Nicht immer ist das billigste Angebot bei Bauwerken auch des beste. Bild: Fotolia/twixx
Vergabe am Bau

Billig kommt oft teuer

„Geiz ist geil“ heißt es bei einer großen deutschen Elektro-Markt-Kette. Zum Leidwesen der Bayerischen Ingenieurkammer-Bau ist dieser Trend auch auf vielen Baustellen im Freistaat auszumachen. Das billigste Angebot erhält demnach in 76 Prozent der Fälle den Zuschlag. Wirtschaftlich ist es deshalb noch lange nicht: Die Bauschäden sind bundesweit dramatisch gestiegen.

Die Katastrophen-Baustelle des künftigen Berliner Großstadtflughafens BER sollte eigentlich allen Bauherrn ein schillerndes Beispiel dafür sein, was bei einem Projekt alles schief gehen kann, wenn man auf die falschen Leute setzt. Pleiten, Pech und Pannen begleiten seit Jahren den Alltag am neuen Airport, und es hört einfach nicht auf: Zuletzt war ein Gebäudeausrüster in die Insolvenz geschlittert, schon wurde spekuliert, dass auch der Eröffnungstermin 2017 nicht zu halten ist – ursprünglich sollte der Flughafen 2012 in Betrieb gehen. Die Kosten sind völlig aus dem Ruder gelaufen: Mit 1,7 Milliarden Euro wurde 2002 kalkuliert, jetzt zeichnet sich ab, dass auch die Kostenexplosion auf 5,4 Milliarden Euro nicht das Ende der Fahnenstange sein wird. Gründe für die Misere waren vor allem Planungsfehler.

Fehlende Sachkenntnis bei Juristen und Betriebswirten

Den Hauptstadtflughafen hebt die Bayerische Ingenieurkammer-Bau bei ihrem Appell zwar nicht als warnendes Beispiel aufs Tableau, der Vergleich liegt trotzdem nah: „Je größer das Bauprojekt, desto mehr Sachkenntnis braucht man, um ein Angebot angemessen bewerten zu können“, betont Kammerpräsident Heinrich Schroeter. Dass häufig die billigsten Bieter den Zuschlag erhalten, liegt seinen Worten nach daran, dass nur die unmittelbaren Kosten betrachtet werden und wer über die Vergabe entscheidet: „Entscheidet ein Ingenieur, erkennt dieser viel eher als ein Betriebswirtschaftler oder Jurist, warum das Angebot, das zunächst vielleicht teurer erscheint, mittelfristig doch günstiger ist“, weiß der Experte.

In ihrer im Juli 2015 durchgeführten Umfrage kam die Bayerische Ingenieurkammer-Bau zu dem Ergebnis, dass in mehr als drei Viertel der Vergaben von Bauprojekten das billigste Angebot den Zuschlag erhält. Und nur selten habe dabei das aus Gesamtsicht wirtschaftlich sinnvollste Angebot die Nase vorn, heißt es. Bei der Vergabe von Planungsleistungen im Bauwesen stehe allzu oft der Preiswettbewerb im Vordergrund, bedauert die Kammer. So sei die Gefahr groß, dass dies zu Lasten der Qualität gehe und eine unwirtschaftliche Bauausführung mit hohen Folgekosten nach sich ziehe. „Wenn der Billigste den Zuschlag für ein Projekt bekommt und nicht der Beste, gefährdet das die Qualität im höchsten Maße, von der Sicherheit ganz zu schweigen!“, warnt Kammer-Präsident Schroeter und fügt hinzu: „Die beste Lösung entsteht im Wettbewerb der Leistungen und Ideen, nicht im Wettbewerb der Preise.“

Ingenieure sollten bei Vergabe mitreden

Damit Bauwerke über Jahrzehnte ihren Zweck erfüllen, fordert der Kammerpräsident daher, dass bei der Vergabe in Zukunft Ingenieure grundsätzlich ein Wort mitzureden haben sollten. „Nur sie können die Angebote dahingehend bewerten“, meint der Experte.

Anzahl der Schäden hat sich verdoppelt

Dass auf den deutschen Baustellen einiges im Argen liegt, darauf hat im Frühjahr dieses Jahres bereits der deutsche Bauherrenschutzbund e.V. (BSB) hingewiesen. Er hatte 4837 Bauschäden analysiert und sprach von einer „dramatischen Entwicklung im Wohnungsbau“. Im Zeitraum von 2009 bis 2013 habe sich die Anzahl der Versicherungsschäden verdoppelt. Die durchschnittlichen Schäden erhöhten sich von 2002 bis 2013 von 33.000 auf 67.000 Euro. Ursachen für die Mängel waren demnach zu 21 Prozent Planungsfehler, in einem Viertel der Fälle war die Bauleitung schuld. Die Bauausführung war mit 45 Prozent die häufigste Ursache für Mängel, die zu Bauschäden führen. Lediglich sechs Prozent sind auf Materialfehler und drei Prozent auf andere „unvorhersehbare Einflüsse“ zurückzuführen.

Bauen wird immer komplexer

Als Gründe für den starken Anstieg haben der BSB und das Institut für Bauforschung in Hannover die Komplexität des Bauprozesses ausgemacht. Neben den schon seit vielen Jahren bestehenden „typischen Schadensbildern“ bei der Gebäudeabdichtung, beim Brand- und Schallschutz und der Luftdichtheit der Gebäudehülle seien besonders hohe Steigerungsraten im Bereich der Wärmedämmung und der Haustechnik zu verzeichnen. 22 Prozent der Schäden treten demnach während der Bauzeit auf, 54 Prozent im ersten bis dritten Jahr der Gewährleistungsfrist.

Verein stellt Bauherren Experten zur Seite

Um Bauschäden möglichst gering zu halten, bietet der Verein bereits seit 20 Jahren privaten Bauherren, Immobilienerwerbern und Wohneigentümern bundesweit bautechnische und baurechtliche Beratung und Betreuung an – durch ein Netzwerk unabhängiger Berater und Vertrauensanwälte. Weitere Informationen und seine Kontaktdaten bietet der BSB im Internet unter www.bsb-ev.de