Gestrandet: Wie die junge Frau hier am Hauptbahnhof in Wiesbaden warteten Bahnkunden im vergangenen Jahr oft vergeblich auf ihre Züge. Nach dem Tarifabschluss sind jetzt bis September 2016 neue Streiks ausgeschlossen. Bild: Imago
Tarifeinigung

Der Bahn-Wahnsinn hat eine Ende

Der über ein Jahr andauernde Wahnsinn hat ein Ende, und nicht nur die Passagiere können aufatmen: Nach neun von der Lokführergewerkschaft GDL initiierten Streiks mit Millionenschäden für die Wirtschaft haben Bahn und Gewerkschaften nun endlich einen Tarifabschluss erzielt.

Fünf Wochen lang flogen zwischen GDL und Bahn die Fetzen. Am Ende stand ein Kompromiss, um den zuletzt auch die Schlichter Bodo Ramelow und Matthias Platzeck gerungen hatten. Ihnen dankte die Bahn nach dem Abschluss am Dienstagabend ausdrücklich: „Wir haben ein Ergebnis, das Gott sei Dank dazu führt, dass sich unsere Kunden auf die Bahn wieder verlassen können“, sagte Bahn-Personalchef Ulrich Weber. Er sprach von einem „fairen Kompromisspaket“.

Bahn sieht Ziel der Tarifeinheit erreicht

Kern des Streits war bekanntlich, dass die Bahn mit den konkurrierenden Gewerkschaften EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) und GDL (Lokführer) keine unterschiedlichen Regelungen treffen wollte. Das ist ihr nach eigenen Angaben gelungen: „Alle Ergebnisse und Vereinbarungen fügen sich inhaltlich in die bestehenden Regelungen ein“, sagte Weber, der das Ziel erreicht sieht, „für ein und dieselbe Berufsgruppe nicht nach Gewerkschaftszugehörigkeit unterscheiden zu müssen, wenn es um Arbeitszeit, Pausenregelungen oder Vergütung geht“.

GDL von neuem Gesetz ausgenommen

Mit der EVG hatte sich die Bahn bereits Ende Mai auf eine Entgelterhöhung samt Einmalzahlung geeinigt: In zwei Stufen erhalten die Beschäftigten bis Mai 2016 insgesamt 5,1 Prozent mehr Lohn, dazu gibt es im Juli noch 350 Euro. Gleiches hat die Bahn nun auch mit der GDL ausgehandelt. Die Lokführergesellschaft um ihren streitbaren Chef Claus Weselsky erhielt zudem „unabhängig von gesetzlichen Neuerungen eine Langfristperspektive bei der DB“: Bekanntlich hatte die Bundesregierung jüngst das Tarifeinheitsgesetz auf den Weg gebracht, das es Splittergewerkschaften wie der GDL in Zukunft schwerer machen sollte, einen ganzen Betrieb lahmzulegen. Die GDL ist davon nun bis 2020 ausgenommen, aber sie ist immerhin verpflichtet, an Schlichtungen teilzunehmen, wenn die Bahn sie fordert.

Überstunden werden abgebaut, kürzere Wochenarbeitszeit

Die kleine GDL behält also einen großen Teil ihrer Macht, doch es dürfen sich auch die Beschäftigten freuen: Laut Tarifabschluss muss die Bahn die Lokführer entlasten, bis 31. Dezember 2017 sollen eine Million der über Jahre angelaufenen Überstunden abgebaut sein. Dazu sollen 300 zusätzliche „Triebfahrzeugführer“ eingestellt werden. Für die Lokführer besteht außerdem die Option, sich die Überstunden ganz oder teilweise ausbezahlen zu lassen. Zudem könnten auch geringere Arbeitszeiten vereinbart werden, Abstriche beim Entgelt würden dann durch die Auszahlung von Überstunden kompensiert, heißt es. Ab 2018 wird dann generell weniger gearbeitet: Die „Referenzarbeitszeit“ sinkt um eine auf 38 Wochenstunden.

Streiks richten eine halbe Millarde Euro Schaden an

GDL-Chef Weselsky hat also allen Grund, zufrieden zu sein. Er ließ wissen, dass sich die Arbeitskämpfe über gut ein Jahr „ausgezahlt“ hätten. Den angerichteten volkswirtschaftlichen Schaden kann er dabei nicht im Blick gehabt haben: Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hatte beim vorerst letzten Ausstand Anfang Mai darauf hingewiesen, dass alles in allem Streikkosten von einer halben Milliarde Euro drohten: „Lager laufen leer, die Produktion stottert, es kann sogar zu Produktionsausfällen kommen“, klagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer.