Entscheidung in Indiana
Donald Trump wird Präsidentschaftskandidat der Republikaner. Nach der Vorwahl in Indiana ist das so gut wie sicher. Das Parteiestablishment findet sich damit ab. Unruhe im Lager der Demokraten: Gegen alle Prognosen hat Bernie Sanders in Indiana Hillary Clinton geschlagen, bleibt im Rennen und lähmt die Vorbereitung auf den Hauptwahlkampf. Ihr Schwachpunkt: Die Wählerschaft der Industriearbeiter.
US-Wahlkampf

Entscheidung in Indiana

Donald Trump wird Präsidentschaftskandidat der Republikaner. Nach der Vorwahl in Indiana ist das so gut wie sicher. Das Parteiestablishment findet sich damit ab. Unruhe im Lager der Demokraten: Gegen alle Prognosen hat Bernie Sanders in Indiana Hillary Clinton geschlagen, bleibt im Rennen und lähmt die Vorbereitung auf den Hauptwahlkampf. Ihr Schwachpunkt: Die Wählerschaft der Industriearbeiter.

„Wenn nicht noch eine Invasion von Außerirdischen oder die Zombie-Apokalypse dazwischen kommen oder Mexiko Kalifornien wieder zurückannektiert – dann wird Donald Trump Präsidentschaftskandidat der Republikaner.“ So sah es die Trump zuneigende New Yorker Boulevardzeitung New York Post schon vor der entscheidenden Vorwahl im Bundesstaat Indiana. Am Tag nach dem Wahlgang ist die Trump-Nominierung tatsächlich kaum noch aufzuhalten: Mit 53,3 Prozent gegen 36,6 und 7,6 Prozent für seine verbliebenen Konkurrenten Ted Cruz und John Kasich hat der New Yorker Bauunternehmer und Milliardär wieder alle Erwartungen und Prognosen noch deutlich übertroffen und nicht nur den Bundesstaat, sondern dort auch alle acht Wahlbezirke gewonnen.

Ted Cruz und John Kasich geben auf

Trumps aussichtsreichster Gegner, der erzkonservative texanische Junior-Senator Ted Cruz, gab sich geschlagen und zog sich aus dem Rennen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur zurück. Für Cruz war es in Indiana um die allerletzte Chance gegangen, Trump den Weg zur absoluten Mehrheit von 1237 Delegierten auf dem Nominierungsparteitag in Cleveland Mitte Juli (18. bis 21.) doch noch zu verbauen. Dann wären in Cleveland mehrere Wahlgänge notwendig geworden, bei denen die Delegierten nicht mehr an die Vorwahlergebnisse gebunden wären. Aber dafür hätte Cruz in Indiana gewinnen und Trump eine möglichst große Zahl der 57 Delegierten des Mittelwest-Bundesstaates vorenthalten müssen. Er hat alles versucht: Eine Wahlkampfabsprache mit John Kasich, die überraschend frühe Vorstellung seiner Kandidatin für die Vizepräsidentschaft und ein ganzer Reigen von Wahlkampfauftritten in Indiana. Mit 31 Prozent der Bevölkerung, die sich als evangelikal beschreibt, galt Indiana überdies als eher Cruz-freundliches Territorium. Cruz selber hatte die Vorwahl in Indiana zur Entscheidungsschlacht erklärt.

Die ‚Stoppt-Trump‘-Bewegung des Parteiestablishments der Republikaner ist vollständig gescheitert.

Alles vergeblich. Die Entscheidungsschlacht ist gegen ihn ausgegangen. Mit den Delegiertenstimmen aus Indiana fehlen Trump jetzt nur noch 190 Stimmen zur magischen Zahl 1237 und zum Sieg im ersten Nominierungswahlgang in Cleveland. Bei den noch ausstehenden Vorwahlen in neun Bundesstaaten – 10. Mai: Nebraska und West Virginia; 17. Mai: Oregon; 24. Mai: Washington; 7. Juni: South Dakota, New Mexico, New Jersey, Montana, Kalifornien – sind noch 445 Delegiertenstimmen zu vergeben. In Kalifornien und New Jersey, wo 172 und 51 Delegiertenstimmen zu gewinnen sind, führt Trump die Umfragen mit jeweils riesigem Vorsprung an.

John Kasich, Gouverneur des Bundesstaates Ohio, wollte zunächst zwar im Rennen bleiben, „um den Wählern eine echte Wahlalternative zu bieten“. Aber mit bis jetzt 151 Delegiertenstimmen war das eine Alternative ohne jede Chance – es sei denn, die von der New York Post beschworenen Außerirdischen kämen doch noch. Knapp 24 Stunden nach Cruz hat auch er das Handtuch geschmissen. Jetzt gibt es nur noch einen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner: Donald Trump.

In Indiana hat Donald Trump bewiesen, dass er eben nicht nur im Nordosten des Landes unter republikanischen Wählern triumphiert.

Für Trump ging es in Indiana zwar nicht um die Entscheidung, aber um die Klärung wichtiger Fragen und die Beseitigung von Zweifeln im Lager der Republikaner. Mit dem riesigen Vorsprung von 18 Prozentpunkten vor Cruz hat er wieder alle Prognosen in den Schatten gestellt und die 50-Prozent-Decke wieder massiv durchbrochen. In Indiana hat er vorgeführt, dass er eben nicht nur im Nordosten des Landes unter republikanischen Wählern triumphiert, sondern eben auch in weiter westlich gelegenen Bundesstaaten mit neutraler Bevölkerungsstruktur und dass er auch unter streng religiösen Wählern Mehrheiten gewinnen kann. Einer aktuellen Umfrage zufolge wollen jetzt 56 Prozent der Republikaner Trumps Präsidentschaftskandidatur. Dem wird sich die Parteiführung kaum entziehen können. Bedeutsam: Trump konnte in Indiana zulegen, obwohl der dritte Kandidat, John Kasich, mit knapp acht Prozent kaum noch eine Rolle spielte und deutlich schlechter abschnitt als erwartet. Die „Stoppt-Trump“-Bewegung des Parteiestablishments, heißt das, zieht nicht, ist vollständig gescheitert.

Donald Trump wird der wahrscheinliche republikanische Kandidat sein, und wir müssen jetzt alle zusammenhalten und uns darauf konzentrieren, Hillary Clinton zu schlagen.

Parteivorsitzender Reince Priebus

Die republikanische Parteiführung hat die Lektion offenbar verstanden. Sie beginnt, sich auf Trump als ihren Präsidentschaftskandidaten einzustellen. „Donald Trump wird der wahrscheinliche republikanische Kandidat sein, und wir müssen jetzt alle zusammenhalten und uns darauf konzentrieren, Hillary Clinton zu schlagen“, twitterte nach der Indiana-Vorwahl Parteichef Reince Priebus. Paul Ryan, als Sprecher des Abgeordnetenhauses protokollarisch die Nummer Drei in den USA und Tagungspräsident des Nominierungsparteitags in Cleveland, stimmt Trump-Gegner in der Partei auf seine betont neutrale Weise auf das Unvermeidliche ein: Bei der Präsidentschaftswahl am 8. November, erklärt er auf Parteiveranstaltungen, gehe es nicht so sehr um eine Personenwahl, sondern „um eine Entscheidung zwischen zwei Ideen, zwei politischen Wegen“. Einfach wird es für die Republikaner nicht: In landesweiten Umfragen liegt Hillary Clinton derzeit mit 54 gegen 41 Prozent weit vor Trump.

Zähneknirschen im Lager von Hillary Clinton

Aber während sich seit Indiana bei den Republikanern eine gewisse Beruhigung andeutet, geraten die Reihen der Demokraten sichtbar in Unordnung. Hillary Clinton, die als sicher geltende Präsidentschaftkandidatin und große Hoffnung der Demokraten, musste eine bittere Niederlage einstecken. Dabei hatten ihr Umfragen kurz vor der Vorwahl in Indiana einen Sieg mit vier Prozentpunkten Vorsprung vor ihrem Mitbewerber Bernie Sanders vorausgesagt. Es kam anders: Sanders schlug Clinton klar mit 52,5 gegen 47,5 Prozent und gewann 43 von 80 Delegiertenstimmen des Bundesstaates für den Nominierungsparteitag in Philadelphia Ende Juni. 2283 Delegiertenstimmen braucht es bei den Demokraten für die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten. Mit 2202 gegen 1400 bislang eingesammelten Delegiertenstimmen liegt Clinton uneinholbar vor Sanders. Aber schaut man allein auf die in Vorwahlen gewonnen Delegiertenstimmen, sieht Clintons Vorsprung weniger eindrucksvoll aus: 1682 gegen 1361. Dazu kommen allerdings auf Clintons Seite die Stimmen von 520 sogenannten Superdelegierten – Parteiprominenz mit Stimmrecht auf dem Parteitag –, die sich schon für sie ausgesprochen haben.

Das Clinton-Team glaubt, die Sache ist vorbei, aber da täuschen sie sich.

Bernie Sanders

Sanders will trotzdem nicht aufgeben. „Das Clinton-Team glaubt, die Sache ist vorbei, aber da täuschen sie sich“, tönte Sanders am Wahlabend in Indiana: „Vielleicht ist es für die Insider und das Parteiestablishment vorbei, aber die Wähler in Indiana hatten andere Vorstellungen.“ Und es könnte so weiter gehen: Am 10. und 17. Mai stehen demokratische Vorwahlen in West Virginia, Kentucky und Oregon bevor. Den Prognosen zufolge liegt Sanders in allen drei Bundesstaaten vorne.

Bernie oder gar niemand.

Das Clinton-Lager knirscht mit den Zähnen, muss Sanders aber vorsichtig und freundlich behandeln. Denn am 8. November braucht Hillary Clinton die Sanders-Gefolgschaft – junge Wähler, Gewerkschaftler und Industriearbeiter. Auf dem Parteitag in Philadelphia soll Sanders bei der Zusammenführung der Partei helfen. Doch je länger der Widerstand des Linksaußen-Demokraten andauert, desto schwieriger könnte das werden. Sanders will das Wahlprogramm der Demokraten nach links drücken. Seine Anhänger sprechen von Bewegung und Revolution. Unter ihnen greift eine Stimmung des „Bernie oder gar niemand“ um sich. 50.000 demokratische Bernie-Anhänger haben sich schon festgelegt, im November nicht für Clinton, sondern für die aussichtslose Kandidatin der Grünen, Jill Stein, zu stimmen.

Hillary Clintons Schwachpunkt: Industriearbeiterschaft

In Indiana hat Sanders zudem einen Clinton-Schwachpunkt offen gelegt, der auch im November eine Rolle spielen könnte. Wichtigster Wirtschaftssektor ist in Indiana die Landwirtschaft. Es gibt aber auch einen bedeutsamen industriellen Sektor – Stahl, Elektronik, Maschinenbau, Chemie. Problem: Seit 1999 hat Indiana fast ein Viertel seiner Industrie-Arbeitsplätze verloren. 515.900 Arbeitnehmer arbeiten heute in Indianas Industriesektor und sehen ihre Arbeitsplätze bedroht. Im Wahlkampf hat Sanders gepunktet mit bitteren Vorwürfen an einen Stahlbetrieb in Indiana, der angekündigt hatte, 2100 Arbeitsplätze nach Mexiko zu verlagern.

Bernie Sanders führt den gleichen Wahlkampf wie Donald Trump: gegen das Nordamerikanische Freihandelsabkommen von George Bush und Bill Clinton.

Verantwortlich für den Verlust von Industriearbeitsplätzen überall in den USA machen Sanders – und in praktisch gleicher Wortwahl auf Seiten der Republikaner eben auch Donald Trump – das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA mit Kanada und Mexiko. Unterzeichnet hat es am 17. Dezember 1992 der damals scheidende Präsident George H. Bush nach seiner Abwahl. Aber das Gesetz, mit dem NAFTA am 1. Januar 1994 erst in Kraft treten konnte, unterschrieb im Dezember 1993 niemand anderes als Präsident Bill Clinton. „NAFTA bedeutet Arbeitsplätze. Amerikanische Arbeitsplätze und gut bezahlte amerikanische Arbeitsplätze. Wenn ich das nicht glauben würde, würde ich das Abkommen nicht unterstützen“, erklärte Bill Clinton damals. Jetzt hat sich die Stimmung im Lande sehr gedreht, jedenfalls in einem wichtigen Teil der Wählerschaft – gegen NAFTA. Bis zum November wird Hillary Clinton vermutlich noch oft auf die NAFTA-Unterschrift ihres Mannes angesprochen werden. Die Ablehnung als nachteilig betrachteter Handelsabkommen und die Rückholung nach Mexiko oder nach China abgewanderter Arbeitsplätze sind mit die wichtigsten Punkte in Donald Trumps noch unfertigem Wahlprogramm. Wenn er damit bis November auch viele Sanders-Demokraten erreicht, könnte das für Hillary Clinton problematisch werden.