Keine blaue Welle
Die politische Spaltung Amerikas verfestigt sich: Bei den Kongresswahlen hat US-Präsident Donald Trump zwar seine Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren. Im Senat dagegen konnten seine Republikaner ihre Mehrheit sogar ausbauen.
US-Midterms

Keine blaue Welle

Die politische Spaltung Amerikas verfestigt sich: Bei den Kongresswahlen hat US-Präsident Donald Trump zwar seine Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren. Im Senat dagegen konnten seine Republikaner ihre Mehrheit sogar ausbauen.

Die blaue Welle ist ausgeblieben. Eigentlich hätten die Zwischenwahlen in den USA zur ganz großen Abrechnung mit Präsident Donald Trump werden sollen. Das hatten sich die US-Demokraten – Blau ist ihre Parteifarbe – erhofft. Darauf hatten sie sich konzentriert. Und dafür hatten sie über eine Milliarde Dollar ausgegeben, mehr als je eine Partei für den Wahlkampf zu Zwischenwahlen.

Referendum über Trump?

Trump selber stand am Dienstag nicht zur Wahl. Aber ein Stück weit waren die Midterms eben auch ein Referendum über seine bisherige Amtszeit. Die Demokraten hatten den Wahlgang denn auch ganz offen zum Referendum über Trump erklärt. „In gewissem Sinne kandidiere ich auch”, hatte auch Trump zum Wahlkampfende am Montag vor jubelnden Anhängern in Cleveland im Bundesstaat Ohio augerufen. „Sie müssen wählen gehen.” Trump hatte gewarnt, im Falle eines Erfolgs der Demokraten würden sie seine Errungenschaften zunichte machen können.

Mehrheit im Abgeordnetenhaus verloren

Geworden ist aus dem Referendum über Trump ein kleiner, aber nicht unwichtiger Sieg der Demokraten: Im auf zwei Jahre gewählten 435 Sitze großen Abgeordnetenhaus konnten sie mindestens 28 Mandate hinzugewinnen und damit die Mehrheit erobern. Im Senat dagegen, wo alle zwei Jahre etwa ein Drittel der auf sechs Jahre gewählten 100 Senatoren zur Wahl stehen, ist es ihnen schlechter ergangen: Nur im Bundesstaat Nevada haben sie den Republikanern ein Senatorenmandat abnehmen können.

Dafür konnten die Republikaner in Florida, Indiana, Missouri und North Dakota zuvor demokratisch besetzte Senatorensitze erobern. Sie haben ihre Mehrheit in der zweiten Kammer des US-Kongresses von bisher 51 zu 49 auf mindestens 52 zu 46 Sitze ausgebaut. Zwei Wahlergebnisse waren auch am Donnerstag noch offen.

Glimpflich für Trump und die Republikaner

Für Zwischenwahlen − die traditionell zu einer Abrechnung mit der Partei des Präsidenten werden − sind Trump und die Republikaner sehr glimpflich davon gekommen. 39 Zwischenwahlen hat es seit dem Jahr 1862 gegeben, erinnert die US-Tageszeitung New York Times ihre Leser. In 35 davon hat die Partei des jeweils amtierenden Präsidenten Sitze im Abgeordnetenhaus verloren und in 24 solchen Wahlgängen auch im Senat. Deutliche Midterm-Zugewinne im Senat, wie sie Trump jetzt erzielte, sind selten.

Trump ist der vierte Präsident in Folge, der in Zwischenwahlen Mehrheiten verloren hat: 1994 verlor Präsident Bill Clinton beide Häuser des Kongresses. 2006 ging es George W. Bush ebenso. Barack Obama verlor 2010 in erdrutschartiger Niederlage 63 Mandate im Repräsentantenhaus und sechs im Senat.

Demokraten können jetzt blockieren

Der Verlust der Mehrheit im Abgeordnetenhaus wird Folgen haben für Präsident Trump: Eine demokratische Mehrheit kann die Gesetzgebung blockieren oder den Präsidenten Rechenschaft ablegen lassen. Das würde allerdings voraussetzen, dass die Demokraten als geschlossener Block abstimmen. Was nicht unbedingt der Fall sein muss. Ein Beispiel: Demokraten aus landwirtschaftlich geprägten Bundesstaaten können schlecht gegen Farm-Gesetze stimmen, die für ihre Wähler gut wären. Ähnlich gespalten sind Demokraten vor allem in ländlichen Gebieten, wenn es beispielsweise um eine Verschärfung der Waffengesetzgebung geht. Viel Raum für Trump, der sich gerne als großer Verhandlungskünstler präsentiert.

Eine Blockadepolitik birgt auch Risiken für die Demokraten. Weil der Wahlkampf für die Präsidentenwahl 2020 praktisch direkt nach dieser Zwischenwahl beginnt, könnte Trump sie dafür verantwortlich machen, wenn nichts mehr vorwärts geht. Schließlich könnte Trump − wie sein Vorgänger Barack Obama − seine Pläne per Dekret am Kongress vorbei durchboxen.

Wichtige Mehrheit im Senat

Entscheidend dagegen war es für Trump, für seine Partei die Mehrheit im Senat zu erhalten und gar noch auszubauen. Denn der Senat müsste mit Zweidrittel-Mehrheit über ein Absetzungsverfahren entscheiden. Und mit einfachen Mehrheiten etwa über die Personalentscheidungen des Präsidenten: Minister, oberste Richter, Botschafter. Trump behält hier weiter freie Hand. Was nicht zu unterschätzen ist: Mit der Veröffentlichung seiner Liste konservativer Kandidaten für den Obersten Gerichtshof, gelang es Trump 2016 bei konservativen Wählern wahlentscheidend zu punkten.

Der Ausbau der republikanischen Mehrheit wird es außerdem den Demokraten sehr schwer machen, bei den Wahlen im Jahr 2020 den Senat zurückzuerobern. Was Folgen für den nächsten Präsidentschaftswahlkampf hat: Ohne Senatsmehrheit könnten die Demokraten keine Wahlkampfversprechen realisieren, selbst wenn es ihnen in zwei Jahren gelänge, das Weiße Haus zurück zu erobern.

Verfestigtes Trump-Lager

Nach der Wahl ist vor der Wahl – vor der nächsten Präsidentschaftswahl 2020. Die Midterms 2018 lassen ahnen, dass sich das Trump-Lager verfestigt. Die Demokraten haben ihre vier Senatoren verloren in Staaten, die Trump 2016 mit zweistelligen Vorsprüngen gewonnen – und jetzt gehalten – hat. Dafür haben allerdings die Demokraten 17 Abgeordnetenhausmandate in Wahlkreisen erobert, die 2016 an Trump gegangen waren. Auch hier verfestigt sich ein Bild: Großstadt-Regionen und deren Vorstädte gehören den Demokraten, eher ländliche und kleinstädtische Wahlkreise, von denen es eben sehr viele gibt, den Republikanern.

Trost für die Demokraten: Die Republikaner führen mit 26 Gouverneuren noch immer eine Mehrheit der Bundesstaaten. Aber die Demokraten konnten sieben Gouverneure hinzugewinnen. Darunter die in den Bundesstaaten Michigan und Wisconsin, die für Trumps Sieg 2016 so entscheidend waren. Kein gutes Omen für die Demokraten ist dagegen, dass Republikaner den Gouverneursposten in Florida, dem wichtigsten all jener Swing States, die regelmäßig Wahlen entscheiden, knapp behalten konnten. Ein Gouverneur kann in seinem Bundesstaat viel tun für den Präsidentschaftskandidaten seiner Partei. Und auf Floridas 29 Wahlmännerstimmen wird es auch 2020 wieder ganz entscheidend ankommen.

Hohe Wahlbeteiligung

Aufschlussreich ist schließlich auch die für Zwischenwahlen vergleichsweise hohe Wahlbeteiligung. Dem Sender CNN zufolge haben dieses Jahr 113 Millionen Menschen gewählt − etwa 48 Prozent der Wahlberechtigten. Bei den Zwischenwahlen vor vier Jahren waren es nur rund 83 Millionen oder 37 Prozent. Die Demokraten haben versucht, ihre blaue Welle herbei zu mobilisieren. Vergeblich. Trump hat dagegen gehalten mit einem Midterm-Wahlkampf, so intensiv wie ihn Präsidenten selten führen: Mit Dutzenden riesigen Kundgebungen überall im Land – in elf Bundesstaaten allein in den letzten acht Tagen vor der Wahl. Mit dem unermüdlichen Wahlkämpfer Trump werden die Demokraten auch 2020 sehr rechnen müssen. (dpa/BK/H.M.)