Donald Trump gegen Hillary Clinton
Nach Donald Trumps fünffachem Vorwahltriumph und Hillary Clintons Vierfach-Sieg ist beiden die Präsidentschaftskandidatur kaum noch zu nehmen. Ted Cruz und John Kasich ringen um einen offenen Nominierungsparteitag. Die republikanische Parteispitze kann sich Trumps Mobilisierungsrekorden immer weniger entziehen. Spannende Frage für die Demokraten: Wie werden sich die Sanders-Wähler verhalten?
US-Wahlkampf

Donald Trump gegen Hillary Clinton

Nach Donald Trumps fünffachem Vorwahltriumph und Hillary Clintons Vierfach-Sieg ist beiden die Präsidentschaftskandidatur kaum noch zu nehmen. Ted Cruz und John Kasich ringen um einen offenen Nominierungsparteitag. Die republikanische Parteispitze kann sich Trumps Mobilisierungsrekorden immer weniger entziehen. Spannende Frage für die Demokraten: Wie werden sich die Sanders-Wähler verhalten?

Donald Trump hat wieder abgeräumt. Und wie. Bei Vorwahlen in fünf nordöstlichen Bundesstaaten hat das „enfant terrible“ der US-Republikaner seine beiden verbliebenen Mitbewerber um die Präsidentschaftskandidatur nicht nur klar geschlagen, sondern regelrecht gedemütigt: Im Bundesstaat Connecticut hat er mit 29 Prozentpunkten Abstand gewonnen, in Delaware mit 40, in Maryland mit 31, im bevölkerungsreichen und darum bedeutsamen Pennsylvania mit 35 und in Rhode Island mit 39. In zwei der Bundesstaten holte er über 60 Prozent, in den anderen dreien deutlich über 50. „Die 60 zu knacken, wenn drei Leute antreten, das ist schwierig”, so Trump am Wahlabend. Ebenso bemerkenswert: In allen fünf Bundesstaaten hat er jeden einzelnen Wahlkreis gewonnen.

Ich betrachte mich als den mutmaßlichen Kandidaten.

Donald Trump

Der Kampf um die 1237 Delegiertenstimmen des Nominierungskongresses in Cleveland im Juni ist damit eigentlich entschieden – zumindest rechnerisch: Mit den fünf Wahlsiegen vom gestrigen Dienstag kommt Trump jetzt auf 950 Delegiertenstimmen. Weil in den bis zum 7. Juni noch ausstehenden zehn Vorwahlen überhaupt nur noch 622 Delegiertenstimmen zu gewinnen sind, kann Trumps ernsthaftester Konkurrent Ted Cruz, erzkonservativer Senator aus Texas, mit seinen bis jetzt 560 Delegiertenstimmen die magische Zahl 1237 gar nicht mehr erreichen. John Kasich, Gouverneur des Bundesstaates Ohio und Mann des republikanischen Partei-Establishments, spielt mit 153 bislang gewonnenen Delegierten zumindest mathematisch keine Rolle mehr. Trump dagegen hat noch immer eine klare rechnerische Chance, die 1237 Delegiertenstimmen auf sich zu vereinen. Dann wäre ihm in Cleveland schon im ersten Wahlgang die Nominierung sicher. Sehr nahe kommen wird er der Schwelle zur absoluten Delegierten-Mehrheit in jedem Fall. „Ich betrachte mich als den mutmaßlichen Kandidaten”, so Trump am triumphalen Vorwahlabend.

Cruz und Kasich kämpfen um einen „offenen” Nominierungsparteitag

Vielleicht die letzte Chance der Trump-Gegner in der Republikanischen Partei, dem milliardenschweren New Yorker Unternehmer die Nominierung zu erschweren, bietet sich in einer Woche beim Vorwahltermin im Bundesstaat Indiana. Dort geht es um 57 Delegiertenstimmen. Der Staat ist eine republikanische Hochburg und gilt als konservativ religiös. Cruz muss ihn gewinnen, wenn er als plausible Kandidaten-Alternative zu Trump im Spiel bleiben will. Problem: In den Umfragen liegt Trump derzeit mit gut sechs Prozentpunkten vorne – und bliebe sogar im Fall einer knappen Wahlschlappe sozusagen der unvermeidliche Präsidentschaftskandidat. Am 10. Mai folgen Vorwahlen in den Staaten Nebraska, West Virginia, Oregon und Washington. Letzter Vorwahltermin ist der 7. Juni in Montana, New Jersey, New Mexico, South Dakota und zusagen als finaler Höhepunkt auch in Kalifornien, wo 172 Delegiertenmandate zu vergeben sind. Das Kalifornien-Ergebnis zeichnet sich schon ab: Den Umfragen zufolge liegt Trump dort derzeit mit 45,7 Prozent weit vor Cruz (28,3) und Kasich (18,0).

Scheitert Trump an der magischen Zahl von 1237, kann er auf dem Nominierungsparteitag in Cleveland nicht im ersten Wahlgang gewinnen. Dann würde aus dem Nominierungsparteitag ein offener und „strittiger Parteitag”, bei dem – fast – alles oder zumindest vieles möglich wäre. Denn in den folgenden Wahlgängen wären die Delegierten nicht mehr an die Ergebnisse aus den Vorwahlen gebunden und könnten sich auch für Cruz oder Kasich – oder einen ganz anderen aus dem Hut gezauberten Kandidaten – entscheiden.

Halbherziges Wahlbündnis: Kasich verzichtet auf Wahlkampfauftritte in Indiana und Cruz überlässt Kasich dafür in Oregon und New Mexico die Wahlkampfbühne.

Um Trump entscheidende Delegiertenstimmen zu nehmen und so doch noch den „strittigen Nominierungsparteitag“ herbeizuführen, haben Cruz und Kasich – genauer: ihre Wahlkampfmanager – am vergangenen Sonntag ein halbherziges Wahlbündnis vereinbart: Kasich verzichtet auf Wahlkampfauftritte in Indiana und Cruz überlässt Kasich dafür in Oregon und New Mexico die Wahlkampfbühne. Aber nicht die Wahlurne: Keiner der beiden rief seine Anhänger dazu auf, für den anderen zu stimmen. Kasich erklärte sogar, er wolle trotzdem, dass seine Anhänger für ihn stimmten. Ob die taktische Absprache zwischen zwei Kandidaten, die sich bislang bis aufs Messer bekämpft haben, die Wähler überzeugt, muss sich zeigen. Die US-Tageszeitung Washington Post hält sie für gefährlich: Für die Wähler könnte sie nach der fragwürdigen Intrige riechen, die sie auch ist.

Trumps Mobilisierungsrekorde

Allen Manövern seiner Gegenkandidaten und Teilen der republikanischen Parteiführung entgegen, gilt Trump im Grunde schon als unvermeidlicher Präsidentschaftskandidat. Es wird immer unwahrscheinlicher, dass sich das Parteiestablishment ihm in Cleveland in den Weg stellen wird. Die Ergebnisse aus den Vorwahlen sprechen eine allzu deutliche Sprache: Mit 9,9 Millionen republikanischen Vorwahlstimmen hat Trump schon jetzt über 100.000 Stimmen mehr erzielt als sein Vorgänger Mitt Romney im gesamten Vorwahlkampf 2012 und einige Zehntausend mehr als John McCain 2008. Trump ist denn auch auf dem besten Wege, den bisherigen republikanischen Rekordhalter George W. Bush (10,8 Millionen Vorwahlstimmen) zu überflügeln. Interessant: Bislang haben überhaupt erst acht republikanische Kandidaten mehr als 7,5 Millionen Vorwahlstimmen erzielt − darunter Ronald Reagan 1980 mit 7,7 Millionen. Für die republikanische Parteiführung auch ein entscheidender Punkt: Unter den republikanischen Wählern gewinnt Trump in allen Bevölkerungsschichten und in fast allen Altersgruppen.

Republikanisches Umfrageergebnis: Wenn in Cleveland kein Kandidat eine absolute Mehrheit hat, soll der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnen. Das wäre dann Trump.

Und die Trump-Mobilisierungswelle rollt weiter: In der demokratischen Hochburg Pennsylvania haben dieses Jahr 65.000 registrierte demokratische Wähler die Seite gewechselt und sich für die Republikaner registrieren lassen – wegen Trump. Das berichtet die regionale Tageszeitung Duluth News Tribune (Minnesota). Die Republikaner haben damit in Pennsylvania mehr neue Anhänger gewonnen als in den vier vergangenen Jahren zusammen. „In Pennsylvania, wo jeder wütend ist“, titelt die New York Times. Bedeutsames Einzelergebnis aus dem Staate Connecticut: Im Städtchen Greenwich, das dem Bush-Clan und damit dem Partei-Establishment sozusagen gehört, hat sich Trump gegen Kasich mit sieben und gegen Cruz mit fast 40 Prozentpunkten Vorsprung durchgesetzt. Das alles macht es unwahrscheinlich, dass die republikanische Parteiführung es sich in Cleveland mit einer derart mobilisierten Trump-Wählerschaft verderben will. In einer aktuellen Umfrage des TV-Senders NBC und der Tageszeitung Wall Street Journal sagen denn auch 62 der Republikaner: Wenn in Cleveland kein Kandidat eine absolute Mehrheit habe, solle der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnen. Das wäre dann Trump. Es gibt Anzeichen dafür, dass die republikanische Parteispitze anfängt, sich damit abzufinden.

Hillary Clinton ist gesetzt

Auf der Seite der Demokraten ist der Kampf um die Präsidentschaftskandidatur im Grunde tatsächlich schon entschieden – sofern nicht noch völlig unvorhersehbare Dinge passieren. Am gestrigen Vorwahl-Dienstag konnte Hillary Clinton vier der fünf Staaten gewinnen, Connecticut allerdings nur knapp. Ihr Gegner, der Sozialist Bernie Sanders, siegte im kleinen Rhode Island und gewann dort 24 Delegiertenstimmen. Was am Ergebnis nichts ändert: 2151 Delegierte für Hillary Clinton, 1338 für Sanders. 2382 Delegiertenstimmen braucht es bei den Demokraten für die Nominierung. Die Zahl kann Sanders nicht mehr erreichen. Aufgeben will er trotzdem nicht. Er bleibt im Rennen und will auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten in Philadelphia seine linken Positionen vertreten. Clinton und die demokratische Parteiführung werden sich dagegen nicht wehren. Denn bei der Wahl im November sind sie auf die vielen jungen und idealistischen Wähler angewiesen, die Sanders in den demokratischen Vorwahlen mobilisieren konnte. In 16 Bundesstaaten hat er Clinton überflügeln können.

Auf den Wahlveranstaltungen von Sanders und Trump geht es oft um ähnliche Dinge in ähnlichen Tönen.

Ob die demokratische Rechnung aufgeht, muss sich zeigen. Völlig selbstverständlich ist es nicht, dass am 8. November alle Sanders-Wähler für Hillary Clinton stimmen. Denn Sanders ist, wie Trump, sozusagen der Kandidat der Wut auf das Establishment in Washington. Als „Gegenstück zur republikanischen Tea-Party-Bewegung“, beschreibt in der New York Times ein Sanders-Anhänger die Sanders-Bewegung. Auf den Wahlveranstaltungen von Sanders und Trump geht es denn auch um sehr ähnliche Dinge in sehr ähnlichen Tönen: Verlorene Arbeitsplätze, Handelspolitik, Abstiegsängste des Mittelstands, unbezahlbare Bildungskosten, militärisches US-Engagement in der Welt. Und eben gegen das Establishment in den jeweiligen Parteizentralen und in Washington. Die beiden, Sanders und Trump, sind sich ähnlicher als es auf den ersten Blick scheint. Und ihre Wähler? Das Duell zwischen Clinton und Trump, wenn es dazu kommt, verspricht schon jetzt, ein ganz besonderer Wahlkampf zu werden. Soviel ist dabei sicher: Die Überraschungen im amerikanischen Wahljahr 2016 sind noch lange nicht zu ende.