Bayerische Spezialitäten kommen gut an in Japan: Landwirtschaftsminister Helmut Brunner bei der Eröffnung des Bayernmarktes in Fukuoka. (Bild: StmELF)
Bayern und Japan

Einladung aus Tokio

Bayern ist in Japan populär, bayerische Exportprodukte kommen sehr gut an. Für die Exportwirtschaft des Freistaats ist noch viel Luft nach oben – besonders auf dem Agrarsektor. Bayern und Japan wollen jetzt die gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen ausbauen. Im Oktober flogen erst Europaministerin Beate Merk und dann Landwirtschaftsminister Helmut Brunner in das Inselreich: Besuch bei Freunden.

Das war eine spannende Doppel-Expedition des Freistaats: Erst reiste Mitte Oktober Europaministerin Beate Merk nach Japan. Ziel der Reise: Ausbau der Beziehungen zwischen Bayern und dem zweitwichtigsten Handelspartner des Freistaats in Asien. Schon in der Woche darauf flog auch Landwirtschaftsminister Helmut Brunner mit dreißigköpfiger Delegation nach Tokio, um den Export bayerischer Lebensmittel nach Japan anzukurbeln.

Wir haben gar nichts gegen enge Beziehungen zwischen Bayern und China. Aber wir wünschen uns auch intensive Beziehungen zwischen Bayern und Japan.

Japanischer Diplomat

Zwei Bayernwochen in Japan in nur einem Monat. Kein Zufall. Zwischen Bayern und Japan tut sich etwas. Die beiden Reisen waren keine Türöffner-Reisen im klassischen Sinne. Denn in Japan sind die Türen für Bayern schon lange sperrangelweit offen. Tatsächlich ist die Initiative für die beiden bayerischen Missionen sozusagen von Japan ausgegangen, jedenfalls ein bisschen. In Tokio ist man sich sehr bewusst, in Deutschland und eben auch in Bayern sozusagen im Schatten Chinas zu stehen. „Wir haben gar nichts gegen enge Beziehungen zwischen Bayern und China“, übermittelte im vergangenen Frühjahr ein japanischer Diplomat nach München. „Aber wir wünschen uns auch intensive Beziehungen zwischen Bayern und Japan.“

China ist ein schwieriger Partner, wir warnen vor zu viel Abhängigkeit.

Japanischer Diplomat

Zur freundlichen Einladung aus Tokio kam ein Rat aus jahrhundertealter japanischer China-Expertise: „China ist ein schwieriger Partner, wir warnen vor zu viel Abhängigkeit.“ Was auch der Grund dafür ist, dass japanische Unternehmen derzeit versuchen, ihre Abhängigkeit von China zu reduzieren: Japanische Investitionen in China sinken deutlich.

Bayerns fünftgrößter Handelspartner außerhalb der EU

Völlig unrecht haben die Japaner da sicher nicht. Zudem könnten die Voraussetzungen für einen Aufschwung der bayerisch-japanischen Beziehungen besser kaum sein. Nicht zuletzt, „weil wir das Gefühl haben, zu Freunden zu kommen“, so Brunner in Tokio. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Freistaat und Asiens wichtigster Demokratie sind schon hervorragend und entwickeln sich immer besser: Mit einem bilateralen Handelsvolumen von 6,3 Milliarden Euro war Japan 2015 Bayerns fünftgrößter Handelspartner außerhalb der EU. Schöne Erfolgspointe für die Bayern: Während ganz Deutschland mehr aus Japan importierte, als es dorthin exportierte, verzeichnete der Freistaat mit Japan-Exporten über 3,3 Milliarden Euro einen Handelsbilanzüberschuss von fast einer halben Milliarde. Japan steht auf Platz 16 der bayerischen Exportrangliste.

Bayern ist für japanische Unternehmen der beliebteste Standort in Deutschland.

Europaministerin Beate Merk

1500 bayerische Firmen haben Geschäftsbeziehungen zu Japan, rund 130 bayerische Unternehmen sind mit einer Niederlassung in Japan vertreten, 23 haben dort eigene Produktionsstätten. Umgekehrt ist Bayern für japanische Unternehmen der beliebteste Standort in Deutschland mit inzwischen 430 japanischen Unternehmen im Freistaat. Tendenz steigend: Während im wirtschaftlich stagnierenden Nordrhein-Westfalen die japanische Präsenz stabil bleibt, ziehen Bayern und Baden-Württemberg immer mehr japanische Unternehmen an, vor allem eben Bayern: 2015 hat der Freistaat mit 3,1 Milliarden Euro fast ein Fünftel aller japanischen Direktinvestitionen in Deutschland angezogen. So hat der Technologiekonzern Fujitsu sich als Standort für seine deutsche Niederlassung und für das modernste Computerwerk in Europa Augsburg ausgesucht, wo es mit mehr als 1500 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber der Region ist.

Attraktiver Markt – besonders auf dem Agrarsektor

Japan ist ein attraktiver Partner. Die jahrzehntelange Stagnationsphase scheint – hoffentlich – überwunden: 2015 wuchs Japans Wirtschaft um 0,6 Prozent, die auch dieses Jahr erwartet werden. Die Staatsverschuldung von 250 Prozent (Griechenland: 186) klingt bedrohlich. Aber Japans Schulden sind zu 90 Prozent Inlandsschulden und das Land zahlt darauf nur 0,05 Prozent Zinsen – noch weniger als Deutschland. In der Regierungszeit von Premierminister Shinzo Abe ist die Arbeitslosigkeit von 4,2 auf 3,2 Prozent gesunken – Vollbeschäftigung. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist so niedrig wie nie seit 20 Jahren.

Nur 40 Prozent der in Japan konsumierten Lebensmittel stammen aus dem eigenen Land.

Landwirtschaftsminister Helmut Brunner

Das reiche Land mit der neuntgrößten Bevölkerung der Erde (127 Millionen) ist ein traumhafter Markt – besonders auf dem Agrarsektor: Japan produziert nur 40 Prozent seiner Lebensmittel selbst. Die jüngere Generation ist stark westlich orientiert. Die Kaufkraft ist hoch. Japaner legen Wert auf Qualität und geben im Durchschnitt 25 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus (Deutschland: 11). Mit Ausfuhren im Wert von 60 Millionen Euro ist Japan schon jetzt Bayerns fünftgrößter Agrar-Exportmarkt außerhalb der EU. Wichtigstes Exportprodukt: Hopfen gefolgt von Milchprodukten und Zucker.

Die Absatzchancen für unsere bayerische Land- und Ernährungswirtschaft in Japan sind noch längst nicht ausgeschöpft – hier gibt es noch Luft nach oben.

Helmut Brunner

Landwirtschaftsminister Helmut Brunner: „Da ist Luft nach oben.“ Sein Bayern-Empfang in Tokio und die Bayernwochen mit Oktoberfest in Fukuoka – die Hafenstadt auf der südlichen japanischen Hauptinsel Kyushu ist mit 1,55 Millionen Einwohnern etwas größer als München – waren volle Erfolge: Japanische Importeure und Handelsvertreter standen Schlange für Lebensmittelspezialitäten aus Bayern.

Es ist nicht falsch, bei Japanern von einer kleinen Bayern-Begeisterung zu sprechen: Von 1,2 Millionen japanischen Übernachtungen in Deutschland entfällt ein Viertel auf Bayern. Seit dem Sommer ist der japanische Deutschland- und Bayerntourismus allerdings zurückgegangen: Die Terrorgefahr in Europa ist für die sicherheitsgewohnten Japaner ein Thema – auch für Vertreter der Wirtschaft. Ein Zweck der Reise von Ministerin Merk war es, Bayern in Tokio als sicheres Reiseland zu präsentieren.

Japans erzwungene Energiewende

Überhaupt finden bayerische und deutsche Angelegenheiten in Japan starke Beachtung. Kein Wunder, beide Länder stehen vor ähnlichen Herausforderungen, so Brunner: „Bayern und Japan sind beide rohstoffarm und daher auf Innovationen und Entwicklung angewiesen, und wir müssen Antworten auf den demographischen Wandel finden.“ Bei der Weiterentwicklung der ländlichen Räume will Japan von Bayern lernen, sagt Japans Staatsminister für Landwirtschaft Ken Saito – sein Gegenbesuch in München ist offenbar schon beschlossene Sache.

Von 54 japanischen Kernkraftwerken sind seit der Tsunami-Katastrophe von Fukushima nur noch zwei am Netz.

Große Aufmerksamkeit spüren deutsche Besucher in Tokio bei den Themen Migrantenkrise und Energiewende. Der deutsche Umgang mit dem Thema Migration erstaunt die Japaner. Beim Thema Energie haben sie das Bedürfnis, ein Missverständnis aufzuklären: Anders als manchmal berichtet, baut Japan derzeit keine neuen Kernkraftwerke. Von 54 japanischen Kernkraftwerken sind seit der Tsunami-Katastrophe von Fukushima nur noch zwei am Netz. Alle anderen wurden runtergefahren. In der öffentlichen Diskussion geht es jetzt um fünf der abgeschalteten Kraftwerke, die wieder hochgefahren werden sollen. Fünf oder sechs Kraftwerke, die vor Fukushima kurz vor der Fertigstellung standen, werden vielleicht fertig gebaut. Aber der Neubau von Kernkraftwerken ist derzeit in Japan „praktisch unvorstellbar“, betont ein japanischer Diplomat.

Bis 2030 sollen wieder 20 Prozent des japanischen Strombedarfs aus Kernkraftwerken kommen, wofür es dann etwa 30 Kernkraftwerke bräuchte.

Japan hat seine totale Energiewende 2013 sozusagen über Nacht vollzogen – vollziehen müssen. Was ein Problem ist. Denn vor Fukushima deckten jene 54 AKWs 30 Prozent der japanischen Stromversorgung. Bis 2030 sollen wieder 20 Prozent des japanischen Strombedarfs aus Kernkraftwerken kommen, wofür es dann etwa 30 Kernkraftwerke bräuchte – „ein ehrgeiziges Ziel“, sagt der schon zitierte Diplomat. Seit Fukushima sei Japan massiv auf den Import von Öl und Gas angewiesen, was der Exportnation fast über Nacht ein Handelsbilanzdefizit beschert habe: „Langfristig können wir solche Importkosten nicht tragen. Darum müssen wir wieder AKWs anfahren.“

Die Energiefrage in Japan bleibt offen. Wer hier etwas anzubieten hat, dem winken Exporterfolge.

Paradox: Zwei Drittel der Japaner sind zwar gegen das Wiederanfahren, aber nicht für den Ausstieg aus der Kernkraft. Alle wissen: „Langfristig brauchen wir Kernkraft.“ Japans Potential für erneuerbare Energien wird auf drei Prozent beziffert – ohne Wasserkraft, die es dort schon länger gibt. Windenergie ist schwierig in dem gebirgigen und dicht besiedelten Land, das von tiefen Küstengewässern umgeben ist – oft zu tief für Offshore-Anlagen. Botschaft für Deutschland und Bayern: Die Energiefrage in Japan bleibt offen. Und wer hier etwas anzubieten hat, dem winken Exporterfolge.

Japanische Schule und Japanischer Club in München

„Das täte auch deutschen Schulen gut“, denkt sich der deutsche Lehrer-Gast beim Besuch der charmanten kleinen Japanischen Internationalen Schule in München (JISM). Wie alle Schüler und alle Lehrer soll auch der Besucher eine Straßenschuhe gegen Pantoffeln austauschen: höchst effektive Erziehung zur Sauberkeit.

In dem hübschen dreigeschossigen Schulgebäude hinter dem alten jüdischen Friedhof in der Thalkirchener Straße unterrichten 26 Lehrer 200 japanische Kinder in neun Jahrgangsstufen nach japanischem Lehrplan. Zu den „Grundlagen und Leitlinien“ der Schule gehört ganz prominent die „Förderung der Selbstbeherrschung“. Deutsche Besucher bestaunen denn auch regelmäßig die disziplinierte und dabei völlig unbeschwerte Lernatmosphäre in den elf Klassenzimmern.

Die 1994 gegründete Schule ist in Bayern als Ersatzschule anerkannt. Die Regierung von Oberbayern steuert die Hälfte der Schuleinnahmen bei, die andere Hälfte fließt der Schule über ein Schulgeld von monatlich 330 Euro zu. Die Lehrer werden von Tokio bezahlt, fünf deutsche Deutschlehrer mit dem Schwerpunkt Deutsch für Ausländer von der Regierung von Oberbayern.

Unterrichtsschwerpunkt ist in allen neun Klassenzügen der Japanisch-Unterricht, gefolgt von Mathematik und Naturwissenschaft, letzteres ab der 3. Klasse. Immer dabei: Werken und Kunst sowie Ethik. Die Schüler müssen wöchentlich fünf Stunden Deutschunterricht erhalten. Das Schuljahr richtet sich nach dem japanischen Schulkalender: Es beginnt im April und endet im März.

Die Schule ist stark in Münchens japanische Community eingebunden, aus deren Familien alle Schüler kommen. Eine wichtige Rolle spielt dabei neben der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in Bayern der Japan Club München e.V. Ehrenvorsitzender dieser einzigen öffentlichen japanischen Organisation in München ist immer der amtierende japanische Generalkonsul. Der 1979 gegründete Japan Club München mit 500 Privat- und 100 Firmenmitgliedern bemüht sich derzeit darum, im Münchner Leben sichtbarer in Erscheinung zu treten. Seit 1991 organisiert der Japan Club München in der Japanischen Schule einmal im Jahr ein Wohltätigkeitsbasar, dessen Erlös immer einem Münchner sozialen Zweck zufließt: 2015 gingen so 5800 Euro an Bildungseinrichtungen und Projekte der Landeshauptstadt im Bereich Flüchtlingshilfe, 2014 kamen 5400 Euro zusammen für die Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München. Auf dem immer gut besuchten Bazar – dieses Jahr am 12. November – erfreuen sich japanische kulinarische Spezialitäten besonders starker Nachfrage. Besondere Attraktion: ein großer Kühllaster, der aus den Niederlanden japanisch zubereiteten Fisch und Fischspeisen anfährt – er wird immer leer.