Schließt Italien seine Häfen?
Italiens neue Regierung macht Ernst: Rom schließt seine Häfen für ein NGO-Rettungsschiff und schickt es nach Malta. Innenminister Matteo Salvini droht mit weiteren Hafenschließungen. Hintergrund: Migranten wollen auf keinen Fall nach Malta.
Mittelmeer

Schließt Italien seine Häfen?

Italiens neue Regierung macht Ernst: Rom schließt seine Häfen für ein NGO-Rettungsschiff und schickt es nach Malta. Innenminister Matteo Salvini droht mit weiteren Hafenschließungen. Hintergrund: Migranten wollen auf keinen Fall nach Malta.

Erstmals hat Italien einem Rettungsschiff mit Flüchtlingen die Einfahrt in einen Hafen verwehrt. Die „Aquarius” von „Ärzte ohne Grenzen“ und „SOS Méditerranée“ harrte am Montag zunächst weiter im Mittelmeer zwischen Italien und Malta aus − an Bord Hunderte Migranten, die am Wochenende aus selbst und bewusst herbeigeführter Seenot „gerettet” worden waren.

Rom macht ernst

Die Machtdemonstration der neuen italienischen Regierung − allen voran Innenminister Matteo Salvini − soll vorführen, dass Italien in der Migrationskrise künftig harte Hand zeigen wird.

Italien fühlt sich von seinen europäischen Partnern seit langem mit der Bewältigung der Flüchtlingskrise allein gelassen. Derzeit kommen zwar deutlich weniger Migranten in Italien an, der neuen Regierung aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega sind es aber immer noch zu viele.

NGO-Rettungsschiff darf nicht einlaufen

Nachdem am Wochenende laut der Internationalen Organisation für Migration insgesamt rund 1420 Migranten im Meer gerettet worden waren, nahm die Regierung in Rom Malta am Sonntag in die Pflicht: Der Inselstaat müsse die „Aquarius” mit 629 geretteten Migranten in den Hafen von Valletta einlaufen lassen. „Die Insel kann nicht weiter wegschauen, wenn es darum geht, internationale Übereinkommen zum Schutz von Menschenleben und Zusammenarbeit zwischen den Staaten einzuhalten”, teilten das Innen- und Transportministerium mit.

Von heute an wird auch Italien ‚Nein‘ sagen zu Menschenhandel und zum Geschäft der illegalen Einwanderung.

Matteo Salvini, Italiens Innenminister

Doch Malta lenkte zunächst nicht ein − und ließ wissen, dass man der „Aquarius” keinen Hafen zuweisen werde. Dies zeige zum wiederholten Mal den Unwillen von Malta „und damit auch von Europa, einzuschreiten und sich des Notstands anzunehmen”, schrieb der italienische Regierungschef Giuseppe Conte auf Facebook.

Wenige Migranten nach Malta

In der Tat kommen seit langem nur noch wenige im Mittelmeer gerettete Migranten auf Malta an. Waren es laut UNHCR 2013 noch rund 2000 Menschen, ging die Zahl in den Folgejahren rapide nach unten. 2017 erreichte sie mit 23 Menschen einen Tiefstand. Im gleichen Zeitraum landeten an Italiens Küsten unter Anweisung der zentralen Seenotrettungsleitstelle in Rom 119.310 Menschen an − und das, obwohl Malta näher an der Such- und Rettungszone vor Libyen liegt als Sizilien.

2016 flammten Spekulationen über einen „Geheimdeal” zwischen Rom und Valletta auf, wonach Italien vor Malta nach Öl bohren dürfe und im Gegenzug Migranten ins eigene Land bringe. Offiziell wurde nie erklärt, warum mittlerweile so gut wie keine Geretteten mehr nach Malta gebracht werden. Allerdings ist die Insel weniger als halb so groß wie Berlin. Hilfsorganisationen fürchten, dass Aufnahmezentren nicht ausreichend ausgestattet sind für eine Ankunftswelle.

Migranten wehren sich gegen Rettung aus Malta

Es gibt eine andere, einfachere Erklärung für die geringe Zahl von „geretteten” Migranten auf der Insel Malta: Die afrikanischen Migranten wollen gar nicht von der maltesischen Küstenwache aufgenommen werden und wehren sich sogar dagegen. Denn die Migranten wollen unbedingt vermeiden, nach Malta zu kommen.

Sie sehen die maltesische Flagge und brüllen unseren Seeleuten zu, sie passieren zu lassen, weil sie nicht auf die Insel gebracht werden wollen.

Oberstleutnant Andrew Mallia, Kommandeur der maltesischen Küstenwache

Als Begründung geben die Flüchtlinge ganz offen an: „Wenn wir in Malta landen, kommen wir nie nach Nordeuropa.“ Sie wären sozusagen auf der Insel Malta gestrandet, ohne Aussicht, von dort den europäischen Kontinent und die EU-Sozialstaaten erreichen zu können. Das berichtete schon im April 2015 der damalige Kommandeur der maltesischen Küstenwache, Marine-Oberstleutnant Andrew Mallia, in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung La Repubblica: „Die Wahrheit ist, dass die Flüchtlinge sich weigern, sich von uns retten zu lassen.“ Der Bayernkurier berichtete.

Schließung der italienischen Häfen für Rettungsschiffe?

Jetzt wird Spanien die rund 600 Flüchtlinge an Bord des von Italien abgewiesenen Rettungsschiffs „Aquarius” aufnehmen. Das teilte die Regierung des neuen sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez am Montag Nachmittag mit. Das Schiff dürfe im Hafen von Valencia an der Ostküste Spaniens anlegen, um − so Sánchez wörtlich − eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Zuvor hatte Verena Papke von SOS Méditerranée in Berlin gewarnt: „Wir sind nicht darauf ausgerichtet, Geflüchtete mehrere Tage an Bord zu versorgen. Vier Tage waren das längste, was wir mal machen mussten.”

Italien hat aufgehört, den Kopf zu beugen und zu gehorchen, dieses Mal gibt es jemanden, der Nein sagt.

Matteo Salvini, Italiens Innenminister

Aber damit ist die grundsätzliche Frage nicht geklärt. Vermutlich wird die „Aquarius” nicht das einzige Schiff bleiben, das von Italien abgewiesen wird. „Unser Schiff Sea-Watch 3, das sich ebenfalls in einer Rettungsmission befindet, könnte schon heute in eine ähnliche Situation kommen“, teilte die deutsche Organisation Sea-Watch mit.

Tatsächlich will Rom hart bleiben. „Malta lässt niemanden herein, Frankreich weist Menschen an der Grenze zurück, Spanien verteidigt seine Grenzen mit Waffen”, schrieb Innenminister Salvini auf Facebook. „Von heute an wird auch Italien ‚Nein‘ sagen zu Menschenhandel und zum Geschäft der illegalen Einwanderung.” Auf Twitter ließ der Innenminister eine noch deutlichere Drohung folgen: „Italien hat aufgehört, den Kopf zu beugen und zu gehorchen, dieses Mal gibt es jemanden, der ‚Nein‘ sagt.” (dpa/BK/H.M.)