Grüner wird Präsident in Österreich
Der Grünen-Politiker Alexander Van der Bellen entschied die Präsidentenwahl in Österreich hauchdünn für sich. Erst mit einem Tag Verzögerung und nach Auszählen aller Briefwahl-Stimmen lag das Ergebnis vor. FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hat seine Niederlage bereits eingeräumt. Seine Partei will eine Anfechtung der Wahl prüfen.
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Grüner wird Präsident in Österreich

Der Grünen-Politiker Alexander Van der Bellen entschied die Präsidentenwahl in Österreich hauchdünn für sich. Erst mit einem Tag Verzögerung und nach Auszählen aller Briefwahl-Stimmen lag das Ergebnis vor. FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hat seine Niederlage bereits eingeräumt. Seine Partei will eine Anfechtung der Wahl prüfen.

Der von den Grünen unterstützte Kandidat Alexander Van der Bellen hat die Bundespräsidentenwahl in Österreich knapp gewonnen. Das teilte Innenminister Wolfgang Sobotka in Wien nach Auszählung der Briefwahlstimmen mit. Auf den 72-jährigen früheren Wirtschaftsprofessor entfielen demnach 50,3 Prozent der Stimmen. Der unterlegene Kandidaten der rechtspopulistischen FPÖ, der 45-jährige Norbert Hofer, kam auf 49,7 Prozent.

Van der Bellen lässt Grünen-Mitgliedschaft ruhen

„Dieses Ergebnis ist eine umso größere Verantwortung“, sagte Van der Bellen in einem ersten Statement am gestrigen Abend. Er wolle, dass das Augenmerk nicht auf die Polarisierung der zwei Lager, sondern auf die Politisierung der Bevölkerung gelegt werde. Das große Interesse an der Wahl werte er als positives Zeichen. „Man kann den Gleichstand auch so sehen: Es sind zwei Hälften, die Österreich ausmachen – und beide sind gleich wichtig.“  Van der Bellen sagte, er wolle für eine anderen Umgang und eine neue Gesprächskultur in der Politik werben. So wie es jetzt sei, fühlten sich offenbar viele Menschen „nicht ausreichend gesehen oder gehört oder beides“, sagte der Grünen-Politiker in seiner ersten Erklärung vor der Presse. „Wir werden eine andere Kultur  brauchen“, meinte Van der Bellen. Die Politik dürfe sich nicht mehr so sehr mit sich selbst oder den Medien beschäftigen, sondern müsse sich den realen Sorgen und Nöten der Menschen zuwenden. Er wolle als unabhängiger Präsident für alle Österreicher da sein und lasse deshalb seine Mitgliedschaft bei den Grünen ruhen.

Österreichs neuer Kanzler Christian Kern (SPÖ) sagte in einer ersten Reaktion, dass die Regierung den Protest der Wähler verstanden habe: „Wie haben gemeinsam dafür Sorge zu tragen, dass sich kein Wähler als Verlierer sieht.“

FPÖ gesteht Niederlage ein

Bereits vor der Verkündung des offiziellen Ergebnisses hatte Hofer seine Niederlage eingeräumt: „Natürlich bin ich heute traurig. Ich hätte gerne für Euch als Bundespräsident auf unser wunderbares Land aufgepasst“, schrieb der 45-Jährige auf Facebook. Auch der Vorsitzende der FPÖ, Heinz-Christian Strache, erklärte auf Facebook, dass Van der Bellen knapp gewonnen habe. „Norbert Hofer wurde heute ex aequo Sieger mit rund 50% der Stimmen und in einem Fotofinish um Millimeter gerade noch nicht zum österreichischen Bundespräsidenten gewählt!“, schrieb Strache. Seine Partei habe dennoch bereits eine „Wende eingeleitet“. Dies sei der Anfang eines neuen Zeitalters „in Richtung direkter Demokratie und verbindlicher Volksabstimmungen“.

Die FPÖ berät heute über den Wahlausgang. Generalsekretär Herbert Kickl kündigte an, dass seine Partei auch die Frage einer Wahlanfechtung prüfen werde. Dazu müsse es aber konkrete Hinweise über Fehler bei der Auszählung geben. FPÖ-Chef Strache hatte vor der Bekanntgabe des Ergebnisses über angebliche Ungereimtheiten spekuliert. Über Twitter und Facebook setzte er entsprechende Nachrichten ab: „Sehr fragwürdige Dinge passieren!“ Strache wunderte sich über ein vermeintliches Endergebnis, das vom Bundesinnenministerium veröffentlicht worden war – fiktive Testzahlen waren versehentlich online gegangen. Das Ministerium entschuldigte sich für diese Panne. Strache hatte sich zudem darüber mokiert, dass der ORF in seinen Wahlanalysen am Sonntagabend nicht nur die ausgezählten Stimmen zeigte, sondern auch die noch auszuzählenden Briefwahlkarten in seine „gewichteten“ Prognosen einbezog und den Grünen-Kandidaten mit knapp 3000 Stimmen vorne gesehen hatte.

Patt nach den ersten Hochrechnungen

Die Wahl in Österreich entschied sich erst mit einem Tag Verzögerung. Die Abstimmung am Sonntag hatte nach Hochrechnungen ein Patt ergeben. Um Klarheit zu erhalten, mussten erst alle gut 700 000 Briefwahlstimmen ausgezählt werden. Ohne Berücksichtigung der Briefwähler hatte laut dem vorläufigem Endergebnis Hofer 51,9 Prozent der Stimmen geholt. Das hatte das Innenministerium in Wien am Sonntagabend mitgeteilt. Van der Bellen erhielt demnach 48,1 Prozent. Bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 24. April hatte sich aber das amtliche Ergebnis nach Auszählung der Briefwahlstimmen noch deutlich verändert. Damals verlor Hofer noch 1,3 Prozentpunkte auf 35,1 Prozent, Van der Bellen legte um 0,9 Prozentpunkte auf 21,3 Prozent zu.

Van der Bellen holte vor allem in den Städten viele Stimmen. In Wien als einem der wichtigsten Bundesländer kam er auf fast 70 Prozent. Auch in allen anderen Landeshauptstädten fand er teils deutlich mehr Zuspruch als Hofer. Der Ingenieur Hofer dagegen punktete vor allem im ländlichen Raum.

Hofer und Van der Bellen hatten sich in einem Lager-Wahlkampf um die Nachfolge des im Juli ausscheidenden Bundespräsidenten Heinz Fischer beworben. Erstmals waren in der Stichwahl keine Kandidaten der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP vertreten. Unter anderem wegen des SPÖ-Debakels in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen war Bundeskanzler Werner Faymann zurückgetreten. Das neue Staatsoberhaupt wird am 8. Juli vereidigt. Die Amtsdauer beträgt sechs Jahre. Der Bundespräsident darf sich laut Verfassung einmal zur Wiederwahl stellen.