syrien zurückzuziehen. „Ist es denn nun gut, jetzt aus Syrien sofort und schnell abzuziehen von Seiten der Amerikaner? Oder ist es nicht auch wieder eine Stärkung der Möglichkeiten des Iran und Russlands, dort Einfluss zu nehmen? Auch darüber müssen wir sprechen.”

Der Streitfall „Iran“

Das Atom-Abkommen mit dem Iran, das Washington gekündigt hat, will Merkel allerdings beibehalten: Diesen „kleinen Anker” müsse man nutzen, um auf anderen Gebieten gegenüber Teheran Druck zu machen.

Das iranische Regime befürwortet einen Holocaust und versucht ihn auch zu erreichen.

Mike Pence, US-Vizepräsident

US-Vizepräsident Pence dagegen forderte die Verbündeten erneut zum Rückzug aus dem Atomabkommen mit dem Iran auf. „Die Zeit für unsere europäischen Partner ist gekommen, an unserer Seite zu stehen.” Das iranische Regime befürworte einen neuen Holocaust „und versucht ihn auch zu erreichen”. Pence weiter, mit Blick auf Teheran: „Antisemitismus ist nicht nur falsch, er ist böse.”

Wie umgehen mit Russland?

Beim Streit über die Gaspipeline North Stream 2 verteidigte Merkel die deutsche Position. Die Kanzlerin sieht in Russland weiterhin einen Partner. Wenn man die Kontakte zu Russland kappe, überlasse man die Zusammenarbeit mit Moskau ganz China. Merkel: „Wir wollen auch ein bisschen an den Handelsbeziehungen teilnehmen.” Die Abhängigkeit Europas von russischem Gas hänge nicht davon ab, ob die Pipeline gebaut werde oder nicht.

Das sah der US-Vize deutlich anders. Er warnte die Europäer davor, sich von russischem Gas abhängig zu machen. „Wir können die Verteidigung des Westens nicht garantieren, wenn unsere Bündnispartner sich vom Osten abhängig machen.” Tatsächlich steht Washington mit der Haltung nicht alleine. Auch europäische Partner zeigen sich kritisch gegenüber dem deutsch-russischen Pipeline-Projekt. Denen dankte Pence in München und fügte hinzu:  „Wir möchten, dass auch andere Länder sich so positionieren.”

INF-Vertrag

Verständnis hatte Merkel dagegen für Washingtons Kündigung des INF-Vertrages über das Verbot von Mittelstreckenraketen: „Nach jahrelangen Verletzungen durch Russland ist diese Kündigung unabwendbar gewesen.” Im Juli wird das INF-Abkommen nun auslaufen. Um es vielleicht doch noch zu retten, rief die Kanzlerin in München China dazu auf, sich daran zu beteiligen.

Wir lehnen eine Multilateralisierung des INF-Vertrages ab.

Yang Jiechi, chinesisches Politbüro-Mitglied

Ein Wunsch, dem Peking aber prompt ein Absage erteilte: „Wir lehnen eine Multilateralisierung des INF-Vertrages ab”, erklärte das chinesische Politbüro-Mitglied Yang Jiechi kaum eine Stunde nach Kanzlerin Merkel vom gleichen Münchner Podium herab. China, das in der Krisenzone der Südchinesischen See eben auch auf Mittelstreckenwaffen setzt, will darauf nicht verzichten.

Kritik an US-Zöllen

Sehr deutlich kritisierte die Kanzlerin Washingtons Drohung, Sonderzölle auf deutsche Autos zu erheben. Wenn deutsche Autos „plötzlich eine Bedrohung der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika sind, dann erschreckt uns das”, sagte sie.

Das größte BMW-Werk steht im US-Bundesstaat South Carolina − nicht in Bayern.

Angela Merkel

„Diese Autos werden gebaut in den Vereinigten Staaten von Amerika“, erinnerte Merkel. Das größte BMW-Werk stehe im US-Bundesstaat South Carolina − „nicht in Bayern”. Hier vor allem dürfen die Deutschen gespannt sein, wie Washington das Thema schließlich behandeln wird.

Höhere Verteidigungshaushalte

Das war allgemein erwartet worden: Pence pochte erneut auf höhere Wehretats. In einer Selbstverpflichtung haben schon vor Jahren alle Nato-Verbündeten versprochen, bis 2024 ihre Verteidigungshaushalkte auf zwei Prozent ihrer jeweiligen Wirtschaftsleistung zu steigern. In München hat der US-Vize sie nachdrücklich daran erinnert: „Die Wahrheit ist: Viele unserer Nato-Partner müssen immer noch mehr tun.” Die Vereinigten Staaten, so Pence, erwarteten von jedem Nato-Mitglied einen glaubwürdigen Plan, wie das Zwei-Prozent-Ziel erreicht werden sollte.

Wir wissen, dass wir noch mehr tun müssen. Gerade wir Deutschen.

Ursula von der Leyen, Bundesverteidigungsministerin

Immerhin: Gar soweit auseinander sind Amerikaner und Deutsche hier nicht: Die Kanzlerin stellte bis 2025 eine weitere Steigerung der deutschen Verteidigungsausgaben auf 1,5 Prozent der Wirtschaftskraft in Aussicht. Tags zuvor, zum Auftakt der Sicherheitskonferenz, hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ganz offen zugegeben: „Wir wissen, dass wir noch mehr tun müssen. Gerade wir Deutschen.”

Nach von der Leyen hatte auch ihr britische Amtskollege Gavin Williamson auf höhere Militärausgaben der Nato-Staaten gedrängt: „Die Nato ist heute wichtiger denn je.” Das sah am Samstag auch die Bundeskanzlerin so: „Wir brauchen die Nato als Stabilitätsanker in stürmischen Zeiten.” Wird sie sich dann dem amerikanischen Wunsch lange entziehen können?

Starke Botschaft aus den USA

Merkels Eingeständnis deutete denn auch darauf hin, wie das alles ausgehen könnte zwischen den Europäern und den USA. Das ahnt jedenfalls die Neue Zürcher Zeitung am Sonntag. Angesichts ihrer schwachen Verteidigung könnten sich die Europäer gar nicht leisten, große geopolitische Reden zu halten, so das Schweizer Wochenblatt: „Wenn man vom militärischen Schutz der Amerikaner abhängig ist, wird man am Schluss auch das tun müssen, was sie fordern. Das ist Machtpolitik.“

Die Nato ist heute wichtiger denn je.

Gavin Williamson, britischer Verteidigungsminister

So ähnlich hat es womöglich auch der Vorsitzende der Sicherheitskonferenz, Botschafter Wolfgang Ischinger, gesehen. Sein knapper Kommentar zur Rede von US-Vize Mike Pence: „Was für eine starke Botschaft.“

(dpa/BK/H.M.)