Boliviens Präsident Evo Morales (l.) bei der Stimmabgabe zur Verfassungsänderung. (Bild: Imago/Xinhua/Patricia Pinto)
Verfassungsreferendum

Bolivien zeigt Rückgrat

Boliviens Staatspräsident Evo Morales ist nach ersten Prognosen mit dem Versuch einer Verfassungsänderung knapp gescheitert. Er hoffte, wie leider viele andere linke Regierungschefs in Südamerika, die sich für unersetzlich halten, seine Amtszeit auf diese Weise verlängern zu können – bis maximal zum Jahr 2025.

Boliviens Staatspräsident Evo Morales ist nach ersten Prognosen des Instituts Ipsos auf der Basis von Nachwahlbefragungen mit dem Versuch gescheitert, mit einer Verfassungsänderung bis maximal zum Jahr 2025 im Amt bleiben zu können. Bei einem Referendum stimmten demnach 53,2 Prozent mit Nein und 47,7 Prozent mit Ja. Eine Mori-Prognose fiel knapper, aber mit dem gleichen Trend aus. Auch erste Zahlen aus den Wahllokalen deuteten darauf hin, dass Morales sich bei der Volksabstimmung nicht durchsetzen konnte. Morales‘ Plan, bei der Präsidentenwahl 2019 erneut anzutreten, ist damit vorerst gescheitert. Rund sechs Millionen Einwohner des südamerikanischen Landes waren zu der Abstimmung aufgerufen. Das endgültige Ergebnis der Wahlbehörden soll erst in einigen Tagen vorliegen. Morales kündigte an, jedes Ergebnis zu akzeptieren.

Ein sozialistischer Kokabauer als Präsident

Der frühere Kokabauer und erste indigene Präsident des Andenstaates ist seit 2006 im Amt und bis 2020 gewählt. Durch eine Änderung des Artikels 168 wollte er zusammen mit seinem Vizepräsident Álvaro García Linera eine nochmalige Wiederwahl und – im Falle eines Wahlsieges – eine bisher nicht mögliche vierte Amtszeit erreichen.

Der 56-Jährige trat vor einem Jahrzehnt an, um die Armut und die ungerechte Verteilung von Land und Vermögen in Bolivien zu bekämpfen. Einnahmen aus dem Erdgasverkauf steckte er hauptsächlich in den Sozialstaat und die Infrastruktur. 2014 wurde Morales mit einer Mehrheit von 61 Prozent wiedergewählt. Dies ist seine dritte Amtszeit, also eigentlich schon eine mehr als laut Verfassung erlaubt. Doch seine erste Amtszeit begann vor Inkrafttreten der neuen Verfassung und wird deshalb nicht mitgezählt. Die Kritik an seiner Regierung wuchs allerdings in den letzten Jahren: Morales und seiner Partei, der Bewegung zum Sozialismus (MAS), wird der Hang zu einer zunehmend autoritären Staatsführung vorgeworfen, ein Trend, der in ganz Südamerika bei allen linken Staatschefs zu beobachten ist.

Die südamerikanische Krankheit: Korruption

Hinzu kamen jetzt auch beim angeblichen „Saubermann“ Morales Vorwürfe der Korruption und Verschwendung. Eine chinesische Firma mit der früheren Freundin des Präsidenten in der Führungsriege hat offenbar lukrative Regierungsaufträge in einem Wert von mehr als 550 Millionen Euro erhalten. Zwar stritt Morales ab, überhaupt noch Kontakt zu ihr gehabt zu haben. „Das ist ein schmutziger Krieg“, so der Präsident. „Wir hatten einige Probleme und von dem Moment an haben wir uns voneinander entfernt.“ Er habe sie seit 2007 nicht mehr wieder gesehen. Auf Fotos vom diesjährigen Karneval wurde jedoch das Gegenteil bewiesen, da lächelten beide in die Kamera. Zuvor gab es bereits einen Skandal bei einem Förderfonds für indigene Landwirtschaft – die obersten Managerinnen waren langjährige Vertraute des Präsidenten. Doch die Ministerin, verschwägert mit Morales, blieb im Amt. Überschattet wurde der Wahlkampf zudem von einer Brandattacke von Demonstranten auf das Rathaus der zweitgrößten Stadt des Landes, El Alto, bei der sechs Menschen starben. Hier regiert seit 2015 eine Kandidatin der Oppositionspartei UN, Carmen Soledad Chapetón. Diese warf der MAS vor, das Unglück verschuldet zu haben. Ihr Vorgänger von der MAS wurde wegen Korruptionsvorwürfen aus dem Amt gejagt und eingesperrt.

Licht und Schatten

Zweifellos hat Morales auch Verdienste um sein Land: Im Schnitt wuchs die Wirtschaft während seiner Präsidentschaft um 4,9 Prozent, vor allem dank der Einnahmen aus dem verstaatlichten Gasgeschäft. So gelang es, die Infrastruktur deutlich auszubauen und zwischen 2005 und 2014 den Anteil der Armen an der Gesamtbevölkerung angeblich von 53 auf 29 Prozent zu senken. Durch Steuererhöhungen und umstrittene Verstaatlichungen des Erdöl- und Erdgassektors stiegen die Staatseinnahmen bis 2013 angeblich um 460 Prozent. Die dadurch ermöglichten Umverteilungsprogramme haben wiederum den Konsum erhöht. Niedrige Rohstoffpreise gefährden jetzt allerdings die Fortsetzung der großzügigen Sozialpolitik.

Die Neuverteilung des Grundbesitzes scheint aber im Wesentlichen ebenso gescheitert zu sein wie das Versprechen von Morales, das Land von der Rohstoffförderung hin zur Rohstoffverarbeitung zu entwickeln. Bolivien hat beispielsweise große Vorkommen des Batterie-Minerals Lithium. Zudem überwarf sich der Präsident mit der katholischen Kirche und versuchte, eine eigene Kirche zu gründen. Kritisch wird auch seine Israelfeindlichkeit gesehen, sowie seine sehr liberalen Einstellungen zur Anpflanzung von Koka und zur Kinderarbeit. 2014 wurde in Bolivien ein Gesetz verabschiedet, das Arbeit von Kindern ab 10 Jahren erlaubt. Auch ist der Einfluss Chinas auf Boliviens Politik und die Rohstoffförderung sogar in ökologisch sensiblen Gebieten groß.