Die Technik ist so weit
Aus dem aktuellen BAYERNKURIER-Magazin: Gegen Dieselfahrzeuge werden inzwischen maßlose Vorwürfe erhoben. Dabei sind moderne Aggregate extrem schadstoffarm, schreibt Motoren-Experte Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie.
Mobilität

Die Technik ist so weit

Gastbeitrag Aus dem aktuellen BAYERNKURIER-Magazin: Gegen Dieselfahrzeuge werden inzwischen maßlose Vorwürfe erhoben. Dabei sind moderne Aggregate extrem schadstoffarm, schreibt Motoren-Experte Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie.

Auch wenn aktuell die Kartelldiskussion über die Automobilindustrie hohe Wellen schlägt, so ist unabhängig hiervon seit einigen Wochen eine sachlichere Diskussion über den Dieselmotor zu beobachten, nachdem ein Jahr lang beharrlich gegen diesen Antrieb argumentiert wurde. Sicher ist Kritik an manchen Softwarelösungen von Dieselmotoren angebracht und sicher war die bisherige Strategie von VW in den USA inakzeptabel. Daraus entstand jedoch ein überwiegend unbegründeter und maßloser Dauerbeschuss: „Der Diesel würde keinen CO2-Vorteil beisteuern und für zehntausende Tote in Deutschland verantwortlich sein“. Eine objektive Diskussion über einen technologisch sinnvollen Weg in die Zukunft der Mobilität ist angesichts solcher Behauptungen unmöglich.

Am Ende des Produktzyklus

Natürlich sind Fahrzeuge mit einer illegalen Software, welche nur im Prüfstandbetrieb niedrigere Emissionen erzeugen, inakzeptabel. Dies betrifft jedoch ausschließlich Fahrzeuge, deren Entwicklung schon vor mehr als 10 Jahren begann. Diese älteren Fahrzeugreihen, die am Ende ihres Produktzyklus heute noch angeboten werden, wurden konstruktiv schon Ende der 2000er Jahre festgelegt.

Ein zukünftiger Austausch sämtlicher PKW-Dieselfahrzeuge durch die modernste Technologiestufe entkräftet jedes Argument gegen die Dieseltechnologie aus Immissionsgründen.

Thomas Koch, Professor am KIT

Im Entwicklungszyklus eines heutigen PKWs folgen der Konstruktionsphase eine etwa vierjährige Applikationsphase mit geringen Designanpassungen und anschließend der Verkauf. Dies erklärt, weshalb die Verdammung der Dieseltechnologie auf Basis alter Technologiestände verfehlt ist. Es ist wichtig, dass die neueste Realemissionsgesetzgebung EURO6dtemp inklusive der benötigten Messtechnik in diesem Jahr zum Einsatz kommt. Die benötigte modernste Dieseltechnologie hat nach einer Dekade der Entwicklung vielfach nachgewiesen, dass das letzte große Problem der dieselmotorischen Abgasemissionen, die Stickoxide (NOx=NO+NO2), längst gelöst ist! EURO6 Diesel der zweiten Generation (EURO6dtemp) weisen im Realbetrieb NOx-Emissionen von nur 20 bis 60mg/km auf. Messungen der Deutschen Umwelthilfe, der DEKRA oder des KIT zeigen dies eindrücklich.

Anspruchsvolle Gesetzgebung

Erste Fahrzeuge sind seit fast zwei Jahren verfügbar. Die Technologie wird aktuell auf die gesamte Flotte ausgerollt. Dank dieser riesigen, aber auch lohnenswerten, Anstrengungen verfügt Europa über die anspruchsvollste Gesetzgebung überhaupt. Weltweit erstmalig können nun beliebige Fahrzeuge unter anspruchsvollen Betriebszuständen, zum Beispiel sportlicher Fahrweise, voll beladen, auf Bergstrecken, bis Temperaturen von -7°C auch noch nach 5 Jahren im Feld rechtsverbindlich überprüft werden! Die Technik ist heute soweit.

Die Herausforderung der Zukunft lautet CO2-Reduzierung.

Thomas Koch, Professor am KIT

Ein zukünftiger Austausch sämtlicher PKW-Dieselfahrzeuge durch die modernste Technologiestufe entkräftet jedes Argument gegen die Dieseltechnologie aus Immissionsgründen! Unmittelbar an der Straße am Stuttgarter Neckartor, der höchstbelasteten Stelle in Deutschland, wäre der Dieselbeitrag einer modernen Gesamtflotte noch 3 mikrog/m3. Gleichzeitig werden die Ozonwerte in den Städten sogar verbessert! Übrigens ist die NO2 Belastung in den Gebäuden 50 bis 80 Prozent niedriger als an der Straße und beim Nutzen eines Gasherds können in der Küche NO2-Werte bis 4000 μg/m3 gemessen werden!

Kohlenwasserstoff als Kraftstoff

Mit Ausnahme der Herausforderung NOx-Emissionen unterbieten Dieselfahrzeuge übrigens seit circa 10 Jahren sämtliche Emissionswerte wie Partikel oder Kohlenmonoxid auf der Straße nicht nur deutlich, sie sind sogar unter vielen Betriebszuständen schon lange quasi immissionsneutral unterwegs! Ein typischer Fahrradfelgenverschleiß, hauptsächlich durch Bremsen bedingt, bewegt sich im Bereich von 0,1 mm pro 1000 km. Dies bedingt mittlere Fahrradpartikelemissionen von 3 bis 4 mg/km. Der Dieselmotor allein, ohne Fahrzeugeffekte, emittiert 0,2 bis 0,5 mg/km. Die Partikeldiskussion ist verfehlt!

Aus Immissionsgründen bedarf es keiner Elektromobilität und keiner verbrennungsmotorischen Verbote. Dies hat auch die wissenschaftliche Gesellschaft für Kraftfahrzeugtechnik (WKM) betont. Die Herausforderung der Zukunft lautet CO2-Reduzierung. Hier werden alle Technologien einen Beitrag leisten. Fahrzeuge mit überwiegendem Kurzstreckeneinsatz sind prädestiniert für batterieelektrische Antriebe. Die Verbrennung im Motor muss in Zukunft CO2-neutral erfolgen. Das heutige Konzept des Rohölimports und der Verbrennung dessen Destillats im Motor ist nicht nachhaltig. Daher muss es unser Ziel sein, den benötigten Kraftstoff – einen Kohlenwasserstoff – selbst zu erzeugen. Wasserstoff wird aus Wasser mit Hilfe elektrischer Energie gewonnen. Strukturschwache sonnenreiche südeuropäische Länder können hierfür die Photovoltaik nutzen. Der Kohlenstoff kann aus der Luft oder aus CO2-Quellen gewonnen werden und zusammen mit dem Wasserstoff zu einem Kraftstoff weiterverarbeitet werden.

Probleme der Elektromobilität

Flüssige Kraftstoffe werden aufgrund der Energiedichte das Rennen bei diesen regenerativen Kraftstoffen, den reFuels, machen, zu denen auch biogene Kraftstoffe einen Teilbeitrag leisten. Der entscheidende Vorteil dieser Strategie ist, dass ein Großteil der Bestandsflotte unserer Mobilität mit diesen reFuels erreicht werden kann. Zudem sind Kosten unterhalb von zwei Euro pro Liter realisierbar und die heutige Infrastruktur kann erhalten bleiben. Für die vorgeschlagene Elektrifizierung Frankreichs würden, neben der Benachteiligung der sozial Schwachen, etwa 300 Tonnen radioaktives Material jährlich anfallen!

Der Verbrennungsmotor wird deshalb zunächst mit 48V-Hybridsystemen, Reibungsoptimierung und Prozessoptimierungen kontinuierlich weiter verbessert werden. Probleme der Elektromobilität wie die Rohstoffabhängigkeit, die exorbitanten Kosten, die Infrastruktur oder auch sozialen Nachteile werden in der Euphorie heute verdrängt. So wird eine Frage immer offensichtlicher: Wem nutzt eigentlich die mittlerweile maßlose Argumentation gegen den Verbrennungsmotor, insbesondere gegen den Diesel?

Prof. Thomas Koch

ist Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)