Europa auf dem Prüfstand. Dreitägige Klausurtagung der EVP-Fraktion in München mit EVP-Fraktionschef Manfred Weber und Bundeskanzlerin Angela Merkel. (Bild: EVP)
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Selbstbehauptung Europas

Interview EVP-Fraktionschef Manfred Weber zieht die Bilanz der EVP-Klausurtagung in München: Europa muss sein Schicksal selbst in die Hand nehmen. Wenn es Rom gelingt, die illegale Migration zu stoppen, hat es im Europaparlament die Unterstützung der EVP.

Herr Weber, Ihre EVP-Fraktion traf sich zur dreitägigen Klausurtagung in München. Welche Bilanz ziehen Sie nach der Tagung?

Von der Fraktionstagung der Europäischen Volkspartei (EVP) in München geht ein Aufbruchsignal aus. Wir müssen Europa zu den Menschen zurückbringen und andererseits Europa insgesamt stärken, Stichwort Verteidigung, Außenpolitik, Sicherheit und Migration. Europa muss sein Schicksal selbst in die Hand nehmen. Das zeigt das Ergebnis des G7-Gipfels mehr denn je. Der gesamte Westen steht unter Druck. Deshalb müssen wir innerhalb Europas Brücken bauen. Wenn sich Nord und Süd beim Euro, West und Ost bei der Migration oder Ost und Süd bei den Finanzen zerstreiten, wird ganz Europa Verlierer sein. Nur gemeinsam können wir erfolgreich sein. Sonst werden wir im Spiel der globalen Mächte untergehen.

Wir müssen in der Außenpolitik weg kommen vom Einstimmigkeitsprinzip, sonst werden wir als internationaler Akteur keine Rolle mehr spielen.

EVP-Fraktionschef Manfred Weber

„Den europäischen way of life schützen“ hieß es im ersten Tagesordnungspunkt. Wolfgang Ischinger, Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, und Kardinal Reinhard Marx sprachen darüber. Ging es dabei um Sicherheitspolitik oder um Wertefragen?

Der „European Way of Life“, das europäische Lebensmodell, ist einzig auf der Welt. Demokratie, Rechtstaatlichkeit, Aufklärung, die Gleichheit von Mann und Frau, ein soziales Wirtschaftsmodell, der Schutz der Schöpfung − das sind alles Punkte, die es zusammen nur in Europa gibt. Wenn wir wollen, dass dieser Lebensstil angesichts des Drucks aus Russland, China oder den USA überlebt, bleibt zur europäischen Kooperation keine Alternative. Die Selbstbehauptung Europas ist die zentrale Aufgabe der Zukunft. Das spielt dann in alle Themen hinein, auf Basis unserer gemeinsamen europäischen Werte. Zum Beispiel müssen wir in der EU-Außenpolitik mehr Handlungsfähigkeit bekommen. Das heißt dann konkret, dass wir weg vom Einstimmigkeitsprinzip kommen müssen, sonst werden wir als internationaler Akteur keine Rolle mehr spielen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat über „die größten Herausforderungen für Europa in den nächsten Jahren“ gesprochen – welche sind das Ihrer Meinung nach?

Unsere Bundeskanzlerin hat bei der EVP-Fraktion ihre europapolitischen Grundsätze definiert und damit Orientierung für die Diskussion in den kommenden Monaten gegeben. Um an Handlungsfähigkeit und Souveränität zu gewinnen, müssen wir Europäer erst einmal unsere eigenen Herausforderungen lösen. Das sind ein gemeinsamer Weg zur Kontrolle und Begrenzung der Migration, eine langfristige Stabilisierung des Euro oder die sachgerechte Finanzausstattung der EU. Hier braucht es in absehbarer Zeit Lösungen. Und den Weg dorthin hat die Bundeskanzlerin gewiesen.

„Unsere Erfolge für Europa“, lautet ein weiterer Tagesordnungspunkt. Auf welchen Erfolg der im nächsten Jahr zu Ende gehenden Legislaturperiode ist die EVP-Fraktion besonders stolz?

Wir haben als Parlamentarier in den vergangenen Jahren geliefert. Wir haben beim Thema Migration die gesetzlichen Grundlagen zur Stärkung des EU-Außengrenzenschutzes beschlossen und den EU-Grenzschutz Frontex gestärkt. Genauso sind die ersten Schritte für die Verteidigungsunion festgelegt worden, etwa der Aufbau eines gemeinsamen militärischen Hauptquartiers der EU oder die Einrichtung eines Verteidigungsfonds, um in der Rüstungsforschung oder Beschaffung gemeinsam agieren zu können. Zudem haben wir große Schritte zur Regulierung der Digitalisierung im gemeinsamen Markt oder der Banken gemacht. Nicht zuletzt hat die EU die Trendwende weg von immer mehr Bürokratie in allen Details, hin zu der Konzentration auf die großen Themen geschafft.

Wenn Matteo Salvini damit Ernst macht, die Migration an den EU-Außengrenzen in Italien endlich konsequent zu kontrollieren und illegale Migration zu stoppen, dann hat er unsere Unterstützung.

EVP-Fraktionschef Manfred Weber

Wichtigstes Europa-Thema ist derzeit wohl Italien. Was ist ihre größte Sorge, wenn Sie auf die neue Populisten-Regierung in Rom schauen?

Der Wahlkampf in Italien und die Erfolge teils radikaler Parteien machen Sorge. Wir respektieren aber das Ergebnis der Wahlen und der Regierungsbildung. Die neue Regierung hat eine Chance verdient, wenngleich wir aufmerksam verfolgen, was dort passiert. Wir sind offen zur Zusammenarbeit. Europa beruht auf Partnerschaft und die erhoffe ich mir auch von der neuen italienischen Regierung. Gleichzeitig hat sich in den letzten Wochen gezeigt, dass die demokratischen Institutionen in Italien funktionieren. Und das zeichnet ja gerade die Demokratie in Europa aus.

Italiens neuer Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini war 14 Jahre lang einer Ihrer Straßburger Parlamentskollegen. Was würden Sie ihm sagen, wenn Sie ihn demnächst wiedersehen sollten?

Matteo Salvini war im Europäischen Parlament eher unauffällig, weil er sich sehr stark auf die italienische Innenpolitik konzentriert hat. Ich bin gespannt, was er als Innenminister bei den zentralen Fragen Migration und Sicherheit erreichen kann. Wenn er damit Ernst macht, die Migration an den EU-Außengrenzen in Italien endlich konsequent zu kontrollieren und illegale Migration zu stoppen, dann hat er unsere Unterstützung. Interessant wird, ob er seinen markigen Worten Taten folgen lassen kann. Daran werden wir ihn messen.