Demonstration gegen das neue Wahlrecht: Giancarlo Cancelleri, Kandidat der Fünf-Sterne-Bewegung für das Amt des sizilianischen Regionalpräsidenten. Er wurde bei der Wahl Zweiter. (Bild: Imago/Zuma/Giuseppe Ciccia)
Italien

Italien vor der Selbstblockade

Italiens Ex-Premier Matteo Renzi kämpft um seine Rückkehr in den Regierungspalast. Aber bei der Wahl im März muss seine bröckelnde Demokratische Partei gleich gegen zwei populistische Gegenspieler antreten: Die Fünf-Sterne-Bewegung und Berlusconi.

Italien hat wieder eine Alternative. So sieht es jedenfalls Italiens dreifacher Ex-Premier, Milliardär, Medienmogul und unschlagbarer Rückkehrer Silvio Berlusconi. „Wir sind die einzige Alternative“, tönte er am 6. November, dem Tag nach der Regionalwahl in Sizilien. Tatsächlich könnte die Wahl in Sizilien der Beginn einer neuen Ära sein für Berlusconi und der Anfang neuer Sorgen für Italien – und Europa.

Böses Omen vier Monate vor der nächsten Wahl

Der Wahlabend in Sizilien hatte ein krachende Niederlage gebracht für die in Rom – noch – regierende Demokratische Partei (18,5 Prozent). Und mit 39,85 Prozent einen regelrechten Triumph für den Gouverneur-Kandidaten des von Berlusconi zusammengezimmerten neuen Rechtslagers aus Forza Italia, der Rechtsaußen-Partei Lega Nord, die in Sizilien lieber ohne das „Nord“ angetreten ist, und weiteren Rechtsaußenparteien.

Berlusconi in der Pole-Position.

Neue Zürcher Zeitung

Berlusconis neuem Parteien-Bündnis gelang es sogar, die in fast allen landesweiten Umfragen führende populistische Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo mit 34,65 Prozent auf Rang zwei zu verweisen. Prompt stilisierte sich Berlusconi mit seiner Parteien-Formation als Italiens Bollwerk gegen den Populisten Grillo: „Wir haben dafür gesorgt, dass Sizilien nicht in die Hände der Fünf-Sterne-Bewegung gefallen ist.“ Nichts anderes meinte er auch mit seinem Wort von der „einzigen Alternative“.

Vier Monate vor der nächsten Wahl, vermutlich am 4. März 2018, ist Italiens politische Landschaft wieder einmal in Bewegung – und driftet auf die Selbstblockade zu. Denn aktuelle Umfragen  sehen ähnlich aus wie das Wahlergebnis in Sizilien.

Wir sind die einzige Alternative.

Silvio Berlusconi

Im Ranking der Einzelparteien liegt die populistische Fünf-Sterne-Bewegung mit bis zu 29 Prozent vorne, gefolgt von der Demokratischen Partei mit etwa 25 Prozent. Berlusconis rechtes Parteienbündnis kommt landesweit auf mindestens 33 Prozent: darin die Forza Italia auf 15,6 und die Lega Nord auf knapp 14 Prozent. „Berlusconi in der Pole-Position“, titelte nach der Sizilien-Wahl die Neue Zürcher Zeitung. Dabei ist es geblieben.

Zerfallendes Linkslager

Großer Verlierer ist die regierende Demokratische Partei (PD). Ihr Chef, Ex-Premier Matteo Renzi, gibt sich gelassen: „Ein Parteiführer lässt sich nicht von Umfragen einschüchtern. Er kämpft die offene Feldschlacht, Mann gegen Mann.“ Mit harten Angriffen auf die politischen Gegner, vor allem Berlusconi, versucht er das Blatt zu wenden und visiert die 40 Prozent-Marke an.

Aber davon ist seine Demokratische Partei weit entfernt. Vor einem Jahr musste Renzi als Premierminister zurücktreten, als seine Verfassungsreform im Referendum durchfiel – nicht zuletzt weil führende PD-Politiker zum „Nein“ aufgerufen hatten. Seither bröckelt seine Mitte-Links-Sammelpartei, die einmal alte Christdemokraten und Postkommunisten zusammenführen wollte.

Ein Parteiführer lässt sich nicht von Umfragen einschüchtern.

Matteo Renzi, PD-Chef

Im Februar spaltete sich der linke Flügel mit Ex-Parteichef und Renzi-Widersacher Luigi Bersani samt etwa 50 Abgeordneten und Senatoren als „Bewegung der Demokraten und Fortschrittler“ (MDP) ab. Am 3. Dezember schloss sich die MDP mit anderen Linksparteien zur Linksaußen-Sammelpartei „Frei und Gleich“ zusammen. Geführt wird die neue Formation vom  ehemaligen Mafia-Jäger und aktuellen Senatspräsident Piero Grasso, auch ein ehemaliger PD-Führer. „Frei und Gleich“ kann im März mit bis zu sieben Prozent der Stimmen rechnen.

Am vergangenen 30. April konnte der ehemalige Christdemokrat Renzi zwar die Ur-Wahl um den Vorsitz der Rest-PD klar für sich entscheiden. Aber das macht die Sache nicht einfacher. Denn die linken Abspalter wollen sich auf keine Koalition mit Renzi an der Spitze einlassen. Renzi wiederum will Bersani und Grasso nicht weichen, weil er weiß, dass die Linken nicht nur ihn, sondern auch alle seine Reformen beiseite fegen wollen.

Zersplitterte Parteienlandschaft

Italiens ohnehin zersplittertes Parteiensystem löst sich auf, beinahe jedenfalls. Zu Beginn der aktuellen Legislaturperiode saßen zehn Parteien im Parlament. Jetzt sind es mehr als doppelt so viele. Denn italienische Abgeordnete sind Weltmeister im Fraktionswechsel, wie jetzt die Londoner Wochenzeitung The Economist vorrechnet: In den vergangenen vier Jahren haben von 954 Abgeordneten und Senatoren immerhin 342 insgesamt 533 Mal Fraktions- und Parteizugehörigkeit gewechselt. Politische Stabilität sieht anders aus.

Ob das eben verabschiedete neue Wahlrecht die Lage bessert, muss sich zeigen: Bei der Wahl im März müssen Einzelparteien eine Drei-Prozenthürde nehmen, Parteienbündnisse eine Zehn-Prozent-Hürde. 36 Prozent der Abgeordneten werden dann direkt gewählt. Aber die Wähler haben trotzdem nur eine Stimme – für eine einzige Liste, die die jeweilige Parteiführung bestimmt.

Nur Renzis PD ist pro-europäisch

Die Sizilien-Wahl, der letzte Test vor der Parlamentswahl, ist da kein gutes Omen. Im neuen Parlament werden wohl drei etwa gleichstarke Blöcke dominieren, die sich dann nur gegenseitig blockieren können. Mit Renzis PD als kleinstem der drei Akteure.

Was für die Europäische Union zum Problem werden könnte: Denn nur Renzi und seine Demokratische Partei sind das, was man pro-europäisch nennt. Die Lega Nord und Grillos Fünf-Sterne-Bewegung sind schon als erklärte Euro-Gegner aufgetreten. Für Brüssel kann das heißen: Das italienische Problem kommt zurück. Die Londoner Tageszeitung Financial Times zitiert einen italienischen Politik-Beobachter, der sich trotzdem um Optimismus bemüht: „Wenn den Wählern klar wird, dass sie nur die Wahl haben zwischen Berlusconi und Grillo, dann überlegen sie es sich vielleicht und merken, dass Renzi gar keine so schlechte Option ist.“