Flüchtlinge aus Syrien in einem Zeltcamp nahe der Stadt Barr Elias im Bekaa-Tal (Libanon). In notdürftigen Unterkünften verharren die Flüchtlinge bei Kälte, Matsch und Schnee in ihren provisorischen Zeltunterkünften. Foto: imago/epd
Humanitäre Unterstützung

Gekommen, um zu helfen

Interview Seit 2012 gibt es den Verein "Orienthelfer" von Christian Springer. Ziel ist unter anderem die humanitäre Unterstützung der Opfer des Syrienkonfliktes. Auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Tobias Zech unterstützt den Verein nach Kräften. Springer und Zech schildern die erbärmlichen Zustände für die Flüchtlinge in den syrischen Nachbarländern. Aus dem aktuellen Bayernkurier-Magazin.

Bayernkurier: Herr Springer, Sie sind der Gründer des Vereins „Orienthelfer“. Wann und warum haben Sie diesen Verein gegründet?

Christian Springer: Ich fahre schon seit Mitte der 80er Jahre immer wieder nach Syrien, Jordanien und in den Libanon, schon als Student. Ich kenne die Region sehr gut, schon lange vor dem Krieg, und habe dort auch viele Freundschaften geschlossen. Nach dem Kriegsausbruch 2011 habe ich erfahren, dass es den Flüchtlingen im Libanon sehr schlecht geht und dass man auch als Einzelner dort helfen kann und muss. Viele meiner Freunde und Bekannten wollten mich dabei unterstützen und haben teilweise auch nach Spendenquittungen gefragt. Also habe ich den Verein gegründet. 

Bayernkurier: Wie ist denn die Zusammenarbeit mit Herrn Zech entstanden?

Springer: Es gab eine Anhörung zur syrischen Flüchtlingslage in einem Unterausschuss des Auswärtigen Amtes und ich hatte fünf Minuten Zeit, mein Anliegen vorzutragen. In fünf Minuten die komplette Flüchtlingslage zu schildern, ist etwas knapp. Ich habe also sehr vehement und sehr schnell mein Anliegen vorgetragen, Peter Gauweiler war da, Claudia Roth, und Herr Zech saß als aufmerksamer Zuhörer daneben. Aus der Anhörung selbst hat sich nichts ergeben, weder positiv, noch negativ. Aber die Zusammenarbeit mit Herrn Zech seitdem ist großartig.

Tobias Zech: Das war eigentlich der komplett falsche Unterausschuss für Herrn Springer, der war nämlich für auswärtige Kulturpolitik, da waren Vertreter des Goethe-Instituts, vom Akademischen Außendienst und andere, um über Bildung zu sprechen. Darum geht es dort aber gar nicht. Es geht um Leute, die nichts zu essen und zu trinken haben, die frieren.

Bayernkurier: Herr Zech, Sie sind Libanon-Berichterstatter des Europarates.

Zech: Das bin ich wegen Herrn Springer geworden (lacht). Nein, weil ich durch Herrn Springer erfahren habe, was dort passiert. Der Libanon ist das einzige Land im Orient, das multiethnisch und multireligiös funktioniert, seit Jahren, immer mit Rückschlägen, aber es funktioniert. Wir müssen dafür sorgen, dass es so bleibt. Hier geht es jetzt um Wasser, Essen, Strom. Im Unterschied zur Türkei gibt es im Libanon keine Lager, keine Strukturen. Im Libanon ist teilweise seit Monaten kein Behördenvertreter mehr bei den Flüchtlingen vorbeigekommen. Wenn wir hier nichts tun, verhungern die Menschen dort, dann sterben die Leut‘, nur drei Flugstunden von uns weg.

Bayernkurier: Für jemand, der noch nicht in einem der Lager im Libanon war, könnten Sie die Zustände dort beschreiben? Wie leben die Menschen dort?

Springer: Dort gibt es keine zentralen Flüchtlingslager, die Syrer haben sich alle dezentral verteilt. Registrierte Flüchtlinge erhalten dort Coupons über 21,5 Dollar pro Monat, mit dem sie in ausgewählten Supermärkten einkaufen können. Zwischenzeitlich war das sogar auf nur 13 Dollar gesunken. Aber etwa 45 Prozent erhalten keine Coupons, weil die Weltgemeinschaft nicht mehr Geld zur Verfügung hat. Ein Beispiel: Eine Familie mit zwei Kindern erhält nichts, erst ab drei Kindern! Und 21,5 Dollar für den kompletten Lebensunterhalt sind viel zu wenig, denn das Preisniveau entspricht nicht dem des Sudan, sondern etwa dem von Mitteleuropa. Jetzt im Winter, da stehen die Flüchtlinge vor der Frage, soll man das jetzt für wärmere Kleidung oder für Essen ausgeben? Das weitere Problem ist, dass syrische Flüchtlinge im Libanon nicht arbeiten dürfen. Das führt zu vielen weiteren Problemen, man schickt zum Beispiel die Kinder nicht mehr in die Schule – nur jedes dritte Kind geht dort in die Schule. Oder Kinderarbeit: Das ist dort gang und gäbe, weil sie oft die einzigen Ernährer der Familie sind.

Zech: Ich war Einzelhandelskaufmann, ich weiß, wie man einkauft und ich habe das versucht, für diese 21 Dollar für einen Monat einzukaufen, das geht nicht! Spätestens nach 10 Tagen haben Sie nichts mehr!

Springer: Im Libanon gibt es zwischen 1,3 und 1,7 Millionen Flüchtlinge, genau weiß das niemand. Da ist also schon mal eine Spekulationsmasse von 400.000 Flüchtlingen, die bekommen nichts. Wenn ich nur daran denke, was in München die Miete für eine Dachgeschosswohnung kostet … oder dass bei uns allein im letzten Jahr 15 Milliarden Euro mit Einkäufen über Smartphones umgesetzt wurden. Das ist doch blanker Hohn, andernorts diesen Flüchtlingen nicht zu helfen! Wenn dort die Menschen ihre Existenz nicht sichern können. Sie merken das jetzt, ich werde gar nicht mehr fertig, die Katastrophen dort zu beschreiben, und ich bin noch lange nicht am Ende.

Zech: Und die Gesundheitsversorgung im Libanon ist faktisch nicht existent. Für eine Behandlung werden zwar 75 Prozent der Kosten übernommen, aber 25 Prozent müssen von den Flüchtlingen selbst bar bezahlt werden. Wie? Das können sie nicht. Und chronische Krankheiten wie Diabetes werden gar nicht mehr oder nur unzureichend behandelt. Herzerkrankungen, Krebs, das ist ein Todesurteil dort. Wenn man mit den Menschen dort spricht, das ist die pure Verzweiflung. Viele dachten bei ihrer Flucht, das dauert ein halbes Jahr, dann können wir wieder zurück. Einige Familien haben dann zum Teil Wohnungen gemietet oder in Hotels übernachtet und längst ihre ganzen Ersparnisse aufgebraucht. Da sind Frauen mit Kindern, die ihre Männer verloren haben und völlig mittellos sind. Und wir? Wir sehen seit fünf Jahren beim Sterben zu. Die Menschen dort wollen ja gar nicht zu uns! Nur: Die verhungern dort drüben. Wenn wir es wenigstens schaffen würden, dass die Menschen nicht jeden Tag ums Überleben kämpfen müssten, dann hätten sie wieder Hoffnung und bleiben dort, denn sie wollen wieder zurück in ihre Heimat.

Bayernkurier: Es heißt, die ersten Opfer eines Krieges sind neben der Wahrheit immer die Kinder. Können Sie uns deren Lage schildern?

Springer: Auch hier ist die Lage unklar. Wie viele Waisenkinder gibt es? Niemand weiß das genau. Die bräuchten aber doch eine ganz andere Behandlung! Die sind ja nicht an einem sonnigen Tag gekommen, nach Kofferpacken und der Diskussion, welches Buch nehme ich mit, welches Kuscheltier, die sind ja Hals über Kopf wegen Bombardierungen geflohen. Das heißt, die Traumatisierung der Menschen dort ist fast flächendeckend. Zudem gibt es so viele Vermisste dort: Viele konnten nicht abschließen, weil sie Papa und Mama gar nicht beerdigt haben, sondern weil die vermisst werden oder verloren gingen. In meiner Familie gab es auch so etwas, mein Opa gilt noch als im Zweiten Weltkrieg in Russland vermisst, ich weiß, dass so etwas Familien über 60, 70 Jahre belasten kann. Wenn die Kinder im Libanon Glück haben, kümmert sich irgendjemand um sie. Und dann die Schulbildung für Kinder: Der Schulminister versucht wirklich, das Problem in den Griff zu kriegen. Das ist sehr komplex, ein Beispiel: Wenn jemand in Syrien Lesen und Schreiben gelernt hat, vier Jahre in der Schule war, auf welche Schule im Libanon geht er dann, in welche Klasse? Auch wenn es sich um eine sehr große Personenzahl handelt, wir im Westen haben das Know-How dafür, wir könnten das regeln und den Libanon unterstützen. Die haben über 4 Millionen Einwohner und fast 2 Millionen Flüchtlinge. Das wäre so, wie wenn Deutschland an die 40 Millionen Flüchtlinge aufnehmen würde. Und dann gibt es wie gesagt auch Kinderarbeit, schon Fünfjährige arbeiten dort, das sind einfach billige Lohnarbeiter, es gibt Kinder, die verkaufen beispielsweise auf der Straße noch um Mitternacht Kaugummi. Es gibt auch Kinderprostitution. Wenn wir hier nicht handeln, dann besteht auch die Gefahr, dass diese Kriegskinder Islamisten in die Hände fallen und sich in wenigen Jahren radikalisieren.

Zech: Wir haben die Verantwortung, dass dort keine „Lost Generation“, keine verlorene Generation heranwächst! Auch in unserem eigenen Interesse.

Bayernkurier: Die Orienthelfer legen Wert darauf, in Einzelfällen zu helfen, weniger der großen Masse. Welcher Einzelfall hat Sie denn besonders bewegt oder schockiert?

Springer: Jeder Fall schockiert gleich in seiner brutalen Einzigartigkeit. Ich kriege oft den Vogel gezeigt, weil ich mich um Einzelfälle kümmere. Aber: Ein Einzelfall, das könnten auch wir sein! Ein Kind zu retten, eine Familie zu retten, das ist doch großartig! Aber ich hatte da ein achtjähriges Mädchen, die hieß Sedra. Sie geht in unsere Schule. Die konnte in der Pause nicht runter in den Pausenhof gehen, weil eine Granate ihr linkes Unterbein abgerissen hat. Dabei ist im Februar 2012 auch ihr Bruder getötet worden. Stellen Sie sich das vor: Sie ist jeden Tag auf einem Bein zur Schule gehüpft und wieder nach Hause! Wir haben ihr eine Prothese verpasst, auch wenn die Ärzte schimpfen, weil die jedes halbe Jahr neu angepasst werden muss, weil das Mädchen wächst. Ich habe gesagt, ja, das kostet was, das ist mühselig, aber das ist doch besser, als wenn wir warten, bis sie ausgewachsen ist und dann kann sie vielleicht keine Kinder mehr kriegen, nicht mehr arbeiten, weil sich ihre Hüfte verschoben hat wegen der einseitigen Belastung? Und dann habe ich per Brief vor ein paar Monaten ein Bild bekommen, ein Mädchen, das auf einem Baum saß, beide Füße baumelten herunter. Das war Sedra. Nachdem sie die Prothese bekommen hat, ist sie eine Woche später bereits auf Bäume geklettert und hat auch schon Fußball gespielt! Da merkt man, dass man Leben zurückbringt und dass jeder Einzelfall hilft. Man bewegt unheimlich viel.

Zech: Ich habe bei meinen Besuchen im Libanon zwei Menschen getroffen, deren Schicksal mich ganz besonders bewegt hat. Da war in einer Schule, wo man syrische Kinder schulfähig macht, ein syrischer Rechtsanwalt, der war nach einem Fassbombenangriff drei Tage lang neben seiner toten Frau und den toten Kindern verschüttet worden – nur er hat überlebt. Jetzt hilft er im Libanon den Kindern. Und da war der Mann, der, weil sie nichts mehr zu essen hatten, mit drei Kindern aufs Meer hinaus geflohen ist, und das Boot kenterte. Da musste er die Entscheidung treffen, welches der drei Kinder er loslässt. Solche Schicksale findet man dort überall. Das Schlimmste aber ist: Zwei Ecken weiter ist wieder blühendes Leben. Dieser Widerspruch, absolute Armut und blühendes Leben, das trifft man dort an jeder Ecke!

Bayernkurier: Die deutschen Kommunen klagen über Überlastung, aber die Kommunen im Libanon sind doch hoffnungslos überfordert. Was fehlt dort?

Springer: Wenn ich mich mit Bürgermeistern, den Muchtaren, und Landräten unterhalte, dann nennen sie nicht als erstes Problem die Versorgung mit Essen oder Decken für den Winter. Ganz oben steht dort immer Hygiene und Sanitärbereich. Da sind Orte mit beispielsweise 5000 Einwohnern und plötzlich mehr als doppelt so vielen Flüchtlingen. Hier gibt es sofort Probleme mit verdoppelter, verdreifachter Abwasserentsorgung und Wasserversorgung, mit der Toilettensituation. Das ist für die Bürgermeister eine ganz, ganz große Hürde und ein unlösbares logistisches Problem.

Zech: Hier sind noch ein paar Punkte zu nennen, die Energiesicherheit und das Müllproblem. Im Libanon gibt es nur 4 bis 5 Stunden am Tag Strom. So kann keine funktionierende Wirtschaft entstehen. Da könnte man beispielsweise ein Müllkraftwerk bauen und beide Probleme lösen. Wir haben auch eine Feuerwache in der Bekaa-Ebene besucht, da gab es 8 Männer mit 5 Spaten und 5 Helmen, sonst nichts. Und die Polizei hat keine Stühle, keine Tische, keine Funkgeräte. Innere Sicherheit gibt es nicht. Die brauchen einfach alles. Mittlerweile muss man auch aufpassen, dass die Stimmung im Libanon gegen die Flüchtlinge nicht kippt.

Bayernkurier: Die Orienthelfer sind auch in Jordanien und der Türkei aktiv. Ist die Lage dort besser?

Springer: In Jordanien unterstützen wir nur kleinere Projekte. Das ist ein Land, dem es wirtschaftlich nicht so gut geht, mit vielen Flüchtlingen. In einem Land, das kein Wasser hat. Und dort steht das viertgrößte Flüchtlingslager der Erde in Zaatari mit ähnlichen Problemen wie im Libanon. Die Türkei hat 2,18 Millionen Flüchtlinge aufgenommen, gibt sehr viel Geld dafür aus und hilft sehr viel. In der Türkei gibt es viele Lager und dort große Bewegung. Viele Syrer gehen nicht in die Lager oder wieder aus ihnen heraus, sondern nach Ankara oder Istanbul, und versuchen, dort einen Job zu finden. Nahe der türkischen Grenze im Osten sind IS-Gebiete, das macht es kompliziert. Wir haben versucht, Feuerwehrfahrzeuge in den Nordirak zu liefern, wo sich auch über eine halbe Million Flüchtlinge befinden, das war aber sehr schwer, weil der russische Beschuss vom kaspischen Meer her in die IS-Gebiete alle Flugbewegungen über dem Irak behindert.

Bayernkurier: Der Winter steht vor der Tür. Was fehlt zuallererst?

Springer: Ich würde hier gerne den Fokus auf etwas Anderes legen. Was oft vergessen wird: Die meisten Syrer sind noch in Syrien! Und wir sehen ihnen beim Sterben zu. Was man wirklich braucht, sind Rettungsgassen in die umzingelten Gebiete in Syrien, die seit Monaten unversorgt sind, weil die Kämpfe drum herum so heftig sind. Oder weil die Kriegsparteien nichts durchlassen. Denn da hat jede Gruppierung ihre Checkpoints, wo etwas abgezweigt wird. So ehrenvoll es auch ist, Essen, Trinken, Decken in den Libanon zu bringen: Wir brauchen dringend zumindest eine humanitäre Lösung auch für Syrien, wenn es schon keine politische gibt. In Damaskus gibt es ein umzingeltes Gebiet, da sammeln die Kinder Plastik, um im zweiten Untergeschoss eines zerbombten Hauses wieder Öl daraus zu produzieren, mit dem man heizen kann. Die Menschen in diesen Kellern werden sterben, weil der Prozess hochgiftig ist, aber sie tun es, um anderen beim Überleben zu helfen. Die Situation ist so mittelalterlich, da besteht allerhöchster Handlungsbedarf.

Zech: Am Ende des Tages gibt es nur eine Lösung gegen das Flüchtlingsproblem: Der Syrienkrieg muss beendet werden. Solange er weitergeht, können wir nur die Symptome bekämpfen. Im Libanon gibt es seit einem Jahr keinen Staatspräsidenten mehr, da ist das öffentliche Leben eingefroren, jedes Verwaltungshandeln. Es gibt keine Ansprechpartner. Das macht alles noch komplizierter. Wir brauchen also einen Ansatz, um diese Blockade zu lösen.

Bayernkurier: Herr Springer, wie hilft Ihr Verein? Hilfe zur Selbsthilfe, kann das überhaupt noch funktionieren?

Springer: Ja, zum Beispiel in Schulen, da kaufen wir Container, stellen die in Flüchtlingscamps auf, kümmern uns um den Wasseranschluss. Hilfe zur Selbsthilfe, das bedeutet auch, syrische Lehrer zu finden, auszubilden und zu bezahlen. Sie können eine Schule nicht nur für vier Wochen finanzieren. Zudem müssen sie die Kinder in das libanesische Schulsystem eingliedern und mit den Lehrplänen dort abstimmen, damit die Schüler auch weiterführende Schulen besuchen können. Dann haben wir auch mehr als 300 Witwen mit Kindern untergebracht, das ist ein großer Erfolg! Die haben jetzt plötzlich einen Hoffnungsschimmer, eine Wohnung, anständige Kleidung und ihre Kinder besuchen eine Schule. Ein paar von ihnen können sich auch an unseren Feldküchen etwas hinzuverdienen, wenn sie dort helfen. Wir bauen diese Feldküchen auf, eine kostet rund 15.000 Dollar pro Monat plus 5000 Dollar Betriebskosten. Mit einer Feldküche können wir täglich 800 bis 1000 Menschen mit warmen Essen versorgen. Wir besorgen auch Fahrzeuge, beispielsweise für Müllabfuhr oder Feuerwehr. Und wir überwachen alle unsere Hilfen, mit Monitoring, schauen, ob noch alles da und in Ordnung ist. Wir springen bei Operationen ein, wenn die Menschen ihren 25-Prozent-Eigenanteil nicht zahlen können. Man muss sich diesen Irrsinn vorstellen: Vielen Verletzten hätte Bein oder Arm gerettet werden können, aber eine Amputation ist billiger. Da zerstört man lieber ein Leben und die Menschen laufen dann mit einem Handycap herum. Wir haben aber auch viele Menschen dort sterben sehen. Da muss man doch helfen!

Bayernkurier: Bei den Feldküchen müsste Herr Zech doch helfen können, über die Bundeswehr?

Springer: Das tut er ja!

Zech: Ja, da kann ich helfen. Wir haben drei Zusagen von der Bundeswehr. Übrigens liegt das auch daran, weil der Herr Springer so einen guten Ruf hat, die wissen, das kommt in gute Hände.

Springer: Wir wollten uns doch nicht gegenseitig loben! Aber bei humanitärer Arbeit kommt es immer auf die Zusammenarbeit an: Ohne Herrn Zech gäbe es die Feldküchen nicht, je zur Hälfte von der Bundeswehr und den Johannitern, ohne ihn wäre das nicht zu schaffen gewesen, das muss ich jetzt schon auch sagen. Ein bayerischer Kabarettist, der gewiss nicht im Verdacht steht, immer lieb Kind mit der CSU zu sein, arbeitet gut und harmonisch mit einem CSU-Bundestagsabgeordneten zusammen. Ich find das toll!

Zech: Ich kann das nur zurückgeben. Wir werden uns nie in allen politischen Feldern einig. (Beide lachen) Aber es funktioniert. Hier weiß ich, dass wir was Sinnvolles getan haben. Da spielt politische Couleur keine Rolle. 

Bayernkurier: Wie viel von meiner Spende kommt denn auch wirklich bei den Flüchtlingen an, wie viel geht in die Verwaltung? Herr Springer, Sie haben sogar eine Wohnung im Libanon und sparen ihrem Verein damit Hotelkosten.

Springer: Ja, das stimmt, die Wohnung gehörte vorher einem befreundeten Stern-Korrespondenten. Zur Verwaltung: Ich warte noch auf die Zahlen von 2014, aber der Verwaltungsanteil der Orienthelfer liegt in jedem Fall unter 10 Prozent. 2013 lag er sogar unter 2 Prozent, aber das schaffen wir 2014 nicht. Das macht mich sehr stolz.

Zech: Bei größeren Organisationen liegt der Schnitt etwa bei 30 Prozent Verwaltungsanteil, und dann gibt es ja auch immer drei, vier Unterorganisationen, die ebenfalls wiederum 30 Prozent abziehen. 

Bayernkurier: Herr Zech, welche Erfahrungen haben Sie aus dem Libanon mitgenommen und wie werden Sie das in ihre politische Arbeit einbringen?

Zech: Im Herbst 2016 will ich als Berichterstatter des Europarates den ersten Libanon-Bericht bei der parlamentarischen Versammlung des Europarates vorlegen. Ich werde dazu noch öfter in den Libanon reisen und dort mit allen politischen Parteien sprechen. Ich hoffe, damit den Stillstand in der Regierungsbildung zu lösen. Dann will ich noch mehr darüber erfahren, wie wir vor Ort helfen können, dazu habe ich jetzt lose mit dem Gouverneur von Akka besprochen, dass ich ihn mit einem Landrat und einem Bürgermeister besuche. Der Landrat ist Spezialist für kommunale Abfallentsorgung. Ich bin selbst Kommunalpolitiker, deswegen liegt mir das sehr am Herzen. Und dann werde ich natürlich weiter Herrn Springers Verein unterstützen.

Bayernkurier: Herr Zech, Sie sprachen nach Ihrem Besuch im Libanon von einem „Weltversagen“. Und man hat tatsächlich den Eindruck, bei jedem Erdbeben ist die internationale Hilfe deutlich größer. An beide daher meine Frage: Welche Botschaft möchten Sie beide gerne an die Welt richten?

Springer: Zwei Punkte: Erstens wir brauchen Soforthilfe, jetzt, heute! Keiner sollte dort verhungern oder erfrieren. Das verlangt viel Energie und Geld. Zweitens kann diese Not nur beendet werden, wenn das blutige Gemetzel aufhört. Das wird so schnell und so einfach nicht zu lösen sein. Meine Aufgabe ist es deshalb auch, die Öffentlichkeit über die Zustände dort zu informieren. Ein syrischer Flüchtling hat mich gebeten, zu erzählen, was Syrer und ihre Kinder leisten können, wie sie die Welt verändern können. Der berühmteste Sohn dieses Landes ist ein Halbsyrer: Der Vater von Apple-Gründer Steve Jobs ist aus der syrischen Stadt Homs. Da kann auch ganz was Tolles entstehen, wenn wir uns um die Flüchtlinge kümmern.

Zech: Dem ist nichts hinzuzufügen. Demnächst ist in London wieder die nächste Geberkonferenz für die Region. Wir brauchen sieben Milliarden Euro, um den Menschen dort das rudimentäre Überleben zu sichern, nur Essen, Trinken, Wärme. Wir haben aber nur die Hälfte davon. Das reicht nicht. Erst mit der vollen Summe können wir die Lage und die Hoffnungslosigkeit entspannen.

Springer: Und wer sieben Milliarden Euro für eine große Summe hält, der sollte mal vergleichen, was die europäischen Fußballrechte die Menschen kosten. Ich weiß die Zahlen nicht auswendig, aber das dürfte mehr sein. (Anm. d. Red.: Nur für Englands, Italiens, Spaniens, Deutschlands und Frankreichs Fußball-TV-Rechte zusammen wurden 2015 rund 5,3 Milliarden Euro gezahlt.)

Das Interview führte Andreas von Delhaes-Guenther.