Bionorica-Vorstandschef Prof. Dr. Michael A. Popp (Bild: Jan Voth, Bionorica)
Bionorica

„Ein Umsatzbereich, der Spaß macht“

Das neue Gesetz stößt dem Neumarkter Pharmahersteller Bionorica die Türen zu einem beachtlichen Markt auf: Seit 1. März müssen Krankenkassen Cannabis-Arzneien erstatten. Deutschlands Marktführer für pflanzliche Medikamente hat seit 2002 einen Wirkstoff parat, viel investiert und viel Erfahrung gesammelt. Jetzt winken Umsätze in zweistelliger Millionenhöhe. Bilanz 2016: konstantes Wachstum.

Der richtige Blick für ein Produkt und für eine Marktlücke – und Durchhaltevermögen. Das zeichnet den erfolgreichen Unternehmer aus. Bionorica-Chef Professor Michael Popp hat beides bewiesen. Jetzt winkt der Lohn dafür. Seit bald zwei Jahrzehnten erforscht Deutschlands führender Hersteller pflanzlicher Medikamenten die Cannabis-Pflanze und ihre Wirkstoffe. Seit 2002 ist der Neumarkter Mittelständler mit dem THC-Wirkstoff Dronabinol auf dem Markt. Zuerst durften nur eine handvoll schwerkranker Patienten davon profitieren, zuletzt 5000 im Jahr – immer mit Ausnahmegenehmigungen, immer auf eigene, sehr teure Kosten. Denn Dronabinol und die Arzneien, die Apotheker daraus herstellen, waren nicht erstattungsfähig.

Ab 1. März: Cannabis-Arzneien sind erstattungsfähig

Die Dronabinol-Herstellung ist aufwendig. In teuren klinischen Studien hat Popp die Wirksamkeit der aus dem Wirkstoff hergestellten Arzneien testen und belegen lassen. Das hat jedes Jahr gut Hunderttausend Euro gekostet, einen Millionensumme insgesamt. Nur Verluste, keine Vermarktungschance. Für einen Mittelständler eine schwierige Situation. Popps Aufsichtsrat hat denn auch immer wieder darauf gedrängt, die Dronabinol-Forschung und -Entwicklung doch zu lassen. Aber der promovierte Pharmazeut kannte sein Produkt, dessen Wirkung und die Patienten. Der Bedarf war da, und er hatte ein Medikament. Popp wusste: Der Tag wird kommen, an dem der Gesetzgeber daran nicht mehr vorbei kann.

Wir haben sehr viel Erfahrung, und wir sind richtig gut in der Herstellung.

Michael Popp

Jetzt ist es soweit. Das neue Gesetz ist da. Seit 1. März müssen Krankenkassen in Deutschland Cannabis-Therapien und -Arzneimittel erstatten. „Ein Meilenstein“ sagt Popp. Mit Dronabinol und einem Cannabisextrakt ist er praktisch allein auf dem Markt, zumindest dem deutschen. Sein Produkt ist schon lange da, patentiert und tausendfach bewiesen. Popp: „Wir haben sehr viel Erfahrung, und wir sind richtig gut in der Herstellung.“ Über den Markt, der sich ihm nun öffnet, kann der Oberpfälzer Pharma-Unternehmer nur spekulieren. Popp spricht von derzeit 40.000 Patienten – acht Mal so viele wie er im vergangenen Jahr versorgen durfte. „Es können auch mal 100.000 sein, wir wissen es nicht.“ Sicher ist nur: „Wir haben seit 15 Jahren daran geglaubt. Jetzt haben wir etwas und können den Patienten helfen, und ich gehe davon aus, dass wir unseren Anteil am Kuchen bekommen.“

Derzeit sind etwa 820.000 Patienten in Deutschland nicht ausreichend therapiert.

Michael Popp

Tatsächlich gibt es für Dronabinol-Arzneien viele Patientengruppen und viele Anwendungen: in der Palliativ-Medizin, gegen Nebenwirkungen von Chemo-Therapie, bei Multipler Sklerose, gegen Phantomschmerzen und bei schweren Traumata. In seiner jährlichen Bilanzpressekonferenz nennt Popp noch eine Zahl: „Derzeit sind etwa 820.000 Patienten in Deutschland nicht ausreichend therapiert.“ Was das alles nun für Bionorica bedeutet? Für 2017 erwartet Popp mit Bionoricas Dronabinol und dem Cannabisextrakt einen Umsatz in zweistelliger Millionenhöhe – „ein Umsatzbereich, der Spaß macht, das Durchhalten hat sich gelohnt“.

Konstantes Wachstum

Doch auch noch ohne den vielversprechenden neuen Markt kann sich die Bionorica-Bilanz des vergangenen Jahres sehen lassen. Der Neumarkter Pharma-Mittelständler konnte seinen Umsatz um knapp drei Prozent von 246,7 auf 253 Millionen Euro erhöhen. Etwa 100 Millionen davon entfallen auf den deutschen Markt, 72 Millionen auf den russischen, 12 Millionen auf den ukrainischen und 8,5 Millionen auf den für Bionorica noch jungen polnischen Markt. Wechselkurs bereinigt – also bei stabilem Rubel- und ukrainischem Hrywnja-Kurs – wären die Neumarkter auf einen Umsatz von etwa 304 Millionen Euro gekommen – 30 Prozent mehr als im Jahr 2014. Was Hoffnung macht für stabilere Zeiten in Russland und der Ukraine. Denn in allen genannten Märkten – und einigen anderen mehr – ist Bionorica mit mehreren seiner Medikamente Marktführer, meist mit großem Abstand zu allen Konkurrenten.

Auf nachhaltige Partnerschaft angelegte Preispolitik.

Michael Popp

Besonders stolz ist Popp auf das Ergebnis in Russland. Trotz abgestürztem Rubel, sinkenden Reallöhnen bei hoher Inflationsrate und explodierenden Lebensmittelpreisen haben die Neumarkter in russischen Apotheken 4,3 Prozent mehr Arzneimittel-Packungen verkaufen können. Der russische Absatz kommt dem deutschen von 17 Millionen Packungen schon nahe. Erklärung: Popp hat in Russland die Preise nicht mit dem Rubelverfall erhöht, sondern stabil gehalten und auf Gewinn verzichtet. „Auf nachhaltige Partnerschaft angelegte Preispolitik“, nennt es Popp: „Arzneimittel müssen erwerbbar sein.“ Als er erfuhr, dass Großhändler in der Ukraine die Preise steil erhöhten, hat er eingegriffen und den Ukrainern 20 bis 30 Prozent nachgelassen. Ergebnis: Der Absatz an Packungen stieg um 13 Prozent. Im bisherigen Sorgenkind Polen konnte Bionorica 2016 gar 32 Prozent mehr Packungen absetzen.

Bionoricas Erfolgsprodukt schlechthin war auch 2016 auf praktisch allen Märkten das Erkältungsmittel Sinupret. In Deutschland kommt es inzwischen auf einen Marktanteil von nur noch schwer steigerbaren 66 Prozent. Weitere Umsatztreiber waren das Hustenmittel Bronchipret (9,8 Prozent), Canephron gegen Harnwegsinfekte (16,5) und die Immunstimulanz Imupret (9,0). Das konstante Wachstum des Neumarkter Unternehmens wird auch in der Zahl der Beschäftigten sichtbar: An weltweit 17 Standorten beschäftigt Bionorica 1532 Mitarbeiter (2015: 1473), davon 933 in Deutschland (2015: 907).

Russland, Iran, Mexiko, Brasilien

Ausblick für 2017: Mit einer Eigenkapitalquote von 77 Prozent ist der Oberpfälzer Pharmahersteller für weitere Expansion gut gerüstet. Und die hat Popp auch fest im Blick: Im südwestrussischen Woronesch hat er Grund für ein Verpackungswerk erworben. Die Baugenehmigungen sind erteilt. Der erste Spatenstich steht bevor. In drei Jahren will Bionorica in Woronesch mit der Produktion beginnen, auch für fremde Hersteller, die einmal 44 Millionen Packungen und 7,7 Millionen Flaschen erreichen soll.

Iran − ein toller Markt für pflanzliche Arzneimittel.

Michael Popp

Im Iran hat Popp einen Vertrag mit einem Joint-Venture-Partner unterschrieben. Ab 2017 will er dort Sinupret, Bronchipret und andere Präparate vertreiben. Popp: „Ein toller Markt für pflanzliche Arzneimittel.“ In Brasilien und Mexiko stehen die Oberpfälzer an der Startlinie: In Neumarkt wartet man auf die Ankunft amtlicher mexikanischer und brasilianischer Inspizienten –  die Voraussetzung für die Zulassung in den beiden lateinamerikanischen Ländern.

Guter Start ins Jahr 2017

Wenn der Rubel einigermaßen stabil bleibt, erwartet sich Popp für 2017 ein zweistelliges Umsatz-Wachstum. Das Jahr hat für die Neumarkter jedenfalls schon gut begonnen: In Deutschland brachten Januar und Februar neue Umsatzrekorde, Russen und Osteuropäer mussten eine massive Grippewelle überstehen. Popp: „Einen besseren Start kann man sich nicht wünschen.“