Filigran wie ein Computerchip sind die Materialien, die am neuen Fraunhofer-Zentrum in Bayreuth erforscht und getestet werden. Foto: Fotolia
Forschung

Bayreuther Fraunhofer Zentrum expandiert

Gerade das strukturschwache Nordbayern braucht Initiativen und Impulse. Das Anfang 2012 gegründete Fraunhofer-Zentrum für Hochtemperatur-Leichtbau (HTL) ist ein Beispiel dafür, wie Tatkraft und Erfindergeist den Standort Oberfranken voranbringen. Jetzt ist das Forschungsinstitut in Bayreuth erweitert worden.

Professor Gerhard Sextl, Leiter des Fraunhofer Instituts für Silicatforschung in Würzburg, dem Mutterinstitut des HTL: „Das Bayreuther Zentrum beweist die Erfolgsformel: Wissenschaft plus Wirtschaft ergibt Wohlstand. Hochtemperatur-Leichtbaumaterialien werden zukünftig immer mehr zu den Materialien der Wahl gehören, denn reduzierte Bauteilgewichte sind essentiell, um Energie und Kosten zu sparen.“

Sextl ist seit Februar 2006 Inhaber des Lehrstuhls für chemische Technologie der Materialsynthese (LCTM) an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg. Seither fördert er als Institutsleiter des Fraunhofer Instituts für Silicatforschung (ISC) in Würzburg die Werkstoffkompetenzen an der Universität Würzburg durch die enge Kooperation zwischen ISC und LCTM.

Forschungsziel: Neue, hitzebeständige Materialien

Das HTL in Bayreuth forscht und entwickelt neue, hitzebeständige keramische Materialien, die bei Prozessen mit sehr hohen Temperaturen – etwa in der Metall- oder Glasindustrie – den Energieverbrauch senken. Sextl: „Gerade durch die enge Zusammenarbeit mit der Universität Bayreuth und den Keramik-Unternehmen in der Region können wir unserem Fraunhofer-Auftrag, klein- und mittelständische Unternehmen in ihren Entwicklungen zu unterstützen, standortnah realisieren.“

Weil dieses Konzept bisher bestens funktioniert hat, hat der Freistaat seit der Gründung des Zentrums knapp drei Millionen Euro für die bauliche Erweiterung bereitgestellt. In den nächsten Jahren kommen noch einmal rund 32 Millionen Euro hinzu. Ziel ist ein eigenständiges Fraunhofer-Institut in Bayreuth.

Professor Walter Krenkel, Lehrstuhlinhaber für Keramische Werkstoffe an der Universität Bayreuth, rechnet damit, dass sich die Zahl der Mitarbeiter in Bayreuth in den nächsten fünf Jahren von 30 auf 60 verdoppelt. Seit 2015 steht auch ein 2700 Quadratmeter großer Neubau am Standort Bayreuth-Wolfsbach zur Verfügung.

Ressourcenschonung und Energieeffizienz

Grund für diese Expansion ist nach Meinung des HTL-Leiters, Friedrich Raether, dass das HTL genau da forsche und entwickle, wo in Zukunft der größte Bedarf bestehe: in der Ressourcenschonung und in der Energieeffizienz. Die Forscher des Bayreuther Instituts hätten sich gefragt: Wo werden am wenigsten Ressourcen geschont und wo wird am meisten Energie gebraucht? Raether: „Die Hochtemperaturprozesse in der Eisen- und Glasindustrie schlucken jährlich elf Prozent des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland – Privathaushalte, Industrie, alles zusammengenommen. Die Energieeffizienz in diesen Industrien liegt bei drei Prozent.“

Das HTL habe daher das Ziel, Werkstoffe und Komponenten für die Energie-, Antriebs- und Wärmetechnik zu entwickeln, die insbesondere bei hohen Temperaturen eingesetzt werden können. Derzeit etwa 30 Mitarbeiter forschen daran. Sie sind in drei Arbeitsgruppen organisiert. Eine erforscht keramische Verbundstrukturen, die beiden anderen entwickeln keramische Fasern und Hochtemperaturprozesse für die Keramik-Industrie.

Bereits entwickelt: Neue Hochleistungs-Bremsscheiben

Ein Beispiel für die Arbeit der Forscher am HTL sind Hochleistungs-Bremsscheiben aus faserverstärkter Keramik. Die Faserverstärkung sorgt dafür, dass die Bremsscheibe den hohen mechanischen und thermischen Belastungen beim Bremsen standhält und während der Lebensdauer eines PKW nicht ausgetauscht werden muss. Die Herstellkosten für Keramik-Bremsscheiben sind jedoch noch sehr hoch. Deshalb werden sie meist nur in PKW der Oberklasse und der oberen Mittelklasse verwendet. Eines der Projekte am HTL befasst sich deshalb mit kostengünstigeren Herstellverfahren für Automobilbremsscheiben.

Faserverstärkte Keramiken können auch in Kraftwerksanlagen eingesetzt werden. Dort müssen sie besonders hohen Temperaturen und mechanischen Belastungen standhalten. Aktuell werden vom HTL in diesem Bereich neue Werkstofflösungen erarbeitet, um die Energieeffizienz der Prozesse zu verbessern. So kann der Wirkungsgrad von Gasturbinen gesteigert werden, wenn deren Betriebstemperatur erhöht wird. Dabei sind jedoch metallische Werkstoffe an ihre Grenzen gelangt. Die von HTL entwickelten neuen Keramiken sollen den erhöhten Temperaturen der Gasturbinen standhalten. Erfreulicher Nebeneffekt ist ein reduzierter CO2-Ausstoß des Gaskraftwerks.