Die Welt zu Gast in München
Zur 54. Münchner Sicherheitskonferenz werden ab dem 16. Februar über 600 hochranginge Gäste aus aller Welt erwartet. „Wir haben die gefährlichste weltpolitische Lage seit dem Ende der Sowjetunion“ sagt Tagungsleiter Wolfgang Ischinger.
Konferenz

Die Welt zu Gast in München

Zur 54. Münchner Sicherheitskonferenz werden ab dem 16. Februar über 600 hochranginge Gäste aus aller Welt erwartet. „Wir haben die gefährlichste weltpolitische Lage seit dem Ende der Sowjetunion“ sagt Tagungsleiter Wolfgang Ischinger.

Das war noch nie da: Zum ersten Mal in ihrer 55-jährigen Geschichte werden dieses Jahr zwei Damen die Münchner Sicherheitskonferenz eröffnen: Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihre französische Amtskollegen Florence Parly. 17 Prozent der fast 600 Teilnehmer seien Frauen, sagt Konferenzleiter Botschafter Wolfgang Ischinger stolz. Zehn Jahre lang hat er daran gearbeitet, den Frauenanteil bei der Sicherheitskonferenz zu erhöhen.

Afrikas demographisches Wachstum ist ein Thema deutscher Sicherheitspolitik geworden.

Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz

Worüber von der Leyen und Parly sprechen werden, hat Ischinger noch nicht verraten. Vermutlich über Europa und die europäische Sicherheit. Denn europäische Themen werden auf der diesjährigen Konferenz eine zentrale Rolle spielen. Frankreichs Premierminister Edouard Philippe, die britische Premierministerin Theresa May und Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz werden in München erwartet, sowie ein Drittel der EU-Kommission. Bestimmt reden von der Leyen und Parly auch über Mali und die Sahelzone, wo derzeit etwa 1.000 Bundeswehrsoldaten französische Kräfte entlasten, die dort Krieg gegen den Terror führen. „Mali ist unser Afghanistan“ schreibt die französische Zeitung Le Monde und beschreibt damit die Stimmungslage in Frankreich zu diesem Auslandseinsatz.

Die beiden Verteidigungsministerinnen geben den Auftakt zu einer Sicherheitskonferenz, die prominent besetzt sein wird, wie nie. 20 Staats- und Regierungschefs haben zugesagt, sowie 40 Außen- und Verteidigungsminister. 80 Parlamentarier werden im Konferenzsaal sitzen, darunter 50 deutsche. Die geschäftsführende Bundesregierung wird zudem durch Außenminister Sigmar Gabriel, Innenminister Thomas de Maizière und Entwicklungsminister Gerd Müller vertreten sein. „Auch Ministerpräsident Horst Seehofer ist selbstverständlich dabei“, ergänzt Wolfgang Ischinger. Wichtig ist ihm auch die Teilnahme von insgesamt 52 Vorstandsvorsitzenden: „Der halbe Dax wird in München vertreten sein.“ Wenn es um Hochtechnologie-Fragen geht, komme man ohne den Sachverstand der High-Tech-Chefs nicht aus.

US-Delegation als Kernelement

Erfunden wurde die Sicherheitskonferenz 1963 – damals noch als „Wehrkundetagung“ bezeichnet – zur Stärkung der transatlantischen Beziehungen. Es ging darum, möglichst viele Vertreter der amerikanischen Regierung und des Kongresses zum Gespräch nach München zu holen. Das ist auch dieses Jahr wieder geglückt, trotz aller Missstimmungen, die es im vergangen Jahr zwischen Washington und Europa gegeben haben mag. Die US-Delegation ist wieder „das Kernelement der Konferenz“, sagt Ischinger stolz. Verteidigungsminister James Mattis und Heimatschutzministerin Kirstjen Nielsen haben zugesagt. Präsident Donald Trumps Sicherheitsberater H.R. McMaster wird gleich zwei Mal auftreten, Ex-Außenminister John Kerry wird ebenfalls nach München kommen.

Zwölf US-Senatoren, zehn Prozent des Senats – außer in Washington gibt es das nirgends und nie auf der Welt. Nur in München.

Wolfgang Ischinger

Festlicher Höhepunkt der Konferenz wird am Samstag der Empfang des Bayerischen Ministerpräsidenten in der Münchner Residenz sein. Senator McCain wird dann mit dem nach Konferenzgründer Ewald von Kleist benannten Preis ausgezeichnet werden. Die Laudatio auf den kämpferischen republikanischen Senator wird ausgerechnet der ehemalige demokratische Vizepräsident Joe Biden halten. „Angesichts der aktuellen Polarisierung zwischen Republikanern und Demokraten in Washington eine großartige Geste“, meint Ischinger.

1000 bilaterale Gespräche am Tag

Wichtiges Konferenzthema ist auch Syrien. Alle an der Syrien-Krise beteiligten Länder werden in München vertreten sein – außer dem Regime in Damaskus: Russlands Außenminister Sergej Lawrow, der türkische Ministerpräsident und sein Außenminister. Die Außenminister Saudi-Arabiens und des Irans haben zugesagt, dazu der irakische Premier und die Außenminister von Ägypten, Kuwait und Katar. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu wird erwartet – eine Premiere, denn ein israelischer Premierminister war noch nie Gast der Sicherheitskonferenz. Vor allem Türken und Amerikaner werden sich einiges zu sagen haben, ahnt Ischinger. Denn nach dem Sieg über den Islamischen Staat drohe jetzt in Syrien zum ersten Mal eine Auseinandersetzung zwischen zwei Nato-Partnern. Die Türken, die im Nordwesten Syriens Krieg gegen die Kurden führen, haben die amerikanischen Kräfte dort aufgefordert, die Region zu verlassen.

„Was sie im Fernsehen oder im Konferenzsaal sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Ischinger. Viel bedeutender sind drei Tage lang die Gelegenheiten zu bilateralen Gesprächen – ohne Fernsehkamera und Mikrofon. Für sage und schreibe 1000 bi- und multilaterale Termine am Tag hat Ischingers Team im Konferenzhotel Bayerischer Hof 100 Zimmer bereitstellen lassen. „Die Möglichkeit zum Gespräch hinter verschlossener Tür, das ist der Grund, warum die meisten Teilnehmer überhaupt kommen, das ist der eigentliche Wert der Veranstaltung“, sagt Ischinger.

Gefährliche weltpolitische Lage

„Am Abgrund?“, lautet dieses Jahr der Titel der politikwissenschaftlichen Konferenzbroschüre, die Wolfgang Ischinger nächste Woche in Berlin vorstellen wird. „Wir haben die gefährlichste weltpolitische Lage seit dem Ende der Sowjetunion“ meint er. Der ehemalige Botschafter in Washington D.C. und Top-Diplomat ist aber auch Berufsoptimist, wie er selber gerne sagt: „Vielleicht stellen wir auf der Sicherheitskonferenz fest, dass wir das Schlimmste schon hinter uns gelassen haben.“ Vor einem Jahr hat etwa US-Präsident Donald Trump ihm Angst gemacht. „Jetzt könnte man zum Ergebnis kommen: Das Schlimmste waren die Tweets, aber das, was entschieden wurde, ist vielleicht gar nicht so schlimm.“ Die amerikanischen Nato-Verpflichtungen habe die Trump-Administration jedenfalls sehr ernst genommen. „Auf dem Boden in Europa sind die Amerikaner heute ein stärkerer Partner als vorher,“ stellt Wolfgang Ischinger fest.