Bayerischer Landtag: Exekutiv-Treffen des Auswärtigen Ausschusses der International Democrat Union. (Bild: Bayerischer Landtag)
IDU-Treffen

Trump und seine Wähler

Spannendes Thema für das Treffen des Außenpolitik-Ausschusses der International Democrat Union (IDU) in München: Donald Trumps Wahlsieg und seine politischen Lehren. Die amerikanischen Wähler wollten den politischen Wandel und wussten ganz genau, was sie taten, sagt der britische Meinungsforscher Lord Ashcroft.

US-Präsident Barack Obama (55) scheidet am Freitag aus dem Amt. Donald Trump (70) wird sein Nachfolger, nach einer heftig umkämpften Wahl gegen die Konkurrentin Hillary Clinton. Die Demokratin ging als haushohe Favoritin ins Rennen und unterlag dennoch dem politischen Quereinsteiger. Über die Gründe für diesen Erfolg hat nun die International Democrat Union (IDU) in München gesprochen, eine 1983 gegründete weltweite Arbeitsgemeinschaft von mehr als 80 konservativen und christdemokratischen Parteien. Aktueller Vorsitzender ist der neuseeländische Premierminister John Key.

Die amerikanischen Wähler haben am vergangenen 8. November genau gewusst, was sie getan haben. Die These vertrat beim Treffen der International Democrat Union (IDU) in der neuen CSU-Landesleitung in München sehr überzeugend der britische Konservative und versierte Meinungsforscher Lord Ashcroft. Sein Unternehmen Lord Ashcroft Polls begleitet seit zwölf Jahren britische Wahlkämpfe. Die außergewöhnliche Präsidentschaftswahl zwischen Donald Trump und Hillary Clinton hat ihn im vergangenen Jahr in die USA gezogen. In den Wochen vor der Wahl haben er und seine Leute 32 sogenannten Focus Groups ausgehorcht und die Wähler-Denke genauer untersucht – nicht zufällig genau in jenen sieben Swing States, die dann die Wahl entscheiden sollten: Wisconsin, North Carolina, Virginia, Pennsylvania, Arizona, Florida und Ohio. Nur Michigan hat gefehlt. Aber dort lagen die Verhältnisse sehr ähnlich wie in den benachbarten Bundesstaaten Wisconsin und Ohio. Unmittelbar vor der Wahl hat Lord Ashcroft denn auch richtig gelegen: Er hat für möglich gehalten, dass Hillary Clinton zwar auf nationaler Ebene die Wahl gewinnt, aber im Wahlmänner-Gremium verliert.

Donald Trump stand für den Wandel, den viele Wähler unbedingt wollten

Warum haben die US-Umfragen in den Swing States so dramatisch falsch gelegen und die Zustimmung für Trump um bis zu sechs Prozentpunkte unterschätzt? Die Umfrage-Institute haben schlicht weiße Wähler ohne College-Abschluss nicht genug berücksichtigt oder deren Entschlossenheit, zur Wahl zu gehen, unterschätzt, meint Lord Ashcroft: Denn je größer in einem Bundesstaat der Anteil dieses Wähler-Segments war, desto falscher waren dort stets die Umfrageprognosen.

Trumps Schwächen zeigten den Wählern nur, dass er eben kein Politiker war und auch gar nicht versuchte, sich wie einer zu benehmen.

Lord Ashcroft

Eine große Rolle gespielt hat auch die weitverbreitete Fehleinschätzung, Trump-Wähler seien allesamt Verrückte und Fanatiker oder Dummköpfe, die sich leicht betrügen und hinters Licht führen ließen. Ganz falsch, meint Ashcroft: Die Wähler in seinen Focus Groups haben über die beiden Kandidaten und ihre Fehler sehr klar gesehen und sind „mit weit offenen Augen“ in die Wahlkabinen marschiert.

Trumps charakterliche Schwächen waren den Wählern nur zu bekannt. Aber Trumps Fehler zeigten ihnen nur, dass er eben kein Politiker war und auch gar nicht versuchte, sich wie einer zu benehmen – was den Wählern nur recht war. Trumps politische Ziele wurden als eher unscharf erkannt. Aber die Wähler waren sich dafür sicher, dass er ihre Prioritäten teilte und eine neue Richtung einschlagen würde. Trumps Weigerung, sich politisch korrekt zu verhalten, empfanden die Wähler als frischen Luftzug. Insgesamt stand Trump unbestreitbar für den Wandel, den seine Wähler unbedingt wollten.

Hillary Clintons angebliche Stärken waren ihre Schwächen

Clintons Stärken dagegen, die sie als so viel qualifizierter hätten erscheinen lassen sollen, waren den Trump-Wählern regelrechte Schwächen, gar Fehler: Sie hatte politische Erfahrung, eben „weil sie die ultimative Washington-Insiderin war, die Verkörperung des politischen Establishments, das so viele Leute loswerden wollten“, so Lord Ashcroft. Wenn Clinton wohlvorbereitet sprach, erschien sie den Trump-Wählern als programmiert und unaufrichtig, laut Ashcroft: „als Politikerin halt“. Nach einer Fernsehdebatte formulierte es ein Wähler für Lord Ashcroft Polls folgendermaßen: „Er steht da oben, um zu zeigen, wer Trump ist; sie, um zu zeigen, wer diese geschliffene Politikerin ist – die dann erst hinter dem Vorhang ihr wahres Gesicht zeigt.“ Dass Clinton Trump-Wähler öffentlich als „hoffnungslose Fälle von Rassisten und Schwulenhassern“ abtat, hat ihr nicht geholfen.

Wir wissen, dass wir mit Hillary keinen Wandel kriegen. Viele Leute sagen deswegen: Lasst es uns einfach riskieren.

Wähler in Ohio

Am Schluss fanden einfach genügend Wähler in genügend Swing State-Wahlkreisen, dass man über Trumps persönliche Fehler eher hinwegsehen könnte als über Clintons größten politischen Fehler: ihrer Zugehörigkeit zum Washingtoner Establishment. Ganz entscheidend war dabei der weit verbreitete Wunsch nach politischem Wandel. „Wir wissen, dass wir mit Hillary keinen Wandel kriegen. Viele Leute sagen: Lasst es uns einfach riskieren. Wir werden viel Mist hinnehmen müssen, aber vielleicht kriegen wir ja mit Trump ein paar Dinge geregelt“, zitiert Ashcroft einen Wähler in Ohio. Interessant: Nicht einmal Trumps wildeste Unterstützer erwarten, dass er die Mauer an der mexikanischen Grenze wirklich baut. Ashcroft: „Die meisten hielten die Mauer für eine Metapher oder für seine Art zu betonen, dass er vorhatte, härter gegen illegale Einwanderung vorzugehen.”

Blick in die Zukunft

Wie geht es nun nach der Wahl politisch weiter in Amerika? Tatsächlich erlaubt Ashcrofts Blick auf Trumps Wählerschaft auch eine Antwort auf diese Frage. Ashcrofts Analyse zufolge teilt sich die Basis der republikanischen Wähler in zwei Gruppen: erstens in einen republikanischen Mainstream aus orthodoxen Mitterechts-Konservativen und zweitens in sehr konservative und evangelikale Wähler, die Ashcroft als „Fox-News-Aktivisten“ bezeichnet. Darüber hinaus ist es Trump gelungen, in weniger gebildeten und wirtschaftlich abgehängten Schichten weitere Wähler zu gewinnen, die sich zuvor eher nicht politisch engagiert hatten.

Die drei Segmente in dieser neuen republikanischen Wähler-Koalition sind sich nicht in allem einig. Was sie verbindet, ist der Zorn auf Washingtons gegenwärtige Einwanderungspolitik – und dazu vor allem eben Donald Trump. Erhellend sind die Antworten auf zwei Statements, die Ashtons Team den Trump-Wählern vorlegten: „Die republikanische Partei versteht die Probleme von Leuten wie mir.“ Oder: „Donald Trump ist ein Republikaner, den ich respektiere und unterstütze.“ Ergebnis: Unter Wählern aller drei von Ashcroft klassifizerten Republikaner-Segmente war die Unterstützung für Trump deutlich höher als das Vertrauen auf die republikanische Partei.

Trump ist ihr Mann, und solange sie glauben, dass er auf ihrer Seite ist, werden sie zu ihm halten.

Lord Ashton

Ashtons Schlussfolgerung: Trump hatte mehr Wählerwirkung als die Republikanische Partei – ein starkes politisches Pfund, mit dem Trump wuchern kann, wenn es einmal darauf ankommt. Für Trumps Wähler sind die republikanischen Unterhausabgeordneten und Senatoren im Zweifelsfall nur Teil des politischen Establishments, das sie kräftig durchgeschüttelt sehen wollen.

Es lohnt sich, auf die Wähler zu hören. Denn sie und nicht die Politiker entscheiden darüber, worum es bei einer Wahl geht. Die Wähler werden sich so oder so Gehör verschaffen, und dann kann es Überraschungen geben.

Lord Ashton

Wenn es über einem Thema zum Konflikt zwischen dem Präsidenten und den Republikanern im Kongress kommt, dann werden sich die republikanischen Wähler darum auf Trumps Seite schlagen, sagt Ashton voraus. Was auch der Grund dafür ist, dass er nicht glaubt, dass irgendwelche sogenannten Skandale Präsident Trump so schnell etwas anhaben und seine Wähler gegen ihn aufbringen können: „Er ist ihr Mann, und solange sie glauben, dass er auf ihrer Seite ist, werden sie zu ihm halten.“

Lord Ashtons Lehre für die konservative Parteienfamilie der International Democrat Union: „Es lohnt sich, auf die Wähler zu hören. Denn sie und nicht die Politiker entscheiden darüber, worum es bei einer Wahl geht. Die Wähler werden sich so oder so Gehör verschaffen, und dann kann es Überraschungen geben.“