Martin reist nach Utopia
Bis 2025 will Martin Schulz die „Vereinigten Staaten von Europa“ erzwingen. Ein derartiger Verfassungsvertrag ist allerdings schon einmal gescheitert. Die Bürger wollen kein Phantasie-Europa, sondern eine dezentrale EU, die die großen Probleme löst.
EU-Reform

Martin reist nach Utopia

Kommentar Bis 2025 will Martin Schulz die „Vereinigten Staaten von Europa“ erzwingen. Ein derartiger Verfassungsvertrag ist allerdings schon einmal gescheitert. Die Bürger wollen kein Phantasie-Europa, sondern eine dezentrale EU, die die großen Probleme löst.

Schwer vorzustellen: Die Europäische Union ohne Frankreich und ohne die Niederlande. Aber genau so wäre es gekommen, wenn 2005 bei der Ratifizierung des damaligen EU-Verfassungsvertrages schon die Europa-Regeln von Martin Schulz gegolten hätten. Bis 2025 will der SPD-Chef über einen neuen Verfassungsvertrag die „Vereinigten Staaten von Europa“ herstellen. Mitgliedsstaaten, die dann dem Verfassungsvertrag nicht zustimmen, sollen, so Schulz, „automatisch“ die EU verlassen müssen.

Am 29. Mai und am 1. Juni 2005 lehnten erst die Franzosen und dann die Niederländer genau so einen Verfassungsvertrag mit 54,7 und 69,3 Prozent Nein-Stimmen ab. Das bedeutet: Frankreich und die Niederlande wären heute schon seit zwölf Jahren aus der EU draußen. Sechs weitere Mitgliedsländer hatten nach den Ergebnissen ihre Referenden damals schnell abgesagt. An die Stelle des gescheiterten Verfassungsvertrages trat 2007 der Vertrag von Lissabon, der die EU-Verträge nicht ersetzen, sondern nur ändern sollte. In Frankreich musste man eigens die Verfassung ändern, um den Vertrag von Lissabon ohne Referendum ratifizieren zu können. Präsident Nicolas Sarkozy nahm es auf sich und wusste warum. In Irland, wo das Referendum dennoch zwingend war, sagten am 12. Juni 2008 53,4 Prozent der Wähler „Nein“. Erst bei einer zweiten Abstimmung, über ein Jahr später, ließen sich 67,1 Prozent der irischen Wähler zum „Ja“ überreden.

Starke EU-Skepsis

Seither sind die EU-kritischen Stimmen nicht wirklich leiser geworden, ganz im Gegenteil. Im Juni 2016 ergab eine Umfrage des Washingtoner Pew Research Centers in zehn EU-Ländern, dass dort nur 51 Prozent der Befragten eine positive Meinung von der EU hatten – in Frankreich nur 38 und in Deutschland 50 Prozent. Nur 27 Prozent der Griechen, 38 Prozent der Franzosen und 47 Prozent der Spanier haben eine vorteilhafte Meinung von der EU. Ausgerechnet in Polen (72) und Ungarn (61) war damals die EU-Zustimmung am größten. Die Umfrage möchte man dort heute lieber nicht wiederholen.

Auch mit Blick auf solche Zahlen sagen Beobachter, das Brexit-Votum habe nur darum noch keine Nachahmer gefunden, weil in den Euro-Ländern die Wähler Angst davor haben, ihre Ersparnisse in einem Euro-Exit-Chaos zu verlieren. Im französischen Präsidentschaftswahlkampf hat jedenfalls genau diese Angst die EU-Gegnerin Marine Le Pen viele Stimmen gekostet. Noch ein spannendes Pew-Umfrageergebnis: Nur 19 Prozent aller befragten Europäer wollten 2016 mehr Kompetenzen an die EU-Kommission in Brüssel übertragen sehen. Noch die meiste Zustimmung gab es dafür in Frankreich – mit gerademal 34 Prozent. Die Formel von der „immer engeren Union“, macht den Menschen also nicht Hoffnung, sondern eher Angst.

Schulz auf dem Irrweg

Außer Martin Schulz und einigen verbohrten rot-grünen EU-Ideologen will niemand etwas von den „Vereinigten Staaten von Europa” hören, außerhalb Deutschlands schon gleich gar nicht. So verführerisch schön die Formel manchen auch klingen mag. Und wohl nur zum Zweck der Verführung nimmt Schulz sie in den Mund. Weit kommen wird er damit bei den Bürgern trotzdem nicht. Denn die wollen kein utopisches Phantasie-Europa, sondern ein Europa und eine Europäische Union, die die Probleme von heute und morgen löst: Arbeitslosigkeit (EU-Durchschnitt 8,9 Prozent), Schuldenberge, ausufernde Staatsausgaben. Und eine Antwort findet auf Europas Problem der Probleme: der Migrationsdruck aus Afrika. Auf dem Nachbarkontinent wird in den nächsten acht Jahren die Bevölkerung um mindestens 300 Millionen Köpfe wachsen. Das ist Europas Problem von 2025, nicht der Traum – oder Wahn – von den „Vereinigten Staaten von Europa“.