Alles kuscht vor dem Chef: Russlands Präsident Wladimir Putin. (Bild: Imago/Itar-Tass/Artyom Korotayev)
Russland

Putin ruft Russen in TV-Show zum Durchhalten auf

Ölpreisverfall und westliche Sanktionen in der Ukraine-Krise setzen Russlands Wirtschaft schwer zu: sinkende Löhne, steigende Preise, Rückgang des Bruttoinlandsprodukts. In seiner traditionellen TV-Bürgersprechstunde „Direkter Draht” hat Präsident Wladimir Putin versucht, die Russen zu beruhigen. Ob es gelingt, muss sich zeigen. Die Affäre um die Panama Papers tut er als westliche Provokation ab.

Angesichts einer schweren Rezession in Russland hat Präsident Wladimir Putin die Bürger zum Durchhalten aufgerufen. „Unsere Wirtschaft hat sich noch nicht erholt, aber der Trend ist positiv”, sagte Putin bei seiner traditionellen Bürgersprechstunde „Direkter Draht”. Künftig soll der als liberaler Kritiker geltende Ex-Finanzminister Alexej Kudrin den Kreml stärker beraten, kündigte Putin an. Bürger aus allen Teilen Russlands hatten für die fast vierstündige Fernsehshow mehr als drei Millionen Fragen eingereicht. Bei Live-Schalten in die Provinz äußerten viele ihre Sorgen angesichts der prekären Wirtschaftslage, aber auch zu internationalen Krisen.

Putins neuer Mann: Ex-Finanzminister Alexej Kudrin

Der Ölpreis-Absturz sowie westliche Sanktionen in der Ukraine-Krise setzen Russlands Wirtschaft schwer zu. Viele Russen klagen über sinkende Löhne und steigende Preise, sie sorgen sich um ihre Jobs. In diesem Jahr erwarte die Regierung noch einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent, für 2017 rechne sie mit einem Wachstum von 1,4 Prozent, sagte Putin. Er räumte ein, dass sich die Struktur der oft noch sowjetisch geprägten russischen Wirtschaft ändern müsse. Viel zu oft würden Mittel verschwendet. Kritiker bemängeln zudem ein hohes Maß an Korruption im Riesenreich.

Kudrin ist einer der seltenen nützlichen Experten.

Wladimir Putin

Bei der Suche nach Wegen aus der Krise solle Finanzexperte Kudrin künftig aktiver im Expertenrat des Präsidenten mitarbeiten, sagte Putin. „Kudrin ist einer der seltenen nützlichen Experten.” Der 55-jährige Kudrin gilt als einer der profiliertesten Ökonomen Russlands. Zuletzt war er auch für einen Posten im Moskauer Forschungsinstitut CSR im Gespräch, das unter anderem strategische Studien für die Behörden erstellt. Kudrin schließt eine Beteiligung nicht aus. Beobachter handeln den langjährigen Minister (2000 bis 2011) auch als möglichen Kandidaten für höhere politische Ämter.

Kritik an Ankara

Mit scharfen Worten ging Putin die türkische Regierung an. Ankara führe im Süden des Landes „praktisch einen Bürgerkrieg” mit Panzern und Artillerie gegen die Kurden, meinte er. Die Beziehungen zwischen Moskau und Ankara sind seit dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch das türkische Militär im November auf einem Tiefpunkt. Daraufhin hatte Russland Flüge in die Türkei eingestellt. Im syrischen Bürgerkrieg forderte der Kremlchef Regierung und Opposition auf, sich stärker für eine politische Lösung einzusetzen. Auch im Südkaukasuskonflikt um die Region Berg-Karabach mahnte er die Konfliktparteien Armenien und Aserbaidschan zur Besonnenheit.

Ankara führt im Süden des Landes praktisch einen Bürgerkrieg mit Panzern und Artillerie gegen die Kurden.

Wladimir Putin

Panama Papers

Zwar blieb Putin mit Kritik am Westen anders als in früheren Jahren zurückhaltend. Aber in Bezug auf Vorwürfe im Zusammenhang mit den „Panama Papers” über Hunderttausende Offshore-Firmen sprach er von einer westlichen Provokation. „Wir wissen, dass Mitarbeiter der amerikanischen Institutionen damit zu tun haben”, meinte er. In den Dokumenten taucht zwar sein Name nicht auf, aber Putin-Freunde werden genannt, die mit Offshore-Firmen und versteckten Milliarden in Verbindung gebracht werden.

Vorwürfe sind aus der Luft gegriffen.

Wladimir Putin

Konkret nahm er die Süddeutsche Zeitung ins Visier, die entscheidend bei der Veröffentlichung mitgewirkt hatte. Die Süddeutsche gehöre zu einer Holding, die ihrerseits dem US-Finanzinstitut Goldman Sachs gehöre, behauptete Putin bei seiner traditionellen Bürgersprechstunde in Moskau. Das Blatt widersprach dieser Darstellung. „Die Süddeutsche Zeitung gehört weder direkt noch indirekt zu Goldman Sachs”, teilte Geschäftsführer Stefan Hilscher mit. Die Münchener Tageszeitung sei eine 100-prozentige Tochtergesellschaft des Süddeutschen Verlags, der mehrheitlich zur Südwestdeutschen Medienholding gehöre, sagte er.

Irgendwer von meinen Freunden macht irgendwelche Geschäfte.

Wladimir Putin

Vergangene Woche hatten Medien weltweit über gut 200.000 Briefkastenfirmen berichtet, in denen Politiker und Prominente ihr Vermögen geparkt haben sollen. Die Unternehmen wurden demnach teils über eine Kanzlei in Panama gegründet. In den Dokumenten taucht auch der Name des engen Putin-Freundes Sergej Roldugin auf, eines bekannten Cellisten. Über dessen Offshore-Firmen sollen zwei Milliarden Dollar geflossen sein. Damit wäre er ohne Zweifel der bestbezahlte Cellist aller Zeiten. Putins Name fällt in den Papieren jedoch nicht.

Der Cellist Sergej Roldugin habe all sein Geld lediglich für kostbare Musikinstrumente für Russland ausgegeben.

„Irgendwer von meinen Freunden macht irgendwelche Geschäfte”, kommentierte Putin die „Panama Papers”. Es tauche die Frage auf, ob Geld aus Offshore-Firmen irgendwelchen Beamten oder gar dem Präsidenten gehört. Aber in den Berichten werde niemand konkret beschuldigt. Die Details seien aus der Luft gegriffen, sagte Putin. „Sie führen einfach in die Irre.” Putin nahm auch seinen Freund Roldugin in Schutz. Dieser habe all sein Geld lediglich für kostbare Musikinstrumente für Russland ausgegeben, sagte Putin.

(dpa/H.M.)