Über Umwege nach Bayern: Die Energie aus dem Norden Deutschlands landet oftmals in Österreich. Dort wird síe mitunter gespeichert und wird bei Bedarf in der deutsch-österreichischen Strompreiszone gehandelt. (Bild: Imago/BildFunkMV)
Ende der Strompreiszone

Schlecht für Österreich, gut für Deutschland?

Die Handelskammern in Bayern und Österreich kämpfen für den Erhalt einer deutsch-österreichischen Strompreiszone. Die Trennung würde ihrer Meinung nach die Preise in die Höhe schrauben und die Versorgungssicherheit gefährden. Die Bundesnetzagentur will den Handel ab Juli 2018 begrenzen. Während Österreich tobt, sehen es Experten gelassen. In Deutschland könnte der Strom sogar günstiger werden.

Schon bevor die Bundesnetzagentur am vergangenen Freitag ein „Engpassmanagement“ des Stromhandels an der deutsch-österreichischen Grenze einforderte, hatten Wirtschaftsverbände beider Länder vor einer Trennung der gemeinsamen Strompreiszone gewarnt, die die europäische Energieagentur „ACER“ favorisiert: „Diese Pläne gefährden die Versorgungssicherheit in Bayern, führen zu höheren Strompreisen und schaden dadurch unseren Unternehmen“, meinte Eberhard Sasse, Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK). Sein Kollege Christoph Leitl von der Wirtschaftskammer Österreichs (WKÖ) ergänzte: „Ein gemeinsamer Strommarkt ist die Voraussetzung für eine europaweite Energiewende bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit und wettbewerbsfähigen Strompreisen. Der Wandel zu einem nachhaltigeren Energiesystem darf nicht zu einer Renationalisierung der Energiepolitik führen.“

In Polen und Tschechien glühen die Drähte

Die Netzbetreiber stecken in einem Dilemma: Wegen noch fehlender Nord-Süd-Trassen fließt der Strom-Überschuss von Windkraftanlagen im Norden Deutschlands über Polen und Tschechien nach Österreich. Auf dem Weg glühen die Drähte, Polen und Tschechen klagen nicht zu Unrecht über eine Überlastung ihrer Netze. In Österreich angekommen werden mit dem günstigen Strom auch die Pumpspeicherkraftwerke gefüllt. Sie nehmen die Netzspitzen auf, geben bei Bedarf die Energie wieder ab und leiten den Strom innerhalb der deutsch-österreichischen Strompreiszone nach Deutschland und insbesondere Bayern zurück. Vor allem für die Alpenrepublik ist das eine feine Sache, und daran soll sich nach dem Willen der Wirtschaftsverbände auch so schnell nichts ändern. Eine Zerstückelung der Zone „wäre ein Schritt in die falsche Richtung zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt“, heißt es von BIHK und WKÖ, die in Bayern und Österreich knapp 1,5 Millionen Unternehmen repräsentieren.

Wir rechnen aber damit, dass Stromhandel zwischen beiden Ländern in erheblichem Umfang weiterhin möglich sein wird. Es werden lediglich Handelsspitzen gedeckelt.

Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur

Einen ersten Dämpfer setzte es nun aber von der Bundesnetzagentur, die den Stromhandel zwischen Deutschland und Österreich deckeln will. Die vier deutschen Stromübertragungsnetzbetreiber wurden aufgefordert, an der deutsch-österreichischen Grenze eine Bewirtschaftung der Transportkapazitäten vorzubereiten. Ziel sei die Gewährleistung eines funktionierenden Engpassmanagements ab dem 3. Juli 2018, heißt es. Das sei notwendig, weil die Kapazitäten der Übertragungsnetze in Deutschland, Österreich sowie Polen und Tschechien nicht in der Lage seien, „den gehandelten Strom vollständig zu transportieren“. Medienberichten zufolge kauft Österreich derzeit nach Schätzungen von Fachleuten in der Spitze bis zu 8 Gigawatt deutschen Strom, die Leitungen beider Länder können aber gerade mal 3 bis 4 Gigawatt transportieren. Bundesnetzagenturchef Jochen Homann rechnet dennoch damit, dass der Stromhandel zwischen Deutschland und Österreich „weiterhin in erheblichem Umfang möglich sein wird“. Es würden lediglich „die Handelsspitzen gedeckelt“, sagt er.

Österreich ist empört

Die Vorgehensweise ist für uns nicht nachvollziehbar. Das ist ein falscher Schritt, der weder erforderlich noch gerechtfertigt ist, es gibt eindeutig gelindere Mittel.

Die Vorstände der österreichischen Energieregulierungsbehörde E-Control in einer Erklärung

Durch Österreich geht trotzdem ein Aufschrei der Empörung über die Bundesnetzagentur: „Die Vorgehensweise ist für uns nicht nachvollziehbar“, erklärten die Vorstände der österreichischen Energieregulierungsbehörde E-Control nach der Entscheidung am Freitag. „Das ist ein falscher Schritt, der weder erforderlich noch gerechtfertigt ist, es gibt eindeutig gelindere Mittel.“ Die österreichische Behörde will nun alle möglichen rechtlichen Schritte ergreifen, signalisiert aber auch Gesprächsbereitschaft: „Wir werden die Gespräche mit Deutschland und den anderen Beteiligten fortführen und sind weiter zuversichtlich, auf dem Verhandlungsweg eine Einigung zu finden“, heißt es.

Wir profitieren von der Strompreiszone. Wir haben in Österreich den Vorteil, dass wir den Strom günstig importieren. Wir wollen darauf schauen, dass die ACER nicht eine Entscheidung zum Nachteil Österreichs trifft.

E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch

Bayerns Nachbar macht das aus gutem Grund, schließlich lebt das Land sehr gut mit dem deutschen Billigstrom: „Wir profitieren von der Strompreiszone. Wir haben in Österreich den Vorteil, dass wir den Strom günstig importieren. Wir wollen darauf schauen, dass die ACER nicht eine Entscheidung zum Nachteil Österreichs trifft“, gestand E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch, noch bevor die Bundesnetzagentur ihre Pläne offenlegte. In der österreichischen Zeitung Kurier sprach er vielmehr über die Haltung der europäischen Energieagentur „ACER“, der die länderübergreifende Strompreiszone ein Dorn im Auge ist. Der Vorstand warnte vor geringeren Stromimporten und damit verbundenen Preissteigerungen, die „empfindlich“ ausfallen könnten. Befürchtet wird demnach, dass die Preise in Österreich mit einem Risikoaufschlag versehen werden und um 15 bis 20 Prozent zulegen.

Experten: Innerdeutsche Aufteilung wäre weitaus dramatischer

Zu einer weniger dramatischen Einschätzung kam dagegen in dieser Woche das in Oxford und Berlin ansässige Energiemarktmodellierungs- und beratungsunternehmen Aurora Energy Research: Die von der Bundesnetzagentur angekündigte Aufteilung der Stromgebotszone ab Juli 2018 habe „allenfalls marginale Auswirkungen auf die Strompreise in beiden Ländern“. In Deutschland werde der Preis in den Jahren nach der Teilung um rund 10 Cent pro Megawattstunde sinken, in Österreich um 35 Cent steigen. Vor dem Hintergrund des schleppenden Netzausbaus in Deutschland warnen die Experten vielmehr vor einer Aufteilung des deutschen Strommarktes in zwei Gebotszonen: etwa in Nord und Süd. „Eine solche innerdeutsche Teilung hätte einen weitaus größeren Effekt auf die Strompreise und den gesamten Strommarkt, dagegen sind die Folgen der jetzt angekündigten Maßnahmen vernachlässigbar.“