Was genau wollen Spaniens Wähler? Die Frage war bei der Parlamentswahl im vergangenen Dezember unbeantwortet geblieben. Sechs Monate ohne gewählte Regierung waren die Folge. Jetzt haben Spaniens Wähler wieder gesprochen – und immerhin klar gesagt, was sie auf keinen Fall wollen: eine sozialistische oder gar linkspopulistische Regierung noch dazu mit den Kommunisten. Die Wähler sind sogar noch weiter gegangen und haben jetzt immerhin einen echten Wahlsieger gekürt: Mariano Rajoy, der für seine Volkspartei (PP) 14 Mandate hinzugewann und sie mit 137 von 350 Abgeordneten auch dieses Mal zur stärksten Fraktion machte. Damit bleibt die PP zwar von der absoluten Mehrheit weit entfernt, aber sie kann sich immerhin wieder auf genau ein Drittel der Wähler stützen. Wer weiß, womöglich haben sich Spaniens Wähler auch an den Gedanken an eine geschäftsführende Regierung gewöhnt, unter dem seriösen Mariano Rajoy, den sie inzwischen so gut kennen.
Sozialisten-Chef Pedro Sanchez hatte schon im Dezember das schlechteste Ergebnis der Parteigeschichte geliefert – und das jetzt noch unterboten.
Alle anderen haben nur verloren. Auch das ist eine klare spanische Wähler-Botschaft. Die Sozialisten (PSOE) rutschten zwar wider Erwartens nicht auf Rang Drei. Aber mit 22,7 Prozent der Stimmen gewannen sie nur 85 Mandate, fünf weniger als zuvor. Parteichef Pedro Sanchez hatte schon im Dezember das schlechteste Ergebnis der Parteigeschichte geliefert – und das jetzt noch unterboten.
Für Podemos und Kommunisten blieb es bei den gemeinsamen 71 Mandaten.
Eine Enttäuschung muss die nicht nur linkspopulistische, sondern eindeutig linksradikale neue Protestpartei Podemos verschmerzen. Um die Sozialisten als zweitstärkste Fraktion zu verdrängen, hatte sie sich mit der kommunistischen Linksunion verbunden. Das Manöver brachte keinen Gewinn: Für Podemos und Kommunisten blieb es bei den gemeinsamen 71 Mandaten. Den größten Verlust verzeichnete die liberale Protestpartei Ciudadanos, die von 40 auf 32 Mandate sank. Das war die Quittung dafür, dass sie nach der Wahl im Dezember versucht hatte, mit den Sozialisten eine Koalitionsregierung zu bilden. Ehemalige Volkspartei-Wähler haben den Liberalen das übel genommen und sind jetzt zur PP zurückgekehrt.
Sozialisten: Aus Angst vor Podemos keine Koalition mit der Volkspartei
„Wir haben die Wahl gewonnen und wir nehmen für uns das Recht in Anspruch, zu regieren“, betonte Rajoy, derzeit geschäftsführender Ministerpräsident, am Wahlabend mit einigem Recht: „Ab morgen müssen wir mit allen sprechen, und das werden wir tun.“ Wie das ausgeht, ist offen. Sicher ist, dass nun auf die Sozialisten der Druck steigt, sich auf eine große Koalition mit der konservativen Volkspartei einzulassen. Vor der Wahl hat Sozialisten-Chef Sanchez mehrfach betont, auf keinen Fall mit der PP koalieren zu wollen. Andeutungen vom Wahlabend gehen in die gleiche Richtung: Die Wähler wollten den Wandel und die Sozialisten seien „die stärkste Kraft des Wandels“, so Sanchez und sprach vom Kampf für die „Wiederherstellung eines sozialen, demokratischen und liebenswürdigen Europa“. Die Sozialisten sind noch im Wahlkampf-Modus gegen die linkspopulistische Podemos. Kein Wunder, sagen Beobachter: Wenn die Sozialisten sich zur Koalition mit Rajoys PP verstehen, dann überlassen sie Podemos sozusagen das ganze linke Lager. Die Sozialisten wollen keine Wiederwahl Rajoys mittragen – „weder aktiv noch passiv“ – hieß es denn auch am Tag nach der Wahl aus dem PSOE-Vorstand.
Ciudadanos: vom Wähler bestraft für die versuchte Koalition mit den Sozialisten.
Nur rein rechnerisch möglich wäre eine Dreiekoalition aus Sozialisten, Podemos und Ciudadanos gegen Rajoys PP. Aber neben dem Linkskonkurrenten Podemos geht es für die Sozialisten eben um Sein oder Nichtsein. Ausschlusskriterium für Sozialisten wie Liberale ist zudem, dass Podemos Kataloniens Forderung nach einem Unabhängigkeitsreferendum unterstützen will.
Als Ausweg eine konservativ-liberale Regierung?
Bleibt die Koalition aus PP und liberalen Ciudadanos, der dann mit 169 Mandaten nur noch sieben weitere Sitze zur absoluten Mehrheit fehlten. Mit den Stimmen von Abgeordneten kleiner Regionalparteien könnte es knapp zur Regierungsbildung reichen. Problem: Wegen der PP-Korruptionsaffären hat Ciudadanos-Chef Albert Rivera jede Zusammenarbeit mit PP-Chef Rajoy ausgeschlossen und verlangt dessen Rücktritt von der Parteiführung. Aber nach Rajoys Wahlsieg ist das keine aussichtsreiche Forderung.
Keine knappe Minderheitsregierung, sondern eine sehr schwache, die für jede Abstimmung auf sehr viele Oppositionsstimmen oder Enthaltungen angewiesen wäre.
Wenn die Sozialisten sich nicht noch besinnen und auf eine große Koalition einlassen, bleibt die Option einer konservativen Minderheitsregierung – keiner knappen, sondern einer sehr schwachen, die für jede Parlamentsabstimmung auf sehr viele Oppositionsstimmen oder sehr viele Enthaltungen angewiesen wäre.
Auf nochmalige Neuwahlen werden es die Linksparteien kaum ankommen lassen.
Am 19. Juli wird das neu gewählte Parlament zusammentreten. König Felipe VI. wird danach – eine Frist gibt es dafür nicht – einen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs vorschlagen, ziemlich sicher Mariano Rajoy. Der neue Premier muss dann mit absoluter oder im zweiten Wahlgang mit einfacher Mehrheit gewählt werden. Scheitert er zwei Mal und gelingt innerhalb zweier Monate auch keinem anderen Kandidaten die Wahl, dann muss der König Neuwahlen ausrufen lassen. Alle drei Linksparteien werden es sich genau überlegen, ob sie es darauf ankommen lassen. Denn aller Voraussicht nach würde dabei nur einer gewinnen: Mariano Rajoy.