Am "Deutschen Eck": Auffahrt auf die A8 an der Grenze bei Salzburg. Millionen Österreicher pendeln über deutsche Autobahnen in Richtung Innsbruck und retour. (Foto: Imago/M. Müller)
Verkehr

Maut-Mauler vor Gericht

Im Endspurt des österreichischen Wahlkampfs kündigt SPÖ-Verkehrsminister Jörg Leichtfried eine Klage gegen die deutsche Pkw-Maut vor dem Europäischen Gerichtshof an. Das Berliner Verkehrsministerium beharrt jedoch auf der Abgabe.

Im Streit um die deutsche Pkw-Maut wird Österreich eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einbringen. Die geplante Einführung der Maut sei diskriminierend, begründete Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) in Wien den Schritt. „Das ist eine reine Ausländer-Maut.“ Die EU-Kommission habe sich davor gedrückt, Deutschland die Stirn zu bieten. Österreich gehe nun voran, sagte Leichtfried. Ein von der Regierung in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten bescheinigt gute Aussichten auf einen Erfolg vor Gericht.

Gegen Diskriminierung

Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung für die für 2019 geplante Einführung der Maut. Dies müsste eigens beantragt und vor Gericht bewilligt werden. Aus Sicht der Regierung in Wien spricht nichts grundsätzlich gegen die Einführung eines Maut-Systems – auch Österreich hat ja ein solches eingeführt. Dass am Ende nur Ausländer zahlten, sei aber nicht mit den Grundwerten der EU vereinbar, hatte Leichtfried in der Vergangenheit mehrfach betont. „Ich kämpfe auch für eine Europäische Union, die eine Solidargemeinschaft ist“, so Leichtfried.

Das ist eine reine Ausländer-Maut.

Jörg Leichtfried, Verkehrsminister Österreich

Die Ankündigung der Klage fällt in Österreich in das Wahlkampffinale. Die Alpenrepublik wählt am Sonntag ein neues Parlament. Ende März hatte der Bundesrat in Berlin den Weg für die Einführung einer Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen und Bundesstraßen freigemacht und ein dafür vom Bundestag beschlossenes Gesetzespaket passieren lassen. Eigentlich war die Maut schon 2015 beschlossen worden. Da Brüssel kurz darauf ein Verfahren wegen der Verletzung von EU-Recht gegen Deutschland eröffnete, wurden die Gesetze aber bisher nicht umgesetzt.

EU hat keine Einwände

Die EU ließ ihre Einwände fallen, nachdem Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt das Modell an einigen Stellen geändert hatte. So werden mehr Kurzzeit-Tarife für Fahrer aus dem Ausland angeboten. Dobrindt wies Vorwürfe Österreichs mehrfach als „Ösi-Maut-Maulerei“ zurück. Sein Ministerium beharrt auch nach Leichtfrieds Klage-Ankündigung auf der Rechtmäßigkeit der Pkw-Maut. Die EU-Kommission habe bereits vor Monaten grünes Licht gegeben und ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingestellt, sagte ein Ministeriumssprecher. „Die Ausschreibungen für das Mautsystem laufen. Die Maut kommt.“

Österreichs Scheinheiligkeit könnte Eigentor werden

Angesichts der österreichischen Klage gibt der verkehrspolitische Sprecher der CSU-Europagruppe, Markus Ferber, zu bedenken: „Sollte die deutsche Maut vor dem EuGH fallen, fallen andere Mautsysteme in Europa auch. Ein Urteil des EuGHs wird also Klarheit für eine Reihe von europäischen Mautsystemen schaffen.“ Es würden hier Kriterien an die deutsche Maut angelegt, mit denen „zum Beispiel auch das österreichische Mautsystem keine Chance auf Bestand“ hätte, so Ferber. „Denn auch in Österreich gab es mit der Einführung der Maut eine Erleichterung der österreichischen Autofahrer – nämlich durch die Erhöhung der Pendlerpauschale.“

Die Maut kommt.

Bundesverkehrsministerium

Das Thema Maut könnte auch innerhalb Deutschlands noch zu einem Streitpunkt bei Koalitionsverhandlungen werden. Die Grünen und die FDP sind dagegen, die Linken und die AfD ebenso. Die SPD will die Lkw-Maut nicht auf Fahrzeuge unter 7,5 Tonnen ausdehnen, da dies vor allem Handwerksbetriebe belasten würde. Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel bekennt sich zur Einführung der Maut und sagt, kein deutscher Autofahrer werde mehr belastet.

Das von Österreich angestrebte Verfahren vor dem EuGH dauert im Schnitt rund eineinhalb Jahre. Auch die Niederlande und Tschechien hatten bereits großen Unmut über die Pläne Berlins geäußert. Unklar war aber zunächst, ob sich noch andere Anrainer-Staaten der Klage anschließen wollten.

Pendeln über das „Große Deutsche Eck“

Schätzungen zufolge wären in Österreich 1,8 Millionen Pendler von der deutschen Maut betroffen. Viele Österreicher in grenznahen Gebieten nutzen täglich die deutsche Autobahn als schnellste Verbindung zwischen den Großräumen Innsbruck und Salzburg. Eine durchgehende innerösterreichische Autobahnverbindung zwischen Salzburg und Tirol gibt es nicht.

(dpa)